Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Homöopathie – Teil 3

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Harald Walach

Wir haben in den beiden ersten Teilen dieser Serie die rechtliche Situation der Zulassung und Prüfung von Homöopathika im deutschen Arzneimittelrecht, sowie die Frage der Wirksamkeit untersucht. Nun widmen wir uns der Frage der

Wirtschaftlichkeit der Homöopathie

Diese Frage hat zum ersten Mal ausführlicher das Schweizerische Programm zur Evaluation der Komplementärmedizin, ein staatlich initiiertes Evaluationsprogramm unter die Lupe genommen, in dessen Review Board ich damals war. 1,2 Die Schweizer haben u.a. als Resultat dieses Evaluationsprogrammes das Recht auf komplementärmedizinische Behandlung als einzige Nation der Welt, soweit ich weiß, in ihre Verfassung aufgenommen. Einer der leitenden Beamten des Bundesamtes für Gesundheit, der für dieses Programm zuständig war, hatte mir damals in einer email geschrieben: „Die Frage ob Komplementärmedizin wissenschaftlich begründet und wirtschaftlich ist, ist keine wissenschaftliche Frage, sondern eine politische.“ Das war wenigstens ehrlich und hat die Sache auf den Punkt gebracht. Trotz seinen heftigen Bemühungen die Komplementärmedizin insgesamt zu desavouieren war das Ergebnis damals weitgehend positiv und die Kosten vieler komplementärmedizinischer Behandlungen, u.a. der Homöopathie, werden seither von den Versicherungen der Schweiz übernommen. Der Health Technology Assessment Report, also die globale Einschätzung von Wirksamkeit und Brauchbarkeit für das Gesundheitssystem, fiel damals positiv aus 3.

Seither sind einige Studien zum Thema erschienen, speziell zur Wirtschaftlichkeit der Homöopathie. Diese besprechen wir nicht alle einzeln, sondern greifen ein paar interessante Daten heraus. Einen Überblick gibt eine systematische Review-Arbeit von Petter Viksveen und Kollegen aus Norwegen 4.

Überblick

Diese Autoren suchten systematisch die Literatur ab und fanden insgesamt 14 Studien, die homöopathische Interventionen auf Wirtschaftlichkeit hin untersuchten. 8 von diesen Studien fanden, dass die homöopathisch behandelten Patienten besseren Gesundheitszustand aufwiesen und dass diese Behandlungen billiger waren. Bei vier Studien zeigte sich, dass die Verbesserungen in der Homöopathiegruppe mindestens so gut wie in der konventionell behandelten Gruppe war und die Kosten vergleichbar. Und zwei Studien fanden, dass die Kosten für die homöopathische Behandlung größer waren, aber die Ergebnisse mindestens gleich gut.

Bevor wir uns zwei Studien genauer ansehen, eine davon im Review von Viksveen enthalten, die andere nicht, noch ein paar Gedanken zum Kostenbegriff in dieser Frage:

Kostentypen

Kosten entstehen ja grundsätzlich auf mindestens vierfache Art und Weise:

  1. Zum einen muss irgendwer den ärztlichen Zeitaufwand bezahlen. Der ist bei Ärzten, die in der kassenärztlichen Praxis arbeiten in Deutschland durch die Pauschale abgedeckt, und homöopathische Vertragsärzte erhalten im Rahmen entsprechender Verträge mit Krankenkassen oft noch ein Zusatzhonorar z.B. für ausführlichere Exploration oder Gespräche; dieses deckt meistens bei klassisch homöopathisch arbeitenden Ärzten den Aufwand nicht. Aus diesem Grund sind viele homöopathische Ärzte in Deutschland privat tätig. In diesem Falle bezahlen die Patienten die Ärzte selber; allenfalls Privatversicherungen oder Zusatzversicherungen übernehmen die Kosten. Diese Kosten tauchen nicht in den Evaluationen auf, auch weil die Länder ganz unterschiedliche Abrechnungsmodi haben.
  2. Dann kommen die Kosten für Arzneimittel hinzu. Diese sind relativ niedrig, da klassisch homöopathische Ärzte tendenziell mit Hochpotenzen arbeiten, die man selten einnimmt und daher auch keine hohen Kosten verursachen. Auch wenn man eher teurere Komplexhomöopathika nimmt, sind die Kosten überschaubar. In Deutschland werden sie für Kinder von der Kasse übernommen, wenn die Verordnung von einem Kassenarzt kommt. Homöopathie hat hier einen Vorteil und damit ein Einsparpotenzial gegenüber konventionellen Pharmaka, die tendenziell eher teurer sind und gerade bei chronischen Problemen tendenziell eher länger eingenommen werden.
  3. Kosten für Krankenhausaufenthalte, entweder weil eine ambulante Behandlung nicht ausreicht, oder weil dabei komplexere Probleme entdeckt werden, oder weil die Krankheit aufgrund einer schlechten ambulanten Behandlung zu einem stationären Aufenthalt führt, sind nicht immer erfasst und wären eine eigene wichtige Kategorie. Bei uns in Deutschland kommen noch Reha-Aufenthalte hinzu, die von einem anderen Kostenträger bezahlt werden und daher normalerweise in Kostenevaluationen nicht enthalten sind.
  4. Weitere und indirekte Kosten durch Krankschreibungen, Arbeitsausfall und sozioökonomische Folgekosten sind nur selten gut berechenbar und nicht immer in den ökonomischen Evaluationen enthalten.

