Die populärsten Irrtümer über die Homöopathie

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– und die konventionelle Medizin

Zusammenfassung und Abschluß: Der Status der Homöopathie und die derzeitige Kampagne

Harald Walach

In dieser Serie haben wir die wichtigsten Irrtümer über die Homöopathie und am Rande auch einige über die konventionelle Medizin aufgeklärt. Damit kommt diese kleine Reihe vorläufig zum Abschluß.

Homöopathie verwendet ein altes und bewährtes Therapiekonzept. Das Ähnlichkeitsprinzip ist ein therapeutisches Prinzip, das auch in der konventionellen Medizin angewandt wird. Die Homöopathie hat eine Methode gefunden, es nutzbar zu machen, nämlich durch die Arzneimittelprüfung am Gesunden. Diese hilft dabei, die Arzneimittelbilder zu erzeugen. Das Potenzierungsprinzip ermöglicht es, auch giftige oder chemisch träge Stoffe durch eine Art der Erschließung nutzbar zu machen, die wir noch nicht verstanden haben. Dass höhere Potenzen bei guter Passung der Arzneimittelbilder besonders gut zu wirken scheinen ist ein Paradox, das die Homöopathie rein empirisch entdeckt hat und für das wir keine Erklärung haben. Aber das macht die Homöopathie nicht zu einer Absurdität, wie die Kritiker meinen, sondern zu einer wissenschaftlichen Anomalie. Die Konsequenz sollte sein: jetzt erst recht versuchen zu verstehen, was da passiert. Für die Praxis heisst das: Homöopathie erzeugt offenbar gerade mit den hohen Potenzen Effekte. Das belegen nicht nur klinische, sondern auch Grundlagenforschungsstudien. Dass hier die Datenlage zwar nicht eindeutig, aber doch deutlich positiv ist, zeigen eine ganze Reihe von Meta-Analysen und Überblicksarbeiten. Natürlich, man kann sie alle ignorieren und, wie manche, nur 5% der Daten zur Bewertung heranziehen und dann zur oft gehörten, aber deswegen nicht weniger falschen Ansicht kommen, es gäbe keine wissenschaftlichen Belege. Diese Aussage ist nachweisbar falsch. Ihre Wiederholung hat nichts mit Aufklärung zu tun, sondern ist reine Propaganda über deren Motivation wir anschließend noch ein bisschen spekulieren wollen. Dass die Datenlage zu Homöopathie zwar positiv, aber nicht eindeutig ist, hat sie mit der konventionellen Medizin gemeinsam. Legt man auch bei der konventionellen Medizin strenge Massstäbe an, so ist nur der geringste Teil aller standardmäßigen Anwendungen wirklich gut belegt, und sehr beliebte Massnahmen sind weniger gut untersucht, als man das gerne hätte. Fast die gesamte Chirurgie beruht, ähnlich wie die Homöopathie, auf Empirie, auf Erfahrungswissen. Viele kardiologische Interventionen, z.B., sind noch nie in einer verblindeten randomisierten Studie evaluiert worden [1]. Im Fall der Chirurgie kommt unterstützend hinzu, dass wir dort auch noch ein paar mechanistische Argumente haben. Aber diese sind, wie so manche Studie gezeigt hat, nicht immer richtig [2]. Sollte man daher die ganze Chirurgie zum Fenster hinauswerfen? Ich glaube, es ist nützlich, wenn man, wie jeder klinische Praktiker das tut [3], unterschiedliche Typen von Daten heranzieht, um sich ein Bild über ein Fachgebiet zu machen. Klinische Studien gehören sicher dazu, aber auch andere Informationen, z.B. unmittelbare Erfahrungen, langfristige Beobachtungsstudien, Fallsammlungen und Fallbeschreibungen von Heilungen bei Einzelfällen mit schlechter Prognose [z.B. 4]. Gerade solche Fälle füllen die homöopathische Materia Medica seit es Homöopathie gibt und sie haben u.a. zur Verbreitung der Homöopathie beigetragen. Natürlich könnte man da sagen: alles Placebo-Effekte. Möglicherweise ist die Homöopathie ja wirkliche eine extrem kluge Art und Weise, Selbstheilungseffekte hervorzurufen. Das wäre es nämlich, was man unter dem Begriff „Placebo-Effekt“ verstehen müsste: Effekte der Selbstheilung [5]. Und vielleicht würde eine sorgfältige Untersuchung der Homöopathie ja dazu beitragen, diese besser zu verstehen und nutzbar machen zu können.

Die empirische Befundlage zur Homöopathie ist also nicht sehr viel anders als die in der konventionellen Medizin; darauf haben verschiedene Autoren immer wieder hingewiesen [6]. Der Unterschied besteht darin, dass wir für die konventionelle Medizin ein akzeptiertes theoretisches Narrativ haben: das Maschinenmodell vom menschlichen Organismus, das vermeintlich so manches erklärt. Dass dies sehr häufig auf Abstraktionen und auch falschen Konstruktionen beruht, steht auf einem anderen Blatt, das wir jetzt nicht umdrehen wollen. Im Gegensatz dazu haben wir zur Homöopathie kein brauchbares theoretisches Narrativ, das erklären könnte, wie Homöopathie wirkt. Alles was es gibt sind Spekulationen. Das ist wichtig zu wissen und anzuerkennen. Das bedeutet aber nicht, dass Homöopathie deswegen stümperhaft ist und nicht funktioniert. Es bedeutet: Wir haben keine Ahnung, wie wir diese emprischen Befunde und die klinischen Erfolge der Homöopathie verstehen können und in den Gesamtbestand des wissenschaftlichen Wissens einordnen sollen. Da würden auch ehrliche Homöopathiebefürworter und ich selber allen Kritikern zustimmen. Ein etwas gesteltzer Begriff für diesen Sachverhalt ist: die Homöopathie ist eine wissenschaftliche Anomalie. Wissenschaftliche Anomalien sollten, das zeigt die wissenschaftshistorische und wissenschaftstheoretische Diskussion und der gesunde Menschenverstand, untersucht und ernstgenommen werden, nicht ausgegrenzt. Ich persönlich bin der Meinung, dass dies komplexer ist, als viele denken, weil aus meiner Sicht die empirische Signatur der Homöopathie darauf hinweist, dass wir es mit einer Klasse von Phänomenen zu tun haben, die sich nicht ins gängige Schema der klassischen Effekte von Ursache-Wirkung einordnen lassen.

Wolfgang Pauli, einer der Begründer der Quantenmechanik, und Carl Gustav Jung, einer der Gründerväter der Tiefenpsychologie, haben in ihrem Dialog eine neue Klasse von Phänomenen regelhafter, aber nicht-kausaler Beziehung gefordert, die sie mit dem etwas unglücklichen Namen „Synchronizität“ belegt haben [7]. Damit meinten sie regelhafte Beziehungen, die nicht durch Ursache-Wirkung zustande kommen, sondern durch Sinnentsprechung und die zwar regelhaft, aber nicht kausal vermittelt sind, also durch Austausch von Energie und Signalübertragung. Sie haben damit aus meiner Sicht einen weitsichtigen Schritt getan, der noch wenig verstanden ist. Möglicherweise gibt es ja eine solche Art der regelhaften Bezogenheit, die dennoch nicht klassisch-kausaler Natur ist. Homöopathie wäre dann möglicherweise, neben anderen Phänomenen, ein Beispiel dafür.

Daraus die Unwissenschaftlichkeit der Homöopathie konstruieren zu wollen, wie das die Homöopathiekritik tut, ist wissenschaftshistorisch schlecht informiert und sachlich falsch. Daraus lässt sich allenfalls konstruieren, dass die Homöopathie mit den gängigen Modellen von wissenschaftlicher Regelhaftigkeit nur schwer verstehbar ist. Das würde, glaube ich, nur schwer bestreitbar sein. Aber das heisst noch lange nicht, dass Homöopathie unwissenschaftlich ist. Eine Definition von Wissenschaftlichkeit, so haben wir gesehen, aus dem Horizont dessen heraus, was wir derzeit wissen, war schon immer die Methode der ewig Gestrigen, die sich jedem Fortschritt und jeder Neuerung verschlossen haben. Das klassische Argument einer solchen Haltung ist: Es ist unmöglich, weil … [setzen Sie alle möglichen derzeitigen Wissensbestände ein]. Und der Beweis, dass es doch möglich ist, hat noch in beinahe jedem Fall unser Wissen und unsere Handlungsmöglichkeit bereichert. Eisenbahnen sind möglich geworden und haben uns nicht geschadet. Flugzeuge sind möglich geworden, staubsaugende und rasenmähende Roboter und weiss der Geier was sonst noch alles, von dem man zuvor sagte, es sei unmöglich.

Damit sind wir auch bei des Pudels Kern angelangt:

Die Homöopathie ist in zweierlei Hinsicht ein Stein des Anstoßes und darum wird sie so heftig bekämpft. Zum einen widersteht sie der Analyse des mechanistisch-materialistischen Mainstream-Paradigmas und ist daher ein theoretisches Ärgernis, das bekämpft werden muss. Zum anderen ist Homöopathie pragmatisch-klinische erfolgreich und würde, wenn breiter verwendet und allgemein akzeptiert, so manche derzeit gängige Methode der Therapie wenn nicht überflüssig machen, so doch deutlich in ihrer Beliebtheit einschränken. Das ist ein Wirtschaftsfaktor, der den meisten im Gesundheitswesen tätigen Akteuren nicht angenehm ist. Denn alle Akteure verdienen damit, dass sich nichts ändert.

Es gibt derzeit eine extrem aggressive Kampagne gegen die Homöopathie, die ich seit mindestens 2006 beobachte. Sie ging los, als sich in der wissenschaftlichen Literatur die Erkenntnis durchzusetzen begann, dass manche vielversprechenden pharmakologischen Mainstreaminterventionen weniger wirksam sind, als man dachte und verschiedene Hoffnungsträger der pharmakologischen Industrie sich als nicht tragfähig erwiesen, wie etwa eine ganze Palette von Antidementiva [8]. Sie dürfte damit vergesellschaftet sein, dass wirtschaftliche Vorhersagen der Homöopathie eine drastische Nachfragesteierung prophezeit haben [s. Beitrag zu dem EASAC-Statement]. Aber vielleicht ist ja die theoretisch-ideologische Motivation sogar nocht stärker: Die Homöopathie fordert das herrschende Mainstream-Paradigma heraus, das implizit behauptet ein materialistisches Weltbild würde ausreichen, um uns Menschen, unser Leben, unser Handeln, unser Bewusstsein zu erklären, wie es der momentane implizite Konsens von Wissenschaftsakteuren, Wissenschaftsjournalisten und einer materialistisch-ökonomisch getriebenen Zeitströmung zu sein scheint. Dass diese Haltung alles andere als bewiesen ist und nichts anderes als eine ideologische Vermutung, steht auf einem anderen Blatt (vgl. https://www.galileocommission.org/). Denn im Rahmen dieses Paradigmas lässt sich Homöopathie nicht verorten, und die liebedienernden Versuche von Seiten der Homöopathie, dies zu tun, halte ich persönlich für die größte Schnapsidee innerhalb der Homöopathieforschung. Die Homöopathie ist ein Stein des Anstoßes, der unser scheinbar so klares und eindeutiges Bild der Wirklichkeit verunstaltet, weil sie nicht hineinpasst. Darum wird sie so aggressiv bekämpft.

