Homöopathie bei prämenstruellem Syndrom

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Eine Replikationsstudie von Michal Yakir:

Yakir, M., Klein-Laansma, C. T., Kreitler, S., Brzezinski, A., Oberbaum, M., Vithoulkas, G. & Bentwich, Z. (2019). A Placebo-Controlled Double-Blind Randomized Trial with Individualized Homeopathic Treatment Using a Symptom Cluster Approach in Women with Premenstrual Syndrome. Homeopathy, 108(04), 256-269. doi: 10.1055/s-0039-1691834

Homöopathie bei prämenstruellem Syndrom – eine erfolgreiche, randomisierte, placebokontrollierte Replikationsstudie

Harald Walach

Vorbemerkung

Ich habe eine Wette verloren und freue mich zum ersten Mal darüber. Die gerade publizierte Replikationsstudie von Michal Yakir zeigt, dass sie ihre früheren Pilotdaten [1] wiederholen konnte. Ich hatte vor bald 20 Jahren gewettet, dass die Replikation nicht klappen würde und habe mich lange gewundert, warum ich nichts mehr von der Studie gehört habe.

Jetzt wurde das Geheimnis gelüftet: Die Arbeit war schon eine Weile fertig, als Doktorarbeit an der Hebrew University in Jerusalem, aber die Autorin hatte scheinbar keine Zeit oder keine Lust mehr, daraus eine Publikation zu machen. Das Problem kenne ich von meinen Doktoranden; dann setze ich mich selber hin und schreibe eine Publikation. Aber das war scheinbar der Betreuerin zu viel Arbeit, und so haben das nun andere, eine holländische Gruppe, nachgeholt. Dabei wurden die Daten nochmals analysiert und geprüft.

Die Studie

Die Autorin hat 105 Frauen mit prämenstruellem Syndrom behandelt und ein homöopathisches Interventionsmodell verwendet, von dem Vithoulkas sagt, er hätte es erfunden. Das es aber tatsächlich so schon länger in der Literatur gibt: Dabei werden Arzneien verwendet, die für ein bestimmtes Syndrom häufig in Erwägung gezogen werden. Deren hauptsächlichen Symptome werden beschrieben und vorab definiert. Und wenn dann eine Patientin kommt, die diesen Symptomclustern entspricht, wird sie in die Studie aufgenommen und erhält das indizierte Medikament.

So haben etwa Brigo und Whitmarsh gearbeitet [2, 3] oder Peter Fisher [4] und einige andere auch. Der Vorteil dieser Methode ist offensichtlich: Es ist klar definiert, wer welches Arzneimittel bekommt und warum; alle anderen werden eben nicht aufgenommen. Der Nachteil ist auch klar: Das ist eine Vereinfachung der klassisch-homöopathischen Methode, wenn auch eine vertretbare.

Während in der Pilotstudie nur 6 Arzneimittel definiert waren, waren es hier 14, damit mehr Frauen eingeschlossen werden konnten. Frauen, die an prämenstruellem Syndrom litten, führten über zwei Monatszyklen hinweg ein Tagebuch über ihre Beschwerden und erhielten dann, am 10. Tag ihrer nächsten Menstruationsperiode, ein einzelnes Arzneimittel in einer einzigen Potenzgabe von C200. Sonst nichts.

Placebo, doppelt verblindet

Oder eben Placebo, und das doppelt verblindet, versteht sich. Das ist elegant und sehr mutig, denn dann mischt sich nichts, es wird nichts anderes gemacht. Der weitere Verlauf wurde dann noch 3 Monate im Tagebuch aufgezeichnet und mit der Kontrollgruppe verglichen. Begleitmedikation war erlaubt und wurde neben der Suggestibilität aufgezeichnet.

Das Messen der Suggestibilität ist so eine Sache. Das haben wir selbst auch eine Weile probiert und sind davon abgekommen, weil es sich mit einem Fragebogen als zu problematisch herausgestellt hat. Die Autoren haben anscheinend ein hauseigenes Instrument verwendet, das nicht publiziert ist und ihre Daten zeigen keinen Zusammenhang zwischen Ergebnis und Suggestibilität.

Das prämenstruelle Syndrom bietet sich deswegen als Studienmodell an, weil es in diesem Feld praktisch keine brauchbare Therapie gibt und die Frauen, die darunter leiden, manchmal stark und über viele Jahre leiden.

Das Ergebnis

Das Ergebnis ist knapp, aber deutlich: Der Tagebuchwert ging in der Homöopathiegruppe von 0,443 auf 0,287 zurück und in der Placebogruppe von 0,426 auf 0,340. Die Verbesserung war in beiden Gruppen unterschiedlich stark und signifikant verschieden (Siehe Abbildung). Die Irrtumswahrscheinlichkeit des varianzanalytischen Tests lag mit p = 0.043 knapp unter der konventionellen Grenze und der Effekt ist mit einer Effektstärke von d = 0.17 eher klein und damit unter klinischen Gesichtspunkten nicht sehr bedeutsam. Aber der Punkt an dieser Studie ist ja vor allem ihr prinzipieller Charakter: dass mit einer einzigen Gabe einer passenden Hochpotenz von C200, nach dem Ähnlichkeitsgesetz verabreicht, eine statistisch deutlichere Verbesserung erzeugt werden konnte als mit einem Placebo.