Meines Wissens überhaupt nicht untersucht sind die potenziellen präventiven Effekte. Wie wir sehen werden, nehmen homöopathisch behandelte Patienten in der Regel weniger konventionelle Arzneimittel ein. Da diese aufgrund ihres Nebenwirkungspotenzial nicht selten zu weiteren Erkrankungen führen, die man meistens nicht mit der Einnahme von Medikamenten in Verbindung bringt, sondern als Neuerkrankungen einstuft, die wieder durch neue Interventionen behandelt werden, fällt dieser Aspekt bei der ganzen Betrachtung ganz unter den Tisch.

Versicherte einer holländischen Versicherung verursachen unter komplementärmedizinischer Behandlung 10% weniger Kosten bei vergleichbarem klinischen Ergebnis

Eine große Untersuchung von Baars und Kooreman aus Holland hatte die Möglichkeit, alle Kostendaten einer Krankenversicherung zu untersuchen. 5 Mehr als 1,5 Millionen Versicherte oder 98,8% waren bei konventionellen Ärzten und die restlichen 1,2% oder 18.862 Patienten bei komplementärmedizinisch tätigen Ärzten in Behandlung. Dies waren vor allem anthroposophische Ärzte, homöopathische und solche mit Akupunkturausbildung. Ärzte mit unklarer Zuordnung und ihre Patienten wurden in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Die Autoren verglichen die Kosten und hatten ein hartes Kriterium zu den klinischen Ergebnissen: Mortalität. Denn man könnte ja argumentieren: Natürlich haben wir weniger Kosten, wenn die Ärzte schlecht behandeln, notwendige Maßnahmen unterlassen und damit ihre Patienten einer schlechteren Versorgung aussetzen. Das würde sich dann in unterschiedlichen Sterblichkeitsziffern zeigen. Genau das ist nicht der Fall. Die Mortalitätsraten sind bei beiden Ärztegruppen gleich. Aber die Kosten sind bei den komplementärmedizinisch tätigen Ärzten geringer, nämlich um 192 € pro Patient oder um 10%. Dies ist vor allem auf niedrigere Kosten am Ende des Lebens zurückzuführen, dort wo nämlich die meisten Kosten entstehen. Das Einsparpotenzial auf Holland hochgerechnet: 3.78 Milliarden Euro würden die Holländer sparen, wenn alle Holländer komplementärmedizinisch behandelt würden. Das bezieht sich auf 16.8 Millionen Einwohner. Fiktive Hochrechnung für Deutschland mit ca. 80 Millionen Einwohner: etwa 18 Milliarden Euro Einsparpotenzial.

Wir wissen leider nichts über den generellen Gesundheitszustand dieser Patienten, weil als einziger klinischer Parameter die Mortalität erhoben wurde. Die Studie ist deswegen interessant, weil sie einen Zeitraum von 6 Jahren überblickt und die gesamte Population einer holländischen Versicherung. Allerdings kann man aus diesen Daten die Effekte für die Homöopathie nicht herausholen, da sie mit denen der gesamten komplementärmedizinischen Gruppe zusammen verarbeitet wurde. Dieses Problem hat die französische EPI3 Kohorte gelöst 6,7.

Die EPI – 3 Kohortenstudie: Muskuloskeletale Probleme

In Frankreich gibt es traditionell viele homöopathische Ärzte, die im Rahmen der staatlichen Krankenversicherung arbeiten.