Oder kann mir jemand verraten, welches sonst die Motivation sein sollte? Es hat sich noch immer das, was nichts taugt, von selber abgeschafft. Das ist das Prinzip der Evolution, dachte ich, oder? Warum also Zeit, Energie, Druckerschwärze, Speicherkapazität auf etwas verwenden, das sowieso nichts als Blödsinn ist? Kommt etwa jemand auf die Idee, eine Kampagne gegen Spielautomaten, oder noch besser, gegen Autos und Computerspiele anzuzetteln, obwohl man in diesen Bereichen vermutlich mehr Gefährdungs- und Problempotenzial verorten kann, als bei der Homöopathie? Ich denke, diese Kampagne zeigt, dass die Homöopathie von verschiedenen Aktivisten als potenziell gefährlich eingestuft wird: gefährlich nicht für Menschen, auch nicht für Patienten, sondern gefährlich für die allgemeine Akzeptanz eines materialistisch-naturalistischen Weltbildes, wie es einige selbsternannte Wissenschaftspäpste vertreten, von Daniel Dennett über Sam Harris und Steven Pinker [9] und viele andere, die sich in der Bewegung der „Brights“ zusammengetan haben (http://www.the-brights.net/). Und gefährlich auch für den momentanen Konsens dessen, was Krankheit und Heilung ist. Aber wenn man in die Geschichte der Wissenschaft blickt, dann war das vermeintliche Wissen immer schon der größte Feind der wirklichen Erkenntnis. In diesem Sinne ist das vermeintliche Wissen über die Homöopathie, das die Homöopathiekritik zu verbreiten versucht reaktionär: es versucht eigentliche Erkenntnis zu verhindern, auch wenn die Homöopathiekritiker selber das vermutlich gar nicht verstehen, weil sie ohne historischen und wissenschaftstheoretischen Horizont agieren.

Die populärsten Irrtümer über die Homöopathie und die konventionelle Medizin

–          Irrtum Nr. 1  – Therapieprinzip unbewiesen

–          Irrtum Nr. 2  – Unwissenschaftlich

–          Irrtum Nr. 3  – Fehlende Diagnostik

–          Irrtum Nr. 4  – Ungeprüfte Medikamente

–          Irrtum Nr. 5  – Teurer Zucker

–          Irrtum Nr. 6  – Widerwärtige Arzneimittel

–          Irrtum Nr. 7  – Gefährlich

–          Irrtum Nr. 8  – Potenzierung – alles Hokuspokus

–          Irrtum Nr. 9  – Unmöglich

–          Irrtum Nr. 10 – Nichts drin

–          Irrtum Nr. 11 – Veraltete Theorie

Referenzen

[1] Tricocci, P., Allen, J. M., Kramer, J. M., Califf, R. M., & Smith Jr, S. C. (2009). Scientific evidence underlying the ACC/AHA clinical practice guidelines. Journal of the American Medical Association, 301, 831-841.

[2] Moseley, J. B., O’Malley, K., Petersen, N. J., Menke, T. J., Brody, B. A., Kuykendall, D. H., et al. (2002). A controlled trial of arthroscopic surgery for osteoarthritis of the knee. New England Journal of Medicine, 347, 81-88.

[3] Gabbay, J., & le May, A. (2004). Evidence based guidelines or collectively constructed „mindlines“? Ethnographic study of knowledge management in primary care. British Medical Journal, 329, 1013-1017.

[4] Mahesh, S., Mallappa, M., & Vithoulkas, G. (2017). Embryonal carcinoma with immature teratoma: A homeopathic case report. Complementary Medicine Research, online first(DOI: 10.1159/000481819). https://www.karger.com/Article/Abstract/481819

Nwabudike, L. C. (2018). Case reports of acne and homeopathy. Complementary Medicine Research, 25, 52-55. https://www.karger.com/Article/Abstract/486309

Teut, M., & Dippler, C. (Eds.). (2017). Homöopathie bei Demenz: Eine Fallsammlung. Pohlheim: Ahlbrecht.

[5] Walach, H. (2015). Reconstructing the meaning effect – The capacity to self-heal emerges from the placebo concept. Tidsskrift for Forskning i Sygdom og Samfund, 23, 111-139. https://www.galileocommission.org/wp-content/uploads/2018/06/Walach_Placebo-Effect_Tijdskrit-for-Forsning_2015.pdf

Walach, H. (2018). Heilung kommt von innen: Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen. München: Knaur Verlag.

Walach, H., & Breitkreutz, F. (2018). Placebo und Placeboeffekte. In H. Walach, S. Michael & S. Schlett (Eds.), Das große Komplementärhandbuch für Apotheker und Ärzte (pp. 356-374). Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

[6] Milgrom, L. R. (2012). Homeopathy UK: The sick man of Europe? Forschende Komplementärmedizin, 19, 120-122. https://www.karger.com/Article/Abstract/339950

[7] Meier, C. A. (Ed.). (1992). Wolfgang Pauli und C.G. Jung. Ein Briefwechsel 1932-1958. Heidelberg: Springer.

Walach, H. (1998). Der Komplementaritätsgedanke in der Interaktion zwischen Psychologie und Physik. In J. Jahnke, J. Fahrenberg, R. Stegie & E. Bauer (Eds.), Psychologiegeschichte – Beziehungen zu Philosophie und Grenzgebieten (pp. 85-108). München: Profil.

Walach, H. (2000). Magic of signs: a non-local interpretation of homeopathy. British Homeopathic Journal, 89, 127-140. https://www.researchgate.net/publication/12380520_Magic_of_signs_A_non-local_interpretation_of_homeopathy

[8] Turner, E. H., Matthews, A. M., Linardatos, E., Tell, R. A., & Rosenthal, R. (2008). Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy. New England Journal of Medicine, 358, 252-260.

Kirsch, I., Deacon, B. J., Huedo-Medina, T. B., Scoboria, A., Moore, T. J., & Johnson, B. T. (2008). Initial severity and antidepressant benefits: A meta-analysis of data submitted to the food and drug administration. PLoS Medicine, 5(2), e45.

NICE. (2006). Dementia: Supporting people with dementia and their carers in health and social care. London: National Institute for Clinical Excellence.

NICE. (2009). Donepezil, galantamine, rivastigmine (review) and memantine for the treatment of Alzheimer’s disease (amenden). London: National Institute for Clinical Excellence.

Walach, H. (2009). The campaign against CAM and the notion of „evidence-based“. Journal of Alternative & Complementary Medicine, 10, 1139-1142. https://www.liebertpub.com/doi/abs/10.1089/acm.2009.0423

[9] Walach, H. (2019, im Druck). Schöne neue Welt? Ein Essay über Steven Pinker (2018) Enlightenment Now. Aufklärung und Kritik, im Druck(2), 181-193. http://www.gkpn.de/aufklaerung_und_kritik.htm

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Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 10

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäußert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht weiter mit

Irrtum Nr. 10 –  „Nichts drin“

Curt Kösters

Dr. Norbert Aust von der Initiative „Netzwerk Homöopathie“:

Er betont, dass es sich bei Homöopathie um „Pseudomedizin“ handelt – und er bezweifelt, dass stark verdünnte Stoffe wirken können, wenn sie sich nicht mehr nachweisen lassen. „Es ist deshalb unmöglich, weil ein Wirkstoff, der nicht vorhanden ist, nicht wirken kann.“ [1]

Nun ist „unmöglich“ in der Naturwissenschaft immer ein großes Wort (s. Irrtum 9 „unmöglich“ – daran haben sich schon manche die Finger verbrannt. Auch die seinerzeit neu entdeckte Radioaktivität schien ja zunächst mal gegen ein fundamentales Prinzip, den Energieerhaltungssatz, zu verstoßen und wurde entsprechend skeptisch kommentiert.

Dennoch

Weitgehend unstrittig ist ja, dass zumindest in Hochpotenzen keine Substanz mehr enthalten ist (wenn man die Nanopartikel hier mal außen vor lässt).

Und wenn nichts drin ist, kann auch nichts wirken. – Dieses Argument ist hoch plausibel – weit plausibler zum Beispiel, als das Schwingen der Ekel-Keule.

Dieses Argument versteht jeder – und es ist daher nicht überraschend, dass es als zentrales Argument der Anti-Homöopathie-Kampagne Verwendung findet, mit entsprechenden Buttons und anderen Werbe-Acessoires verbreitet und mit öffentlichen Aktionen medienwirksam in Szene gesetzt wird („10:23“ – „Nichts drin – nichts dran“).

Das einzige (wirklich nur klitzekleine) Problem mit diesem Argument ist eigentlich nur, dass diese Hochpotenzen doch eine Wirkung zeigen.

Und wenn sie eine Wirkung zeigen, dann muss „etwas drin“ sein – sei dies nun Substanz oder Energie oder sonst etwas [2].

Die Wirkung, die wir täglich in der Praxis sehen – auch bei schweren Erkrankungen – lässt sich ja noch trefflich weg diskutieren, solange man das nicht selbst gesehen hat [3].

Bei klinischen Studien, insbesondere Doppelblindstudien, wird es da schon schwieriger [4]. Doppelblindstudien wurden ja gerade entwickelt, um Placebo-Effekte von echten Arzneiwirkungen zu unterscheiden. Und die Mehrzahl der Doppelblindstudien in der Homöopathie zeigt einen Effekt. Hier spaltet sich bereits die Skeptiker-Gemeinde bei dem Versuch, diese schwer verdauliche Tatsache hinweg zu erklären [5].

So richtig schwierig wird es aber bei der Grundlagenforschung [4]. Wenn man in einem Labor zeigen kann, dass Hochpotenzen einen Effekt haben der sich von dem Kontrollversuch unterscheidet, dann muss „etwas drin“ sein. Und solche Experimente gibt es mittlerweile in großer Zahl – darunter auch erfolgreich replizierte Modelle.

Da wird es zunehmend schwieriger mit dem wegdiskutieren und der Zeitpunkt, dass das auch in der wissenschaftlichen Community akzeptiert wird, ist einigermaßen absehbar (eher Jahre als Jahrzehnte).