Original-Abbildung 3 aus Yakir et al. (2019) Homeopathy, 108(04), 256-269. doi: 10.1055/s-0039-1691834 mit freundlicher Genehmigung des Thieme Verlags. Schwarze Rauten: Schmerz-Werte vor der Behandlung, graue Vierecke, Werte nach der Behandlung je Patient; links die Placebo-, rechts die Homöopathiegruppe; die eingekreisten Werte stellen die besonders deutlichen Verbesserungen dar

Die Studie war sehr sorgfältig betreut. Das sieht man daran, dass in der Homöopathiegruppe nur 6 Patientinnen und in der Placebogruppe nur 3 ausfielen, davon insgesamt 3 wegen Schwangerschaft. Die anderen kamen nicht wieder bzw. nahmen die Arznei erst gar nicht ein.

Die Auswertung

Die Auswertung berücksichtigte alle Patientinnen, aber es ist nicht ganz klar, ob auch diese ausgefallenen dabei waren. Meine Vermutung ist, dass dies nicht der Fall war. Das wäre aus meiner Sicht aber auch vertretbar, weil sie alle vor der ersten Datenerfassung ausfielen bzw. durch Schwangerschaft ein Ausschlusskriterium eintrat und daher der Ausschluss dieser Patientinnen protokollgemäß war. Alle anderen Daten wurden ausgewertet. Die Datengüte war offenbar hoch, denn 97,7% aller Tagebücher waren komplett. Die anderen wurden, , wie man das üblicherweise macht, interpoliert. Studientechnisch scheint mir die Studie daher sauber zu sein.

Man könnte bemerken, dass man vermutlich in der Praxis mit anderen Gaben, vielleicht auch mit Wiederholungen und individuell angepassten Arzneimittelpotenzen sowie dem Wechsel des Arzneimittels nach ein paar Wochen mehr klinischen Erfolg erreichen könnte. Aber all das war hier nicht Studienziel. Die erfolgreiche Replikation an sich ist von Bedeutung und der wissenschaftliche Nachweis, dass man mit einer einzigen Potenz C200, einigermassen sauber gewählt, mehr ausrichtet als mit einer Placebogabe.

Kein Zufall

Dass dies nicht nur ein Zufallsbefund ist, zeigen die anderen Parameter, die ebenfalls deutlich sind: Die Verwendung von Begleitmedikation ging in der Studiengruppe um 75% zurück, in der Placebogruppe um 36%, was ebenfalls ein signifikanter Unterschied ist. Die Anzahl der Krankschreibungstage ging in der Behandlungsgruppe um 91% zurück, während sie in der Placebogruppe um 9% stieg, ein offensichtlicher und statistisch signifikanter Unterschied.

Der Effekt ist also konsistent über verschiedene Parameter hinweg sichtbar und zeigt sich auch im Hauptzielkriterium signifikant. Wenn man sich die Verläufe anschaut, die in der Abbildung 3 der Originalpublikation abgebildet sind, dann sieht man: Der Effekt kommt vor allem deswegen zustande, weil in der Verumgruppe kaum Verschlimmerungen auftreten, aber einige sehr deutliche Besserungen.

Insgesamt haben viele Frauen gar nicht so starke Beschwerden, was den Studieneffekt verdünnt: denn es stellt einen sogenannten Boden-Effekt dar. Bei geringen Beschwerden, kann sich auch nicht wirklich viel verbessern. Bei denen, die stärkere Beschwerden hatten, ist der Effekt sehr deutlich sichtbar. Interessanterweise sieht man auch in der Placebogruppe viele Verbesserungen, aber zusätzlich eben auch stärkere Verschlechterungen. Was ich speziell interessant finde ist, dass homöopathische Verschlimmerungen auch bei 47% der Placebogruppe auftraten, im Vergleich zu 62% bei der Homöopathiegruppe.

Fazit

Insgesamt ist dies also eine deutliche, statistisch-wissenschaftlich signifikante Studie, die zeigt, dass gut gewählte homöopathische Arzneien in einer Potenz C200 anders und besser wirken als Placebo. Sie ist von Bedeutung, weil sie die Wiederholung einer erfolgreichen Pilotstudie darstellt. Methodisch gibt es, finde ich, an dieser Studie wenig auszusetzen, außer, dass die Hauptautorin zu lange damit gewartet hat, diese Daten zu publizieren. Das ist schade, denn sonst wären sie in die verschiedenen Meta-Analysen eingegangen.

Referenzen

  1. Yakir, M., Kreitler, S., Brzezinski, A., Vithoulkas, G., Oberbaum, M., & Bentwich, Z. (2001). Effects of homeopathic treatment in women with premenstrual syndrome: a pilot study. British Homeopathic Journal, 90, 48-153.
  2. Brigo, B., & Serpelloni, G. (1987). Le traitement homéopathique de la migraine: une étude de 60 cas, controlée en double aveugle (remède homéopathique vs. placebo). Journal of the Liga Medicorum Homoeopatica Internationalis, 1, 18-25.
  3. Whitmarsh, T. E., Coleston-Shields, D. M., & Steiner, T. J. (1997). Double-blind randomized placeo-controlled study of homoeopathic prophylaxis of migraine. Cephalalgia, 17, 600-604.
  4. Fisher, P., Greenwood, A., Huskisson, E. C., Turner, P., & Belon, P. (1989). Effect of homoeopathic treatment on fibrositis (primary fibromyalgia). British Medical Journal, 299, 365-366.

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