Die EPI-3-Kohortenstudie erfasst eine repräsentative Gruppe französischer Ärzte im staatlichen Versorgungssystem. Solche die rein konventionell praktizierten, solche die rein homöopathisch praktizierten und solche mit verschiedenen anderen Methoden der Komplementärmedizin oder mit einer Mischung. Insgesamt wurde eine repräsentative Stichprobe von  825 Ärzten eingeschlossen. Das ist wichtig, denn durch die repräsentative Stichprobenziehung und zufällige Patientenziehung bei den Ärzten wurde eine hohe Aussagekraft für die reale Versorgung erreicht. Für unterschiedliche Krankheitsdiagnosen wurden zufällig Ziehungstage festgelegt und an diesen Tagen befragte ein ausgebildeter Mitarbeiter in den entsprechenden Arztpraxen bis zu 15 Patienten im Wartezimmer, die in die entsprechende Diagnosekategorie fielen. Dokumentiert wurden in der EPI-3 Kohorte insgesamt 100 Diagnosen bei 8559 Patienten, zunächst in einer Basiserhebung und dann nach 3, 6 und 12 Monaten in einem Telefoninterview nochmals. Als klinisches Erfolgsmaß wurde die Kurzform eines allgemeinen Funktions- oder Lebensqualitätsfragebogen, der SF12 verwendet, und noch ein spezialisierter Funktionsfragebogen. Die Fragebögen wurden anfangs von den Patienten selbst ausgefüllt und nach einem Jahr in einem Telefoninterview erhoben. Die Ärzte dokumentierten die Diagnosen. Der Medikamentenverbrauch wurde über ein sog. unterstütztes Erinnerungsinterview erhoben, bei dem Patienten nach den Namen entsprechender Arzneimittel anhand von bekannten Beispielen gefragt werden, und der Verbrauch wird dokumentiert.

In dieser Publikation wurde die in Frankreich am häufigsten in der Allgemeinpraxis behandelte Diagnose, Muskuloskeletale Probleme, untersucht 6,7. Darunter sind alle nicht direkt auf eine akute oder andere Erkrankung zurückzuführenden Schmerzprobleme des Muskel- und Skelettsystems zu verstehen, typischerweise also etwa Rückenschmerzen, Nacken- und Schulterschmerzen, Gelenkprobleme aufgrund von rheumatischen Problemen usw.  erfasst. Akut entzündliche Probleme, solche aufgrund von Infektionen oder Krebserkrankungen waren ausgeschlossen. Dies ist also eine große, heterogene Gruppe von Krankheiten, deren gemeinsamer Nenner Schmerzen, meistens chronische, sind.

Insgesamt 371 Patienten mit solchen muskulo-skeletalen Problemen wurden homöopathisch und 272 rein konventionell behandelt; die größte Gruppe machen die Patienten mit einer gemischten Behandlungsform aus, nämlich 510.

Die Patienten der homöopathisch arbeitenden Ärzte waren in der Regel gut mit den anderen vergleichbar, waren allerdings häufiger Frauen, besser gebildet, hatten weniger Übergewicht, aber eher chronische Probleme. Was wir aus anderen Studien wissen, bestätigt sich also hier: Homöopathie wird eher von Gebildeten, mehr von Frauen und vor allem von Patienten gesucht, die schon länger an Problemen leiden und anderswo oft erfolglos behandelt wurden 8,9. Die Ausgangssituation der Patienten war in allen Gruppen etwa gleich, allerdings hatten die Homöopathie-Patienten tendenziell bessere Ausgangswerte.

Diese Unterschiede kontrollierten die Forscher über einen sog. „Propensity Score“. 10 Das ist eine statistische Methode, mit der in naturalistischen, nicht-randomisierten Studien die Unterschiede, die sich aufgrund der natürlichen Auswahl ergeben, statistisch kontrolliert werden können. Denn Menschen, die sich für homöopathische Therapie entscheiden sind vermutlich in vielen Eigenschaften, auch solchen, die nicht erfasst wurden, anders als solche, die sich für konventionelle Therapie entscheiden. Solche Unterschiede versucht man normalerweise durch den Kunstgriff der Zufallszuteilung zu vermeiden und meistens funktioniert das auch gut. Wenn aber Menschen nicht per Zufall aufgeteilt werden können, weil es sich eben um natürliche Merkmale handelt – Lebensstilentscheidungen etwa oder eben Arztwahl – ,dann muss man sich anders behelfen. Bei der Propensity Score Analyse wird aus den bekannten Merkmalen mit Hilfe einer statistischen Vorhersagemethode, einer sog. Regression, errechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand aufgrund der bekannten Merkmale in einer der beiden Gruppen ist. Damit kann man dann einen Wert bilden, mit dem man entweder die Auswertung gewichten kann oder eine Paarung von ähnlichen Patienten in den beiden Gruppen aufgrund ihrer Rangfolge vornehmen kann. Damit kann man dann statistisch weiterrechnen. Hier wurde dann ein lineares Modell angewendet, mit dem die Unterschiedlichkeit der Veränderung erfasst wurde. Statistisch ist das also eine Studie, deren Auswertung auf der Höhe der Kunst liegt.