Gut erkennbar ist der sich anbahnende Wandel aber auch schon daran, dass das zentrale Sprachrohr der Skeptiker-Gemeinde in Deutschland für die Anti-Homöopathie-Kampagne, das so genannte Informationsnetzwerk Homöopathie, mittlerweile eine Doppelstrategie zum Thema Grundlagenforschung fährt:

Während Norbert Aust einerseits noch in bewährter Manier versucht das Haar in der Suppe der einzelnen Studien zu finden [6], erklärt er andererseits vorsichtshalber schon mal die gesamte Grundlagenforschung zu Hochpotenzen als irrelevant für die Diskussion um die Homöopathie [7].

Das ist auch insofern bemerkenswert, als noch Weymayr in seinem Buch „Die Homöopathie-Lüge“ (2012) zwar gleich die gesamte klinische Forschung zur Homöopathie als irrelevant erklärte, dann aber doch großzügig einräumte, dass ihn relevante Ergebnisse aus der Grundlagen-Forschung überzeugen könnten.

Norbert Aust ist hier deutlich vorausschauender.

Die Irrelevanz der Grundlagenforschung

Die Stellungnahme von Dr. Aust in seinem Blog „Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie“ zeigt einen der wichtigsten Aspekte für die Beurteilung der „homöopathischen Grundlagenforschung“ auf, zu der die high dilution research zweifellos gehört: Den fehlenden Bedeutungszusammenhang solcher Forschungen (und ihrer Ergebnisse) für die Grundfrage der Richtigkeit des homöopathischen Gedankengebäudes und vor allem des Nachweises einer spezifischen Wirksamkeit. [7]

[…]

Das Erforschen extremer Verdünnungen, also über den Punkt hinaus, an dem vom Ursprungsstoff noch etwas vorhanden ist, ist sehr weit weg vom behaupteten Phänomen und der angeblich erheblichen klinischen Wirksamkeit der Homöopathie. Es müsste erst die Brücke aufgebaut werden, dass die Differenzen, die da gefunden worden sind, Bestand haben und irgendeinen Bezug zur Wirkung der Homöopathie hätten. [7]

[Hervorhebung im Original]

Man immunisiert sich schon mal dagegen – dass die Ergebnisse in der Grundlagenforschung mittlerweile doch recht konsistent sind und dass da in der Zukunft noch mehr drohen könnte. – Allerdings entlarvt sich auch das ganze Informationsnetzwerk Homöopathie mit eben diesem Versuch einer Immunisierung als rein ideologisches Unterfangen.

Begründet wird das in der Darstellung des INH mit folgenden Argumenten:

  1. Worin besteht die Heilkraft / das Agens, das beim Patienten wirksam werden soll? Ein identifizierbarer Wirkstoff ist es nicht, denn schon ab recht niedrigen Potenzen ist das Lösungsmittel von der Lösung nicht mehr unterscheidbar.

Stimmt! – Den genauen Wirkungsmechanismus kennen wir noch nicht. Aber replizierbare Modelle schaffen überhaupt erst die Grundlage für dessen Erforschung. Mit replizierbaren Labor-Modellen kann man dann anfangen zu untersuchen, wodurch sich z.B. der Effekt blockieren lässt – und so die Natur des Effektes allmählich eingrenzen. So funktioniert Wissenschaft.

  1. Wie wird der richtige Grundstoff dafür aus dem Einsatzmittel selektiert? Beispiel: In der Homöopathie verwendet man die ganze Biene („Apis mellifica“), die aus tausenden verschiedenen Stoffen besteht. Wie wird der Richtige daraus selektiert?

Was ist das Problem? – Wenn ein bestimmtes Stoffgemisch in einer homöopathischen Arzneimittelprüfung untersucht wurde, und deren Symptome dann wiederum in der klinischen Anwendung verifiziert werden, dann ist dieses Stoffgemisch ein Einzelmittel im Sinne der Homöopathie. Jedes Mittel pflanzlicher oder tierischer Herkunft beruht auf einem solchen Stoffgemisch. Selektiert werden muss da gar nichts. Es geht eben um die Wirkung des geprüften Stoffes.

Apis mellifica ist allerdings tatsächlich ein problematisches Beispiel, weil die ursprüngliche Prüfung auf der Wirkung des Bienengiftes beruht.

Einzelne Hersteller sind daher auch dazu übergegangen das Bienengift selbst anzubieten unter der Bezeichnung Apisinum.

In der Praxis funktioniert allerdings auch Apis mellifica bei Symptomen, die an die Wirkung von Bienengift erinnern. Eine gewisse Großzügigkeit scheint dem Ähnlichkeitsprinzip inhärent zu sein (bei akuten Verschreibungen allerdings eher als bei chronischen).

  1. Warum werden die unvermeidlichen Verunreinigungen des Lösungsmittels nicht potenziert?

  2. Was wird potenziert, wenn der Urstoff nicht mehr vorhanden ist?

  3. Wie wird die zu potenzierende Eigenschaft selektiert? Beispiel: Warum wird nicht die Giftwirkung von Arsen durch das Potenzieren verstärkt, sondern nur die heilende Wirkung?

  4. Wie wird die Wirkung der Heilkraft durch Schütteln auf die zehn- oder hundertfache Menge übertragen?

  5. Wie wird die Wirksamkeit dabei verstärkt? Warum merkt man im normalen Leben hingegen nichts von der verstärkenden Wirkung des Schüttelns? Was ist der Unterschied, ob ich ein homöopathisches Präparat schüttele oder meinen Kaffee?

  6. Wie wird diese verstärkte Heilkraft auf dem Zucker gespeichert, nachdem die Lösung verdunstet ist?

  7. Wie wird die Heilkraft vom Zucker gelöst und im menschlichen Körper transportiert?

Das alles sind äußerst interessante Fragen, die sich eben nur mit Hilfe weiterer Grundlagenforschung beantworten lassen. – Aber stabil replizierbare Modelle sind dafür eine conditio sine qua non.

Replizierbar sind einzelne Modelle inzwischen – und das ist doch auch schon mal schön, weil es eben zeigt, dass doch „etwas drin“ ist, auch wenn sie noch nicht ganz stabil sind.

  1. Wie wird die Stelle identifiziert, an denen die Heilkraft ihre Wirkung entfalten soll, was nach homöopathischer Auffassung sehr spezifisch ist und von sehr vielen Faktoren außerhalb der Zelle bestimmt wird, etwa davon, was der Proband / Patient nachts träumt?

Was genau soll damit gesagt werden? Die Vorstellung in der Homöopathie ist zumindest, dass das jeweilige Mittel auf den gesamten Organismus wirkt. Aber selbstverständlich reagiert nicht jeder Teil in gleicher Weise. Der Darm zum Beispiel kann bei der Gabe entsprechender Substanzen Durchfälle entwickeln – das Hirn neigt in der Regel nicht dazu.

Und übrigens: Bitte diese Frage auch an die konventionelle Pharma-Forschung richten! – Meines Wissens sind die meisten der postulierten Rezeptoren bisher nicht wirklich nachgewiesen, und wenn, dann gibt es sie an vielen Stellen. Warum also dann eine „spezifische“ Wirkung postulieren? Opiatrezeptoren gibt es im Darm, an Blutzellen, in Gefäßen und nicht nur im Gehirn!

  1. Wie unterscheidet die Heilkraft, ob sie durch einen Gesunden oder durch einen Kranken eingenommen wurde? Im ersten Fall müsste sie Prüfsymptome erzeugen, im zweiten nicht, denn das wären dann unerwünschte Nebenwirkungen, die in der Homöopathie ja nicht auftreten.

Eine Einmalgabe erzeugt recht selten Symptome (und das gilt übrigens auch für ein ganzes Fläschchen auf einmal). Wenn man im Rahmen einer homöopathischen Arzneimittelprüfung Symptome gezielt hervorrufen möchte, muss das Mittel in kürzeren Abständen häufiger wiederholt eingenommen werden. Und das erzeugt dann Symptome – auch nicht bei allen Prüfern, aber doch bei ausreichend vielen. (Und warum das so ist, weiß niemand.)

Sehr selten erzeugt aber auch die Einmalgabe Symptome, die für das Arzneimittel typisch sind. Voraussetzung dafür ist eine hohe Empfindlichkeit des Probanden bzw. Patienten und wahrscheinlich auch ein bestimmter Grad an Übereinstimmung zwischen den Symptomen des Mittels und den konstitutionellen Symptomen des Prüfers.

Diese Reaktion ist aber erstens selten, zweitens sind die Symptome dann nicht persistierend und drittens sind sie funktioneller Natur [8].

Bei Kranken genügt in der Regel die einmalige Gabe eines passenden homöopathischen Arzneimittels um eine Reaktion zu erzeugen. – Das hat offenbar mit dem Prinzip der Kritikalität zu tun (s.u.).

Offenbar ist es eben so, dass ein kranker Organismus etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist, so dass eine kleine Arzneimittelgabe ihn anregt, während ein gesunder Organismus relativ stabil ist und von einer einmaligen Arzneigabe nur sehr selten berührt wird.

  1. Wie unterscheidet die Heilkraft, ob sich die vorgefundene Zelle in der richtigen Region des Körpers befindet, also auf der rechten oder linken Seite zum Beispiel?“

s. Antwort auf Frage 10 – Und: Die Frage ist doch eigentlich umgekehrt: Warum tendieren manche Menschen dazu, Symptome an unterschiedlichen Stellen und möglicherweise auch zu unterschiedlichen Zeiten aber immer auf der gleichen Körperseite zu bekommen? (z.B. Halsentzündung rechts, Schmerzen im Handgelenk rechts und Schmerzen im großen Zeh wiederum rechts) – Klassisch pathophysiologisch ist das kaum zu erklären (vielleicht wäre dies mit einer Pathophysiologie, die sich auf die Theorie komplexer Systeme gründet zu erklären, aber die gibt es leider noch nicht); aber es kommt eben vor; und für eine homöopathische Verschreibung ist so etwas interessant und wichtig. Manche homöopathische Mittel zeigen in der Arzneimittelprüfung eben auch bevorzugt Symptome auf einer Körperseite.

  1. Wie unterscheidet die Heilkraft gesunde von kranken Zellen? Wenn die Zelle gesund ist, muss die Heilkraft an dieser Stelle die spezifischen Symptome erzeugen, die sie heilen kann, wenn die Zelle krank ist. Dies aber auch nur dann, wenn der Patient gesund ist, und nicht anderweitig krank (s. oben). Eine kranke Zelle muss sie hingegen heilen.

Das hat mit dem Prinzip der Kritikalität zu tun. Einfach gesagt: Eine Lawine kann man eben nur dort auslösen, wo genug Schnee liegt

  1. Wieso ist nach homöopathischer Auffassung weniger Wirkstoff in den Präparaten wirksamer, allerdings darf man von Hochpotenzen nicht zu viele nehmen, weil die Wirkung sonst zu stark wird? Welche Dosis-Wirkungs-Beziehung gilt denn nun?

Eine wirklich schöne Frage – und die Antwort ist nicht unkompliziert; z.T. muss man sicherlich auf die noch ausstehenden Ergebnisse künftiger Grundlagenforschung verweisen.

Warum das Prinzip der Potenzierung überhaupt funktioniert, wissen wir eben auch noch nicht. – In früheren Beiträgen zum Ähnlichkeitsprinzip und zur Potenzierung wurde aber schon darauf hingewiesen, dass dieses Prinzip rein pragmatisch entstanden ist aus dem Versuch, die Toxizität von Substanzen zu verringern. Mit einiger Überraschung stellte Hahnemann dann fest, dass die Heilwirkung bei einigen Patienten durch diese spezifische Form der Verdünnung sogar zunahm.

Aus dieser klinischen Beobachtung entstand dann innerhalb von etwa zehn Jahren das Prinzip der Potenzierung.

Allerdings: Die Heilwirkung nimmt nur bei ausreichender Passgenauigkeit zu (d.h. Übereinstimmung der Symptome des Patienten mit den Symptomen, die das Mittel hervorrufen kann). D.h. die Anforderung an die Präzision der Verschreibung steigt tendenziell mit der Höhe der Potenz. – Während Baldrian-Extrakt bei recht vielen Menschen einen arzneilichen Effekt hat, sind die Anforderungen an eine Verschreibung von Valeriana officinalis in einer Hochpotenz doch wesentlich höher.

Genau genommen ist die Heilwirkung auch keine Wirkung des Mittels; sie ist vielmehr eine Reaktion des Organismus auf den Reiz, also die Provokation durch das Arzneimittel. (Wenn man jemanden mit kaltem Wasser überschüttet, wird ihm oder ihr anschließend warm)

Man kann damit natürlich auch nur Reaktionen auslösen, die in der Möglichkeit des Organismus liegen. Genau genommen erhöht man also nur die statistische Wahrscheinlichkeit einer Spontanheilung – das aber wiederum offenbar sehr deutlich. (vgl. Norbert Aust – der Regenmacher)

Und um das Ganze jetzt noch komplizierter zu machen:

Manchmal sind Patienten sehr empfindlich und entwickeln Prüfungssymptome aufgrund einer Einmalgabe. Manchmal ist auch die Reaktion auf das Mittel zu stark.

In solchen Fällen kann man das Mittel bei der nächsten Einnahme dann verdünnen um die Reaktion abzuschwächen. – Aber das ist dann eben eine Verdünnung ohne weiteres Schütteln (oder eben eine recht hohe Verdünnung mit nur wenig Schütteln).

Und soweit sich das aus klinischer Erfahrung sagen lässt: Auch diese Verdünnung folgt nicht ganz einer klassischen pharmakologischen Dosis-Wirkungs-Kurve. Eine Halbierung der Dosis führt nicht zu einer Halbierung der Reaktion. Vielmehr scheint das eher einer logarithmischen Skala zu folgen: Eine Halbierung der Reaktion erfordert in etwa eine Verdünnung im Verhältnis von 1:50 (etwas zwischen 1:10 und 1:100 – ganz exakt lässt sich das nicht quantifizieren).

Anmerkungen

[1] Norbert Aust hier zitiert nach <http://www.br.de/radio/bayern2/gesellschaft/tagesgespraech/homoeopathie-medizin-heilkunst-hokuspokus-100.html>

[2] Bezüglich „sonst etwas“: Ich bin selbst kein Physiker und werde mich daher hüten, physikalische Hypothesen zu formulieren. Aber ich kann Physiker fragen.

Vor Jahren habe ich einmal Hans-Peter Dürr gefragt ob es denkbar sei, dass neben der Materie und der Energie noch Struktur bzw. Information als eine dritte Kategorie betrachtet werden könne.

Der Hintergrund meiner Frage: Wenn man einen Eisenstab magnetisiert (z.B. durch einfaches Reiben), ändert man eigentlich nur die Anordnung der Teilchen (aber nicht deren Chemie) – aber diese strukturelle Änderung hat dann einen physikalischen Effekt (nämlich den Magnetismus) – und eben dieser Effekt kann auch zur Speicherung von Informationen verwandt werden.

Die Antwort von Dürr war, dass dem so sei – nur sei die Information die eigentliche und grundlegende Kategorie, vor Energie und Materie.

Und diese Antwort fasziniert mich bis heute, auch weil sie bereits im Johannesevangelium formuliert ist mit Bezug auf die Genesis. („Am Anfang war das Wort … „)

Siehe auch Galileo-Report.

[3] Ich kenne eigentlich nur einen einzigen Fall, wo jemand das selbst gesehen hat und die Wirkung dennoch bestreitet –  Dieser Fall ist faszinierend und schwer zu erklären; ich versuche es daher gar nicht erst.

In aller Regel aber sind Menschen, die die gelegentlich doch sehr eindrucksvolle Wirkung eines passenden homöopathischen Mittels bei einer schweren akuten Krankheit gesehen haben (wenn sich der Zustand innert weniger Minuten deutlich bessert) sofort und unmittelbar überzeugt.

Und so nährt sich die ganze Diskussion um die Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Begriff Evidenz und dem englischen evidence.

Evidenz bezeichnet das unmittelbar aus eigener Anschauung Einleuchtende. – Wer einen Fallschirmabsprung erlebt oder auch nur gesehen hat, braucht keine Studie, um die Wirksamkeit von Fallschirmen zu beurteilen – und schon gar keine randomisierte Studie.

Menschen, die diese Erfahrung nicht gemacht haben, aber genau wissen dass „nichts drin“ ist fragen verständlicherweise nach den wissenschaftlichen Beweisen (evidence).

Aber wie überzeugt man Blinde von der Existenz von Farben?

[4] Forschungreader WissHom

[5] Die wichtigsten Erklärungsstrategien von Skeptiker-Seite um zu erklären, wieso die Mehrzahl der Doppelblindstudien einen signifikanten Effekt zeigt:

Publikations-Bias – die negativen Studien werden einfach nicht veröffentlicht und der Rest ist dann durch den statistischen Zufall zu erklären. – Das Problem ist nur, dass es dann eine recht große Zahl von unveröffentlichten Studien geben müsste, was wiederum schwer in Einklang damit zu bringen ist, dass Studien in der Homöopathie überwiegend nicht von Arzneimittelfirmen finanziert werden sondern von Stiftungen und öffentlichen Geldern; und bei diesen Finanzierungen lassen sich negative Ergebnisse kaum unterschlagen. Weiterhin zeigen eben auch die Ergebnisse der Funnel-Plot-Analyse bei der Meta-Analyse von Shang et al., dass es einen Publikations-Bias bei den Homöopathie-Studien nicht in größerem Maßstab geben kann.

Methodische Schwächen – Die meisten Studien genügen nicht mehr heutigen methodischen Standards. – Stimmt bedingt! – Nur ist das in der konventionellen Medizin nicht anders (s. Irrtum Nr. 2 – Unwissenschaftlich; Die Europäischen Wissenschaftsakademien und die Homöopathie) und ohnehin wird eine Studie dadurch noch nicht irrelevant. Ferner zeigen eben auch die methodisch hochwertigen Studien einen Effekt (ein Problem, mit dem sich auch schon Shang et al. herumschlagen musste, aber die fanden eine elegante Lösung s.u.; schon Shang und Kollegen bescheinigten übrigens den Homöopathiestudien insgesamt gute methodische Qualität).

Fälschung – Diese Behauptung wurde von Edzard Ernst aufgestellt, nur leider völlig ohne irgendeinen Beleg.

Indiskutabel – Dieser wissenschaftstheoretisch eher kühne aber immerhin originelle Ausweg stammt von Christian Weymayr (Die Homöopathie-Lüge). – Positive Homöopathie-Studien seien irrelevant, weil die Homöopathie per se unmöglich sei und daher wissenschaftlich gar nicht untersuchbar. (s. Irrtum „unmöglich“).

Siehe dazu auch die Widerlegung des sog. „Szientibilitätsarguments“ durch Walach und Fischer: Walach, H., & Fischer, K. (2014). Leserbrief zu Christian Weymayr: „Scientabilität – ein Konzept zum Umgang der EbM mit homöopathischen Arzneimitteln“. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh.wesen (ZEFQ) (2013) 107, 606-610. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 108(1), 80.e81-e83.

Irrelevant – Eine ebenfalls sehr originelle Lösung dieses Dilemmas wurde erstmals in der Metaanalyse von Shang et al. präsentiert und in dem Review von NHMRC noch verfeinert. Man schließe einfach alle Studien unterhalb einer willkürlich festgelegten Probandenzahl aus der Betrachtung aus und der Rest zeigt dann keinen relevanten Effekt mehr. Das ist nun zwar methodisch höchst fragwürdig (Bei einer Metaanalyse werden die Ergebnisse der Einzelstudien zusammengefasst und der Effekt dann neu gerechnet, die Größe der Einzelstudien ist daher nur von geringer Relevanz) und auch völlig unüblich bei Metaanalysen, aber äußerst elegant und wirksam.

[6] s. Blog von Norbert Aust Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie. Seine Kritik an einzelnen Studien schreibt er durchaus mit einigem Sachverstand und nicht alle seine Einwände gegen einzelne Studien sind irrelevant. Bedauerlich ist nur die Einseitigkeit seiner Darstellung (die fundamentale Kritik an Shang et al. z.B. formuliert er so, dass die Aussage der Studie damit nicht in Frage gestellt wird – Schade!). Bedauerlich ist aber auch, dass er seine Kritik nicht an die wissenschaftlichen Journals schickt, in denen die Originalarbeiten der jeweiligen Autoren publiziert wurden. Damit würde er sich in den wissenschaftlichen Diskurs begeben, müsste dann allerdings auch damit leben, dass einige seiner Argumente auch leicht zu entkräften sind.

[7] Forschung an ultrahohen Verdünnungen – relevant oder nicht?

[8] Es ist aber durchaus Gegenstand der Diskussion, ob diese Reaktionen als Unerwünschte Arzneiwirkungen (UAW) gesehen werden sollten. – Seitens des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden sie jedenfalls so gewertet.

Meine persönliche Meinung dazu:

Es handelt sich ja nicht um pharmakologische Wirkungen (dazu ist die Dosis zu niedrig) sondern um sehr individuelle wenn auch spezifische Reaktionen.  Und jetzt mal etwas spitzfindig: Wenn es keine pharmakologische Wirkung gibt, kann es auch keine unerwünschten Wirkungen geben. – Allerdings bin ich durchaus auch der Meinung, dass etliche der seltenen UAWs (<1:100.000 – unter Einbeziehung des bekannten Underreporting von UAWs de facto also ca. 1:10.000) bei konventionellen Pharmaka wahrscheinlich auch in diesen Bereich fallen. Das sind möglicherweise zum Teil auch keine wirklichen UAWs sondern individuelle aber doch spezifische Reaktionen. Idiosynkrasie nannte man so etwas früher auch.