Es zeigt sich: Insgesamt ist die Besserung in allen Gruppen ungefähr gleich. Die Besserung der Patienten, die bei Einschluss nicht an chronischen Problemen leiden ist in der Homöopathiegruppe leicht geringer. Die Besserung der chronischen Patienten eher etwas größer, aber die Unterschiede sind nicht signifikant.

Was aber sehr deutlich ist: Die Patienten der Homöopathiegruppe verbrauchen nach einem Jahr fast um die Hälfte weniger nichtsteroidale antiinflammatorische Substanzen, sog. NSAIDs. Das sind klassische Entzündungshemmer, die am häufigsten verschriebene Kategorie von Medikamenten – aber auch die Einzelkategorie von Medikamenten, auf deren Konto die häufigsten Todesfälle gehen, die durch Medikamente verursacht wurden 11-15. Die Odds Ratio für die Einsparung gegenüber konventioneller Therapie beträgt nach einem Jahr 0.56, also 44% weniger bei den chronischen Patienten und 0.58, also 42% bei denen, die anfangs mit einem akuten Problem kamen. In der gemischten Gruppe lagen die Werte dazwischen.

Die Autoren der EPI3-Studie folgern: der Behandlungserfolg ist gleich, aber der Verbrauch an NSAIDs ist bei den homöopathisch behandelten Patienten um mehr als 40% reduziert. Nachdem der Funktionsstatus der Patienten am Ende der Behandlung vergleichbar ist, und in diesen gehen auch die Beschreibung der Schmerzen ein, kann das eigentlich nur bedeuten, dass die Behandlung der homöopathischen Ärzte in etwa den gleichen Effekt hat wie die konventionelle Behandlung durch Schmerzmittel. Bei Patienten, bei denen die Homöopathie nicht gut funktioniert, ist anzunehmen, dass sie eben weiterhin zu NSAIDs greifen.

Was heißt das nun für die Wirtschaftlichkeit der Homöopathie? Offenkundig lässt sich aus dieser Studie folgern, dass bei gleichem therapeutischen Erfolg etwas mehr als 40% aller NSAIDs bei Patienten mit muskuloskeletalen Schmerzproblemen (und das sind typischerweise die Hauptkonsumenten solcher Medikamente) innerhalb eines Jahres eingespart werden können, ohne dass der klinische Erfolg darunter leidet. Diese Einsparung hat zwei Seiten: sie hilft potenzielle Nebenwirkungen und damit Folgeprobleme zu reduzieren. Und sie führt zu einer direkten Kosteneinsparung. Zwar sind NSAIDs nicht schrecklich teuer, aber bei einer großen Zahl von Patienten mit muskuloskeletalen Schmerzproblemen fiele das dann doch ins Gewicht. Wichtiger scheint mir aber zu sein, dass diese Medikamentenklasse vor allem bei hoher Dosierung und Langzeitanwendung zu den potenziell gefährlichen gehört und damit die Vermeidung von Folgeproblemen im Vordergrund steht. Rechnet man konservativ nur mit den Arzneimittelausgaben der Gesundheitsberichterstattung des Bundes von 2017, die 633 Mio. für antientzündliche Medikamente betragen (beim Gesundheitsbericht auf „Ausgaben“, dann „Arzneimittel“, dann „Arzneimittel nach ATC Gruppen“ oder nach Roter Liste auswählen und sich die entsprechende Tabelle zusammenstellen lassen), dann läge das Einsparpotenzial nur bei Arzneimitteln bei etwa 250 Millionen, die Verhinderung von Nebenwirkungen und Komplikationen und deren Kosten nicht mit eingerechnet.