Es geht dabei auch um die Unterscheidung:

  • Wenn ich auf jemanden schieße und der fällt tot um, dann ist das nachvollziehbarerweise strafbar (je nach der Situation als Mord oder Totschlag – mindestens aber Körperverletzung mit Todesfolge)
  • Wenn ich ein Buch schreibe und nach dem Lesen dieses Buches bringen sich reihenweise Leute um, dann ist das auch nicht schön – aber nicht strafbar.

Der wesentliche Unterschied nämlich: Das Erstere ist eine Wirkung – das Zweite eine Reaktion. – Für Wirkungen bin ich verantwortlich, für Reaktionen nur sehr begrenzt.

Und nicht einmal in dem deutlich restriktiveren 19. Jh wurden „Die Leiden des jungen Werther“ verboten, obwohl sich nach dessen Lektüre reihenweise junge Männer umbrachten.

Bild

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Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 6

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäußert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht weiter mit

Irrtum Nr. 6 – Widerwärtige Arzneimittel

Curt Kösters

Die Inhaltsstoffe der homöopathischen Mittel sind widerwärtig. Wenn die Leute nur wüssten, was sie da zu sich nehmen …

Und damit eben diese Leute das dann auch erfahren, wird dann gerne auch die Forderung nach einer deutschen Bezeichnung der Arzneimittel erhoben mit dem hehren Ziel der Transparenz.

Deutsche Bezeichnung

Zuletzt wurde diese Forderung nach mehr Transparenz 2017 von der Verbraucherschutzbeauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mechthild Heil, erneut erhoben

– und eigentlich ist dazu auch alles schon gesagt.

Hier finden Sie den Kommentar des Anwenderbündnisses für den Erhalt homöopathischer Einzelmittel und im Anschluss an diesen Beitrag dokumentiere ich auch noch meinen Kommentar seinerzeit.

Worum geht es?

Es geht hier um die Ausgangssubstanzen für die Herstellung homöopathischer Mittel und deren behauptete Widerwärtigkeit.

Nun wurden und werden in der Medizin immer schon seltsame Dinge verwendet – und manche vielleicht sogar mit Erfolg: Angeblich haben z.B. die alten Ägypter infizierte Wunden mit Schimmel behandelt; und wenn es denn stimmt, war das vielleicht sogar wirksam: Immerhin wurde das erste wirkliche Antibiotikum – das Penicillin – in einem Schimmelpilz entdeckt.

Aber auch heute noch finden sich in der Medizin Dinge, die locker in die Unterhaltung bei Tisch eingestreut, unter Garantie dem einen oder anderen den Appetit verderben wird – und Ihnen den Zugriff auf den Löwenanteil des Desserts sichern werden.

Was halten Sie von Wundbehandlung mit lebenden Fliegenmaden? Diese Behandlung wurde entdeckt, nachdem man in den Kriegen gesehen hatte, dass Patienten, deren Wunden von Maden infiziert war, weniger häufiger Sepsis bekamen.

Die Einnahme von Würmern ist eine effektive (und sinnvolle) Behandlung bei entzündlichen Darmerkrankungen.

Der neueste Hit sind allerdings Stuhltransplantationen.

Für das gesunde deutsche Geschmacksempfinden können aber auch schon Blutegel zur Belastung werden, eine alte Behandlungsmethode, die bei Arthrose nachweislich wirksam ist. (Michalsen, A., Kotz, S., Lüdtke, R., Moebus, S., Spahn, G., & Dobos, G. J. (2003). Effectiveness of leech therapy in osteoarthritis of the knee. Annals of Internal Medicine, 139, 724-730.)

Aber auch konventionelle Arzneimittel haben manchmal eine Herkunft, die man sich ungern im Detail vorstellt – eben z.B. Blutegel (bzw. deren Speichel).

Und leider sind sogar Lebensmittel gelegentlich nicht ganz frei von Bestandteilen mit Ekel-Faktor (s. unten).

Manchmal sind die Bestandteile auch gefährlich.

Und es ist jetzt doch noch eine wirklich interessante Frage: Was ist denn eigentlich schlimmer? – eklig oder gefährlich?

In der Tat gibt es seltsame Mittel in der Homöopathie: „Kakerlaken, Kellerasseln, Krötengift oder faules Rindfleisch“ – um Mechthild Heil im Original zu zitieren – und die war immerhin die Verbraucherschutz-Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion!

Und auch wenn die Kellerassel jetzt etwas unpräzise ist – (die Kellerassel, Porcellio scaber, kommt in der homöopathischen Materia medica definitiv nicht vor – gemeint ist hier wahrscheinlich die Mauerassel, Orniscus asellus, – und die gehört zu einer ganz anderen Familie der Asseln – so ist das mit den deutschen Bezeichnungen), so ist diese Aufzählung doch schön in ihrer Ausdruckskraft.

In der Homöopathie wird vieles verwendet, was

  • Sich in irgendeiner Form als toxikologisch bzw. arzneilich wirksam erwies (darunter auch zahlreiche konventionelle Pharmaka – wenn auch selten – und dann natürlich in potenzierter Form )
  • Bereits in der Volksheilkunde verschiedener Länder Verwendung fand
  • Sich in einer homöopathischen Arzneimittelprüfung als symptomträchtig erwies

Homöopathen sind neugierig und experimentierfreudig. Die Bedingungen für die homöopathische Verwendung einer Substanz sind allerdings, dass es:

  • Toxikologische Berichte
  • Homöopathische Arzneimittelprüfungen
  • Präzise beschriebene Symptome von erfolgreich behandelten Patienten

gibt.

Idealerweise sind alle drei Punkte erfüllt. Weniger bekannte und erprobte Mittel erfüllen auch nur zwei, oder gar nur einen dieser Punkte.

Die Kriterien des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind allerdings ohnehin wesentlich strenger.

Derzeit hat ein neues homöopathisches Mittel dort kaum eine Chance in der Registrierung.

Neben etlichen anderen Kriterien (wie z.B. zwei Arzneimittelprüfungen) muss auch die spezifische homöopathische Bekanntheit und die bereits erfolgreiche Verwendung in der Homöopathie für ein Mittel nachgewiesen werden, bevor dieses Mittel registriert und auf den Markt gebracht werden kann (warum nur erinnert mich das an den klassischen Test aus Catch-22?) – Aber auch das nur am Rande.

Was ich mich hier eigentlich frage: Was genau ist das Problem mit seltsamen Ausgangssubstanzen homöopathischer Mittel?

Bekanntlich ist ja „nichts drin“, wie die gleichen Skeptiker nicht müde werden zu betonen.

Sind das die gleichen selbsternannten Hyper-Rationalisten – die letzten Verteidiger der bedrohten Aufklärung wider die Flut der Barbarei – die einzig wahren Gläubigen der neuen Religion des Szientismus – die jetzt meinen eine Ekel-Kampagne betreiben zu müssen?

Sind das die gleichen Leute, die in der ersten Panik – nach der Publikation des Atropin-Versuchs an Rattendärmen zu dem etwas verzweifelten und äußerst zweifelhaften (aber doch wunderschön spitzfindigen) Argument griffen, dass man eine Belladonna C 30 ja gar nicht herstellen könne (weil in jedem beliebigen Wasser bereits vor der Herstellung mehr Belladonna sei)?

Diese Art von Kritikern müsste sich mal entscheiden: nichts drin oder eklig? Beides zusammen geht nicht.

Aber die logische Inkonsistenz hindert offenbar nicht daran einfach beide Argumente zu verwenden.

Diese Ekel-Kampagne leidet aber nicht nur unter logischer Inkonsistenz:

Die Forderung nach deutschen Arzneimittelbezeichnungen war und ist:

  • albern – deutsche Arzneimittelbezeichnungen würden nicht zu mehr Transparenz führen, sondern vielmehr zu völliger Verwirrung (s. unten)
  • irrational – wenn ohnehin „nichts drin“ ist, dann bezeichnet der Name ja nicht die Inhaltsstoffe, sondern nur deren Herkunft bzw. die Geschichte der Herstellung
  • undurchfühbar, denn dann müssten auch alle konventionellen Arzneistoffe mit deutschen Namen ausgezeichnet werden, und das geht gar nicht, weil sie chemischer Natur sind und chemische Namen sind in der Regel keine deutschen, sondern Kunstbezeichnungen. Oder wie sollte man den chemischen Namen Sulfonamid eindeutschen? Schwefeleiweiss? Und Acetylsalicylsäure? Essigsaureweidenrindensäure? Und Pentobarbital?
  • Diese Forderung ist politisch auch gar nicht durchsetzbar – schon gar nicht im Kontext der EU. In der logischen Konsequenz würde sie dazu führen, dass z.B. Penicillin fortan als „Schimmelpilz-Extrakt“ bezeichnet werden müsste – und spätestens dann würden verschiedene sehr einflussreiche Pharma-Konzerne aktiv werden.

Und wenn man die erfahrene Abgeordnete Mechthild Heil (seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages, seit 2016 Mitglied des Bundesvorstandes der CDU) nicht für unterbelichtet hält, darf man annehmen, dass ihr das auch klar war.

Worum geht es wirklich

Um Rationalität geht es jedenfalls nicht bei der Ekel-Kampagne.

Kommen wir zurück auf die interessante Frage, was denn eigentlich schlimmer ist: eklig oder gefährlich?

Unser Verstand würde jederzeit sagen: Gefährlich ist schlimmer als eklig – unser Gefühl sagt etwas anderes.

Die Botschaft mag im Einzelfall irrational sein – aber um rational abgelehnt zu werden müsste sie zunächst die Großhirnrinde erreichen.

Über Ekel wird in tieferen, uralten Hirnarealen entschieden; der Verstand sucht dann nach Argumenten um eine emotional längst getroffene Entscheidung zu rationalisieren. Ekel-Botschaften sind daher recht wirksam um Verhaltensänderungen hervorzurufen.

Die rational absurde Forderung nach deutschen Arzneimittelbezeichnungen wird in diesem Kontext dann doch sinnvoll. Sie dient als Vehikel um die Ekelbotschaft elegant zu transportieren.

Ähnlich verhält es sich mit der Forderung nach Abschaffung der Apothekenpflicht für Homöopathika.

Auch diese Forderung ist nicht durchsetzbar. – Mechthild Heil bekam nicht nur Widerspruch aus anderen Fraktionen, sie wurde auch prompt von einem Fraktionskollegen zurückgepfiffen.

Auch diese Forderung ist vorwiegend ein Vehikel für eine Negativbotschaft: Homöopathika sind unwirksam!

Die Tatsache, dass sie sehr wohl wirksam sind und die Tatsache, dass die Beweislage dafür jedenfalls nicht schlechter ist als für viele konventionelle Präparate wurde hier schon in verschiedenen Beiträgen erörtert:

Zwei wesentliche Erkenntnisse

können wir also aus dieser Geschichte ziehen:

Erstens: Es gibt eine gut koordinierte und strategisch geplante Kampagne gegen die Homöopathie. Diese bedient sich höchst professioneller Medienstrategien um Negativ-Botschaften in den Köpfen zu verankern. Gezielt wird dabei mit Mitteln der Assoziationsumsteuerung gearbeitet. Begriffe wie „unwirksam“, „nichts drin“, „Pseudomedizin“, „Quacksalber“ spielen dabei eine zentrale Rolle. Bestimmte Zielgruppen (wie Schwangere, Eltern) werden dabei gezielt mit Assoziationen wie „gefährlich“, „eklig“ angesprochen.

Zweitens: Mechthild Heil ist eine Aktivistin in dieser Kampagne. Das lässt sich bereits aus dieser gezielten Platzierung von Negativbotschaften ablesen und dazu muss man gar nicht wissen, dass sie auch bei GWUP Blog-Beiträge schreibt. Insbesondere die Ekel-Botschaft wird praktisch nur von echten Aktivisten verwendet; ansonsten hat sie bisher keine große Verbreitung gefunden, da sie eben weder logisch, noch richtig ist.

Die hartnäckige Wiederholung von einigen wenigen Kernbotschaften ist ein klassisches und wirksames Instrument der Propaganda. Bei ausreichender Hartnäckigkeit kommt es auf den Wahrheitsgehalt dann gar nicht mehr an.

Und da ich mich nicht auch noch für diese Kampagne instrumentalisieren lassen möchte und deren Botschaften transportieren, habe ich einen Moment darüber nachgedacht, ob ich diesen Beitrag nicht doch lieber mit einem freundlichen Maikäfer-Bild illustrieren sollte (auch der wird ja in der Homöopathie verwendet). – Ich habe mich dann doch für die Schabe entschieden.

Dokumentation

Und hier nun die Dokumentation eines Kommentars zu dem damaligen Artikel in der DAZ:

CDU/CSU und der Verbraucherschutz

Die Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mechthild Heil, fordert eine deutsche Benennung der homöopathischen Mittel.

„Die Menschen erwarten heutzutage, dass sie in allen Bereichen unseres täglichen Lebens angemessen und verständlich informiert werden. Was für das morgendliche Frühstück und den Mietvertrag gilt, sollte auch für die Homöopathie gelten.“

2014 hatte Mechthild Heil diese Forderung schon einmal aufgestellt und begründet dass „sich in homöopathischen Mitteln teils abenteuerliche Inhaltsstoffe fänden: Kakerlaken, Kellerasseln, Krötengift oder faules Rindfleisch. Der Verbraucher müsste verständlich darüber informiert werden, was er zu sich nimmt.“

Die CDU/CSU möchte also harte Kante zeigen im Verbraucherschutz und fordert eine umfassende und vollständige Verbraucherinformation – in allen Bereichen unseres täglichen Lebens. Das ist doch mal eine gute Nachricht – insbesondere für das Frühstück.

Foodwatch wird es freuen; diese Organisation hatte zuletzt in einem Offenen Brief an den Bundesminister der Ernährung Christian Schmidt (CSU) vom 17.3.2014 und in einer Presseerklärung vom 04.07.2016 gefordert, die staatliche Lebensmittelbuch-Kommission abzuschaffen, „weil diese immer wieder irreführende Produktbezeichnungen als Standard festsetzt“ – „Zitronenlimonade ohne eine Spur Zitronensaft oder ‚Alaska-Seelachs‘ aus gefärbtem Lachsersatz.“ Foodwatch bezeichnet das als „Staatlich legitimierte Verbrauchertäuschung.“ Auch „Geflügelwürstchen“, die überwiegend aus Schweinefleisch hergestellt werden, finden keinen Beifall von Foodwatch.

Viele Verbraucherverbände fordern eine transparentere Deklaration von Lebensmitteln. In Zukunft wird sich die CDU/CSU also an die Spitze dieser Bewegung setzen und auch das Zustandekommen von EU-Handelsabkommen entsprechend kritisch begleiten.

Vielleicht sollte sich Frau Heil zunächst einmal etwas umfassender informieren über das Thema – vielleicht bei einer guten Tasse des Edelkaffees Kopi Luwak. Der Verkäufer garantiert nicht nur für die Echtheit, sondern auch für die artgerechte Tierhaltung!

Der Kaffee wird nämlich aus Affenexkrementen hergestellt. Die Kaffeebohnen werden zunächst von den Affen verzehrt und anschließend ausgeschieden. Aus den Exkrementen werden sie dann mit großer Mühe wieder heraus gelesen. Möglicherweise ist das eine besonders schonende Form der Fermentierung – möglicherweise aber auch nur eine geniale Werbeidee für extrem teuren Kaffee – letztendlich lässt sich das wahrscheinlich nur anhand des Geschmacks entscheiden. Ich vermeide hier die deutsche Bezeichnung für das Wort Exkremente und verstoße damit wohl bereits gegen die strenge Verbraucher-Informations-Richtlinie, die Frau Heil dann ja wohl initiieren wird.

Einige Informationen stelle ich vorab gerne schon mal zur Verfügung – allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Eßbares aus Klärschlamm
  • Food, Inc. – Was essen wir wirklich? (Film)
  • Die Ernährungslüge: Wie uns die Lebensmittelindustrie um den Verstand bringt – Buch von Hans-Ulrich Grimm

Übrigens: Eine handelsübliche Tafel Schokolade enthält wohl mehr Kakerlaken-Bestandteile als die jährliche Gesamtproduktion des homöopathischen Arzneimittels Blatta orientalis in Deutschland – im Unterschied zu dem Arzneimittel allerdings völlig undeklariert – noch nicht mal auf lateinisch.

Dass Schokolade in den USA bis zu 4% Kakerlaken-Anteile enthalten darf, ist aber wahrscheinlich ein Gerücht – Nämlich: „Anything less than 60 insect pieces per 100 grams of chocolate (two chocolate bars‘ worth) is deemed safe for consumption.“ – In Gewichtsprozenten sind das sicherlich wesentlich weniger als 4%.

Und weil es so nett ist, hier gleich noch ein paar denkwürdige Nahrungsbestandteile:

11 Horrifying (and Sometimes Sexy) Ingredients Hidden in Popular Foods

Und was nun die offenbar vordringlicheren homöopathischen Mittel angeht:

  • Wenn ich in Google Nux vomica eingebe habe ich 849.000 Ergebnisse (darunter auch die bekanntesten deutschen Bezeichnungen Krähenauge oder Brechnuss auf der ersten Ergebnis-Seite) mit allen relevanten Informationen zu diesem homöopathischen Mittel.
  • Bei der Suche nach Krähenauge wiederum habe ich 21.500 Ergebnisse – auf der ersten Seite allerdings vorwiegend Hinweise zur Behandlung von Hühneraugen.
  • Die Suche nach der Brechnuss liefert wenigstens 61.800 Ergebnisse – auf der ersten Seite allerdings schon den Hinweis, dass Brechnuss eine Sammelbezeichnung ist und dass es verschiedene Brechnüsse gibt mit auch sehr unterschiedlicher Giftigkeit (und sehr unterschiedlicher Bedeutung in der Homöopathie).

Die deutschen Bezeichnungen sind also eher verwirrend und es scheint mir daher, dass die eindeutige (taxonomisch begründete) lateinische Bezeichnung doch klarere Verbraucherinformationen liefert als jede mögliche deutsche Bezeichnung. – Und das ist ja auch der Sinn eindeutiger Nomenklaturen.

Und das gilt übrigens auch für Blatta orientalis. Was ist nun die deutsche Bezeichnung? – Kakerlake? – Küchenschabe? – Schabe?

Kakerlake ist eine taxonomisch unklare Bezeichnung – als Kakerlaken werden etwa auch die Braunbandschabe (Supella longipalpa), Braune Schabe (Periplaneta brunnea) und die Australische Schabe (Periplaneta australasiae) bezeichnet.

Wikipedia leitet die Suche nach Kakerlake daher weiter auf die Küchenschabe – die Küchenschabe ist aber nicht Blatta orientalis sondern Blattella germanica.

Blatta orientalis ist die Bäckerschabe, was sich auch rasch herausfinden lässt, wenn man mit der eindeutigen Bezeichnung Blatta orientalis sucht.

Anmerkung

Dieser Kommentar wurde ursprünglich nur als Leserbrief verfasst. Für die Dokumentation hier wurden nur die Schreibweisen geprüft und ein erklärender Satz eingefügt. Inhaltlich wurde nichts verändert, da der Kommentar sich auf einen bereits zurückliegenden Vorgang bezieht; Mechthild Heil ist ja nicht mehr Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Die angegebenen Zahlen zu der Google-Recherche sind daher vermutlich nicht mehr ganz aktuell. – Ferner: Wikipedia bezeichnet mittlerweile auch Blatta orientalis als „Küchenschabe“ – so ist das mit den deutschen Bezeichnungen.

Ergänzend dann aber auch noch aus Wikipedia:

Eine Studie, die 2005 in den USA vom “National Institute of Environmental Health Sciences“ (NIEHS) und dem “National Institute of Allergy and Infectious Diseases“ (NIAID) durchgeführt wurde, stellte fest, dass Allergene, die von Schaben stammen, Asthmasymptome in stärkerem Maße hervorrufen können als andere bekannte Auslöser.

Und wofür und warum wird nun Blatta orientalis in der Homöopathie verwendet?

Als ein Patient Tee trank, bei dem eine Küchenschabe aufgegossen worden war, wurde zufällig entdeckt, dass Blatta orientalis Asthma bessert. Seitdem konnte man seine Wirkung auf eine ganze Reihe von Asthmaanfällen nachweisen (Ray in Hom. Recorder, 1890, S. 193).

(Zitiert nach Der Neue Clarke – Eine Enzyklopädie für den homöopathischen Praktiker, Stefanovic 1991)

Bitte schließen Sie jetzt nicht daraus, dass Blatta orientalis für jede Form von Asthma das richtige Mittel wäre.

Interessant ist das eher als Hinweis zum Ähnlichkeitsprinzip.

Bildnachweis:

Amerikanische Großschabe  – Wikipedia – von Von User Preiselbeere on de.wikipedia – Eigenes Werk, CC BY-SA 2.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=919616

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Diskutieren statt debattieren: Den kranken Menschen in den Mittelpunkt stellen!