Man könnte noch ein zweites Beispiel durchdeklinieren: SSRIs, selektive Serotonin-Reuptake Inhibitoren, die sehr häufig an depressive Patienten ausgegeben werden und ein hohes Nebenwirkungspotenzial haben. Eine neuere Re-Analyse einer großen, unlängst publizierten Meta-Analyse 16, stellt diesen Medikamenten ein sehr schlechtes Zeugnis für ihr Wirkungs-Nebenwirkungsprofil aus und weist besagter ursprünglicher Analyse eine Reihe handwerklicher Fehler nach 17, ganz abgesehen davon, dass die Patienten aus den Studien mit denen in der klinischen Praxis kaum vergleichbar sind 18.  Die Wirkung ist, wenn man alle Studien, auch die unpublizierten, zusammenfasst gerade einmal eine Drittel-Standardabweichung und liegt damit erheblich unter der vom englischen Regulator geforderten halben Standardabweichung. Das Nebenwirkungspotenzial ist hoch. Peter Gøtzsche meint sogar, dass sie sehr gefährlich seien, weil sie häufig zu Selbstmord und Aggression führen, die nicht den Medikamenten zugerechnet werden 19.

Zu diesem Thema gibt es zwei positive Nicht-Inferioritätsstudien klassischer Homöopathie gegen Fluoxetin, ein SSRI. Die beiden Studien, die wir noch einmal gesondert besprechen werden, zeigen: Klassische Homöopathie funktioniert bei Depression genauso gut (oder schlecht) wie SSRIs.20,21  Wenn man bedenkt, dass diese Medikamente zu den am häufigsten verwendeten gehören, erkennt man leicht das Einsparpotenzial. Lt. Gesundheitsberichterstattung des Bundes werden knapp 900 Millionen Euro pro Jahr für Antidepressiva ausgegeben (siehe Link oben; allerdings ist dies eine größere Gruppe von Arzneimitteln und SSRIs sind nur eine Teilgruppe dieser Arzneimittel). Mit einer konservativen Schätzung würde der Ersatz der SSRIs durch homöopathische Therapie zu einem Einsparpotenzial von ca. 500 Millionen Euro führen. Das sind natürlich Phantastereien, weil das gegenwärtige System niemals zu solchen Veränderungen führen wird. Aber man erkennt daran die potenziellen Einsparmöglichkeiten. Ob das der Grund für die wachsende Aggressivität der Anti-Homöopathiekampagne sein könnte?

Für deutsche Verhältnisse gibt es keine wirklich repräsentativen Daten zur Wirtschaftlichkeit der Homöopathie. Die Studie, die von der Technikerkrankenkasse in Auftrag gegeben wurde, hat aus unserer Sicht einige gravierende Mängel. Weil dies technisch komplex ist, besprechen wir sie gesondert.

Wir fassen zusammen:

Es gibt insgesamt mindestens 14 Studien, die die Wirtschaftlichkeit der Homöopathie untersuchen. Alle Studien kommt zu einem positiven Ergebnis, wiewohl sicher noch Untersuchungsbedarf herrscht. 8 von diesen Studien attestieren der Homöopathie, dass sie klinisch bessere Ergebnisse wirtschaftlich günstiger erzeugt als konventionelle Versorgung. Vier Studien zeigen, dass die Homöopathie wirtschaftlich günstiger ist bei gleichen Ergebnissen und zwei Studien bescheinigen der Homöopathie höhere Kosten bei gleichem klinischem Ergebnis.

Wir haben zwei Studien genauer untersucht. Eine große holländische Studie, die über 6 Jahre alle Versicherten einer bestimmten Versicherung analysierte, zeigt: komplementäre Therapie, darunter auch die Homöopathie, ist etwa um 10% günstiger als konventionelle Versorgung bei gleichem klinischen Ergebnis. Auf Holland hochgerechnet hieße das ein Einsparpotenzial von 3,8 Milliarden Euro. Auf Deutschland hochgerechnet hätten wir ein Einsparpotenzial von ca. 18 Milliarden Euro. Eine neuere große französische Kohortenstudie belegt: Homöopathie erzeugt das gleiche klinische Ergebnis, führt aber zu erheblichen Einsparungen von mehr als 40% bei nichtsteroidalen Entzündungshemmern oder etwa 250 Millionen. Würde man das Einsparpotenzial der Homöopathie, das sich auch bei Antidepressiva belegen lässt, tatsächlich in die Kostenrechnung mit einpreisen, ein Potenzial von mindestens 500 Millionen, dann führt eigentlich kein Weg an der Schlussfolgerung vorbei: Homöopathie ist etwa gleich gut wie konventionelle Versorgung, aber günstiger. Ganz genau wissen wir es auf deutsche Verhältnisse angewandt noch nicht. Aber vielleicht sollten all die, die das bestreiten, einmal darauf hinwirken, dass die Sache wirklich sorgfältig untersucht wird. Denn so wie die Dinge liegen, liegt die Beweislast bei denen, die das Gegenteil behaupten und die Homöopathie aus der Versorgungslandschaft gestrichen sehen wollen.

Referenzen

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