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Hartmut Schröder

Die gegenwärtigen Angriffe gegen die Homöopathie, die in der Forderung nach einer Abschaffung der ärztlichen Zusatzbezeichnung gipfelten, sehe ich keineswegs als Beitrag zu einer (durchaus erwünschten und auch notwendigen) kritischen Diskussion zur Homöopathie. Es handelt sich vielmehr um eine Debatte, die vor allem emotional und mit dem Ziel des kompletten Ausschlusses einer traditionellen Richtung der Medizin geführt wird. Diskussion und Debatte unterscheiden sich grundlegend voneinander. Während es in einer Diskussion darum geht, Ansichten und Meinungen auszutauschen sowie eine Übereinstimmung herzustellen, geht es in der Debatte darum, einen vermeintlichen Gegner mit der Macht des Wortes zu schlagen, die eigene Position durchzusetzen und die andere zu vernichten. Die Debatte kennt nur ein entweder-oder – für die Diskussion ist auch ein sowohl-als-auch möglich. Ist die Debatte eher eine Art Gegeneinander, so ist die Diskussion immer ein Miteinander.

Als Sprachwissenschaftler fällt mir in der gegenwärtigen Debatte zur Homöopathie besonders auf, dass es hier keineswegs um die Sache bzw. den Austausch von Meinungen geht. Vielmehr sollten Menschen emotional beeinflusst werden. Dies lässt sich am gewählten Wortschatz und an den benutzten Argumentationsmustern gut erkennen, soll hier aber nicht weiter Gegenstand der Betrachtungen sein. Stattdessen möchte ich ein zentrales Argument aufgreifen, dass in der Debatte eine besonders wichtige Rolle spielt: „Homöopathie als reiner Placebo-Effekt“.

Die Aussage „Homöopathie ist ja nur ein Placebo“ ist als Vorwurf gedacht und soll Globuli in den Bereich der Irrationalität und Pseudowissenschaft verbannen. Dabei wird schlicht übersehen, dass der Placebo in gewisser Weise der am besten erforschte Effekt in der Medizin ist und in keinem Heilprozess fehlt. Bei diesem Effekt geht es auch keineswegs nur um Glauben und Erwartung, sondern es geht um die Wirkmächtigkeit von Sprache und Information in einem bestimmten Kontext. Und hier wird es interessant: bloße Informationen, d.h. etwas Immaterielles ohne jedweden Wirkstoff, können zugleich heilen und schaden.

Dazu ein beeindruckendes Beispiel zum Potenzial von Information, Kommunikation und Sprache als Stimuli für innere Wirkprozesse. In einer renommierten Studie von Silvestri et al. (2003) [1] wurde aufgezeigt, wie durch Information unerwünschte Nebenwirkungen verursacht bzw. durch das Fehlen von Information vermieden werden können. In der Studie geht es um erektile Dysfunktion im Kontext der Einnahme eines Betablockers. Gefragt wird, ob durch Information erektile Dysfunktion erzeugt bzw. verstärkt werden kann. Männliche Patienten, denen ein Betablocker verordnet worden war, wurden in drei Gruppen eingeteilt: Die erste Gruppe erhielt keine Information darüber, dass sie einen Betablocker einnimmt. Die zweite Gruppe bekam die Information, dass ein Betablocker verordnet wurde. Und die dritte Gruppe wurde explizit darüber aufgeklärt, dass das Medikament als unerwünschte Nebenwirkung auch „gelegentlich“ eine Störung der Erektion auslösen kann. Drei Monate später wurde in allen Gruppen die Häufigkeit einer erektilen Dysfunktion per Befragung erhoben. In der ersten Gruppe betrug sie 3,1 Prozent, in der zweiten Gruppe 15,6 Prozent und schließlich in der dritten Gruppe 31,2 Prozent. Eine spätere ähnlich angelegte Studie von Cocco (2009) [2] bestätigte die Ergebnisse der Studie von Silvestri et al. (2003) weitgehend.

Kann man den Teilnehmern dieser Studien, die erektile Dysfunktion entwickelt haben, nun – in tröstender Absicht – mitteilen, dass das alles nur ein Nocebo war? Würde diese Information ihr Problem dann lösen? Vermutlich nicht, denn das „Wirken des vermeintlich Wirkungslosen“ entsteht in einem sehr komplexen Prozess der Interaktion zwischen Arzt und Patient. Prof. Jütte, der Vorstand des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer argumentiert in einer Stellungnahme der Bundesärztekammer zum Thema „Placebo in der Medizin“: „Die Arzt-Patienten-Interaktion ist ganz zentral. Mit seinem Verhalten kann der Arzt ungemein viel erreichen – mit Empathie, Vertrauen und dem therapeutischen Setting. All das muss stimmen, damit der Arzt mit seiner Maßnahme – auch wenn sie noch so evidenzbasiert sein mag – Erfolg haben kann.“ Und weiter: „Es kommt also nicht selten vor, dass eine Maßnahme mit geringerer Evidenz effektiver ist, weil die Umstände besser passen und der Gesamteffekt damit größer wird.“ [3]

So gesehen wäre der Placeboeffekt also unverzichtbarer und wünschenswerter Kern einer jeden Behandlung. Allerdings kann er sich – und das ist die Gefahr in der gegenwärtigen Debatte – in bestimmten Kontexten auch in einen Noceboeffekt verwandeln bzw. neutralisiert werden. Die Ideologie eines Arztes und Berichte in den Medien können zu einem Nocebo-Reiz für Patienten werden. Viele Ärzte der komplementären Medizin machen in dieser Hinsicht die Erfahrung, dass ihre Patienten durch direktes Infragestellen und/oder implizite Verunglimpfung bzw. in milderer Form durch Lächerlichmachen durch zusätzlich konsultierte Schulmediziner zumindest verunsichert werden. Damit können diese Ärzte diesen Patienten schaden, ohne dass dies ihre Absicht ist.

Die gegenwärtigen Angriffe gegen die Homöopathie leisten also nicht nur keinen konstruktiven Beitrag in einer durchaus zu führenden Diskussion zur Homöopathie, sondern sie schaden objektiv all den Patienten, die homöopathisch behandelt werden. Auf diesen Umstand hat vor einigen Jahren in einem Editorial der Münchner Medizinischen Wochenschrift Prof. Füeßl, der damalige Chefredakteur dieser sicher nicht unter Esoterik-Verdacht stehen Fachzeitschrift, hingewiesen. Er schreibt: „Schließlich wird das Befinden eines Patienten und damit die tatsächliche oder empfundene Besserung seiner Beschwerden ganz wesentlich vom Vertrauensverhältnis zu seinem Arzt beeinflusst. Doch dieses ist mit wissenschaftlichen Methoden kaum zu untersuchen, da es von irrationalen Momenten gefördert oder gestört wird. Die Wirkung alternativer Verfahren anzuzweifeln könnte genau dieses Vertrauensverhältnis stören und dadurch per se kontraproduktiv sein.“ [4]

Es ist zutiefst unethisch, wenn auf Grund von unterschiedlichen Ideologien in polemisch geführten Debatten kranke Menschen verunsichert werden, ihnen das Vertrauen genommen wird und letztendlich heilende Placebo-Reize in schadende Nocebo-Reize verwandelt werden. Selbst wenn Homöopathie nicht über einen reinen Placeboeffekt hinausgehen würde, so ist sie dennoch für eine patientengerechte Versorgung von großer Bedeutung. Einen Streit darüber zu führen ist nicht zielführend – in einem pauschalen entweder-oder kann der kranke Mensch nur verlieren. Schul- und Komplementärmedizin können und sollen (durchaus auch in einem Spannungsfeld) miteinander diskutieren, sich aber mit gegenseitigem Respekt und in einer Haltung des sowohl-als-auch begegnen. Das Wissen über den Placebo- und Nocebo-Effekt kann neuen Wind in die Medizin bringen und zu einer Kulturheilkunde erweitern, die spezifische Wirkmittel keineswegs ausschließt, sondern diese durch die sogenannten unspezifischen Wirkmittel bzw. Kontextfaktoren noch wirksamer machen könnte. Eine solche Kulturheilkunde wirkt durch folgende Faktoren:

  • Autonomie, Kompetenz und Selbstwirksamkeit des Patienten;
  • Empathie, Haltung und Intuition des Therapeuten;
  • Passung und Resonanz zwischen Patienten und Therapeuten;
  • sowie durch ein heilendes Umfeld in Gesellschaft, Medien und Politik, das Resilienz und Salutogenese fördert.

Wir brauchen also keine Debatte, wir brauchen eine Diskussion, die den kranken Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Hartmut Schröder ist Inhaber des Lehrstuhls für Sprachgebrauch und Therapeutische Kommunikation an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Hartmut Schröder

Therapeium – Zentrum für Natur- und Kulturheilkunde

Hohenzollernstr. 12

14163 Berlin

E-Mail: h.schroeder@therapeium.de

Literatur:

[1] Silvestri A, Galetta P, Cerquetani E, Marazzi G, Patrizi R, Fini M, Rosano GM: Report of erectile dysfunction after therapy with beta-blockers is related to patient knowledge of side effects and is reversed by placebo. Eur Heart J. 2003 Nov; 24(21):1928-32.

[2] Cocco G: Erectile dysfunction after therapy with metoprolol: the Hawthorne effect. Cardiology. 2009;112(3):174-7.

[3] Deutsches Ärzteblatt, 19. Juli 2010.

[4] MMW-Online, 3-4/2009

 

 

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Spieglein, Spieglein in dem Sand…

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Homöopathie und grössere Kosten? Schlechte Daten falsch interpretiert.

Ein paar Anmerkungen zum Artikel „Die Macht der Heiler“, Spiegel Nr. 34 2018

Harald Walach

Regelmässig im Sommerloch geht das Homöopathie-Bashing los, weil man ja sonst nichts Besseres zu berichten hat. So verkündet Frau Hackenbroich wieder einmal im Spiegel: Homöopathie sei die „absurdeste aller Heilmethoden“ und alles sei „ein großer Bluff“. Ich habe Frau Hackenbroich einmal auf dem Podium einer Fachkonferenz der Journalisten in Bremen erlebt. Dort sagte sie: „Die Homöopathie gehört in die Medizingeschichte und meine Aufgabe ist es, sie dorthin zu befördern.“ Das finde ich bedenklich, wenn Journalisten sich zu Vollstreckern der Geschichte machen (wollen), aber das nur am Rande.

 

SPIEGEL 34/2018

Als eine der Argumente zitiert sie dann eine Studie aus dem Online Fachjournal PLoS One (steht für „Public Library of Science“; und ist ein allgemeines Journal mit normalerweise robustem Peer-Review) [1]. Die Studie wurde von Kollegen der Charité durchgeführt anhand eines großen Datensatzes der Technikerkrankenkasse. Dort wurden die Kosten von Menschen mit und ohne integrierter Versorgung „Homöopathie“ verglichen. Es wurde ein sehr aufwändiges Vergleichsverfahren gewählt, bei dem aufgrund von verschiedenen bekannten Variablen eine Person der Vergleichsgruppe – hier: normale Versicherte – mit einer Person der Testgruppe – hier: Versicherte mit Einschreibung in den Homöopathie-Vertrag – verglichen wurde, so dass beide möglichst ähnlich sind. Das Verfahren – technisch: propensity score matching – ist höchst aufwändig und ergibt sehr gute Ergebnisse. Die Voraussetzung: man weiss, was man mit was vergleicht und man hat die wirklich entscheidenden Variablen gefunden, auf Grund derer man den Vergleich anstellt.

Aber schon dem kursorischen Leser fällt beim Lesen dieser Studie auf: Hier wurden nicht Menschen, die Homöopathie wirklich benützt haben mit solchen verglichen, die Homöopathie nicht verwendet haben. Sondern hier wurden diejenigen Menschen verglichen, die ein Zusatzangebot gebuchte hatten, egal ob sie Homöopathie benützt haben oder nicht. Wörtlich heisst es: „For this analysis patients belonged to the homeopathy group if they subscribed to the integrated care contract in 2011 and if they were continuously insured through the TK for the observational period (12 months before and 18 months after subscription to the integrated care contract), regardless of whether they used homeopathy during the study period.“ (S. 2 der Publikation, 2. Satz in “Methods”)

Also, nochmals zum Mitschreiben, liebe Frau Hackenbroich, auf Deutsch: In dieser Analyse gehörten Patienten zur “Homöopathie-Gruppe”, wenn sie im Jahre 2011 einen integrierten Versorgungsvertrag über die zusätzliche Behandlung mt Homöopathie abgeschlossen hatten, völlig unabhängig davon, ob jemand wirklich Homöopathie in Anspruch genommen hat. Und dennoch wird hinfort davon geredet, dass die Benützung von Homöopathie, der Konsum von Homöopathie etc. mehr Kosten verursacht. Solide?

Ich finde es nicht sonderlich erstaunlich, dass Leute, die Homöopathie zusätzlich zur konventionellen Versorung in Anspruch nehmen, mehr Kosten verursachen. Nur: das Extra-Angebot der integrierten Versorgung an Patienten, die einfach mal kurz ausprobieren wollen, wie das mit der Homöopathie ist, aber nebenher noch allerhand andere Dinge machen bildet nicht die reale Situation ab. Die ist vielfach untersucht und sieht eher so aus, dass Menschen dann, wenn ihnen die gewöhnliche Versorung durch ihren Haus- oder Spezialarzt nicht mehr weiterhilft oder zu viele Nebenwirkungen produziertzum homöopathischen Arzt begeben oder manchmal zum Heilpraktiker, und dort nach Linderung Ausschau halten. Es wäre also für eine wirklich gute Untersuchung zwingend nötig, dass man konkret untersucht, wieviele Patienten die Behandlung nun auch wirklich richtig in Anspruch genommen haben, wie lange und ob und wie sich ihr Gesundheitszustand verändert hat. Das ist, soweit aus den bisher publizierten Daten ersichtlich, nicht erfolgt. Aber aus der Folgestudie wissen wir: Nur etwa ein Drittel der Patienten ist dabeigeblieben [2]. Die Studie dürfte also eher die höheren Kosten abbilden, die durch „doctor hopping“ entstehen, und das wundert eigentlich keinen. Sie aber als Beleg für gesteigerte Kosten durch Homöopathie zu verwenden, erscheint mir fragwürdig.

Auf jeden Fall dient diese Studie weder dazu, irgendwas über die Kosten der Homöopathie zu sagen, noch als Argument dafür, wie schlimm die Homöopathie denn nun ist. Sie dient eigentlich zu gar nichts ausser dazu, zu sagen, Menschen, die Zusatzangebote in Anspruch nehmen, erzeugen mehr Kosten. Vielleicht sind sie ängstlicher und gehen häufiger zum Arzt? Vielleicht haben sie mehr chronische Krankheiten oder haben mehr Probleme? Vielleicht nehmen sie mehr verschiedenen Behandlungen in Anspruch?

Da wäre es schon zielführender, die Studie von Baars und Kollegen zu zitieren, die ich auf meiner Homepage vor einer Weile besprochen hatte [2] (https://harald-walach.de/2014/10/14/versicherungen-herhoeren-komplementaermedizin-ist-billiger/). Diese hatte nämlich eine Kohorte über 6 Jahre verfolgt, die wirklich komplementärmedizinisch – homöopathisch und anthroposophisch-medizinisch – versorgt worden ist. Die Versorgung war nicht nur billiger, der Gesundheitszustand war besser. Die Autoren extrapolierten eine Kostenersparnis von 3.2 Milliarden Euro für Holland, wenn sich alle Menschen so behandeln liessen.

Liebes Spieglein: das war in den Sand gesetzt.


Hier noch Beiträge, die diesen Text von anderen Seiten beleuchten

Ein Leserbrief, der im SPIEGEL nicht abgedruckt wurde

Ein Beitrag im Tagesspiegel: Für eine Medizin auf Beweis- und Erfahrungsbasis

Fairplay bitte!

Spieglein, Spieglein an der Wand…

Die Europäischen Wissenschaftsakademien und die Homöopathie


Literatur

[1] Ostermann, J. K., Reinhold, T., & Witt, C. M. (2015). Can additional homeopathic treatment save costs? A retrospective cost-analysis based on 44.500 insured persons. PLoS One, 10(7), e0134657. https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0134657

[2] Ostermann, J. K., Witt, C. M., & Reinhold, T. (2017). A retrospective cost-analysis of additional homeopathic treatment in Germany: Long-term economic outcomes. PLOS ONE, 12(9), e0182897. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0182897

[3] Baars, E. W., & Kooreman, P. (2014). A 6-year comparative economic evaluation of healthcare costs and mortality rates of Dutch patients from conventional and CAM GPs. BMJ Open, 4, e005332. https://bmjopen.bmj.com/content/4/8/e005332

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Fairplay bitte!

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Ein Plädoyer für unparteiische Berichterstattung und Forschung in der Homöopathie

Einige Gedanken zu aktuellen Berichterstattungen zur Homöopathie und warum Homöopathie in der Kinderonkologie weder gefährlich noch irreführend ist

«To be free is not merely to cast off ones chains, but to live in a way that respects and enhances the freedom of others»  Nelson Mandela

Katharina Gaertner, Universität und Inselspital Bern

Es ist schon verwunderlich, wie viel Misstrauen homöopathischen Arzneimitteln und ihren Anwendern entgegengebracht wird. Kritiker werden nicht müde sich in Wortspielereien oder wiederholten Zitaten von unwissenschaftlichen Artikeln und Falschmeldungen zu ergehen, ohne eigene Untersuchungen anzustellen oder wissenschaftliches Arbeiten zu unterstützen um offene Fragen zu beantworten. So kam es kürzlich wieder zu diversen Anschuldigungen auf universitäre Einrichtungen, welche integrative Konzepte mit unterstützenden, zusätzlich zur konventionellen Therapie eingesetzten, homöopathischen Interventionen verfolgen [1 – 3]. In der Argumentation stützen  sich die Autoren dabei erneut hauptsächlich auf eine sinnlose, indikationsübergreifende und wissenschaftlich höchst fragwürdige [4] Untersuchung des australischen Gesundheitsministeriums [5] und lassen ausser Acht, dass es unzählige gegensätzliche Untersuchungen gibt [e.g. 6, 7].

Wäre es nicht an der Zeit, dem Wunsch der Bevölkerung (auch in Deutschland) [8, 9] nachzukommen und genauer hinzusehen, anstatt sich in Allgemeinplätzen zu verlieren und ein und dasselbe, bereits widerlegte Argument [6, 7], es gäbe keine wissenschaftlichen Beweise wieder und wieder herunterzubeten und als einzigen Beleg dafür ein oder zwei „Expertenmeinungen“ zu zitieren? Wäre es nicht an der Zeit, sich auf ein Fairplay zu einigen, Transparenz für die Bevölkerung zu schaffen und die Universitäten ihre Arbeit machen zu lassen?

Beginnen wir also mit Fairplay von unserer Seite:

Ja, über alle verschiedenen medizinischen Anwendungen homöopathischer Arzneien für die unterschiedlichsten Krankheitsbilder kann keine allgemeine Aussage hinsichtlich der Wirksamkeit getroffen werden. Bei genauerem Hinsehen finden sich jedoch 53 unterschiedliche Indikationen zu denen mindestens zwei kontrollierte Studien vorliegen, welche eine spezifische Intervention mit einer oder mehreren spezifischen homöopathischen Arzneie(n) testen [10]. Zumindest diese Studien sollten für diese spezifischen Fragestellungen hinsichtlich Ihrer Güte näher untersucht werden. Betrachten wir also zum Beispiel die gerade so in Verruf geratene, zusätzlich homöopathische Behandlung in der (Kinder-)onkologie: In der laufend aktualisierten, auf den «Clinical Practice Guidelines» des Institute of Medicine basierenden, online Version für therapeutische Praxisempfehlungen «uptodate» wird hierzu eine Kohortenstudie [11] und zwei unkontrollierte Beobachtungsstudien [12, 13] bezüglich der Symptomkontrolle durch individualisierten homöopathischen Verschreibungen zitiert. Die Autoren sehen damit genügend empirische Grundlage diese Therapie in dem so schwierigen Feld austherapierter Patientinnen als additive Therapie einzusetzen [14]. Dem könnten nach ausführlicher Recherche sogar noch weitere pragmatische randomisiert-kontrollierte Studien mit gutem klinischen Erfolg hinzugefügt werden [15, 16]. Ebenfalls existieren Studien zu homöopathischen Routineverschreibungen, mit positiven Effekten bei der Nebenwirkungskontrolle von Krebspatienten [17, 18]. Nun beziehen sich diese Empfehlungen natürlich auf erwachsene Patientinnen und noch liegt keine Evidenz durch kontrollierte Studien im Bereich der pädiatrischen Krebspatientinnen vor, jedoch zeigen Fallserien und langjährige positive Erfahrung durch Betroffene und Behandelnde [19], dass es längst an der Zeit wäre eine weitere kontrollierte Studie finanziell zu unterstützen. Das wäre dann, nun ja, fairplay eben.

Die angesprochenen Universitäten tragen mit ihrem Angebot zu der Möglichkeit der weiteren Erforschung der subjektiv und objektiv erfolgsversprechenden homöopathischen Therapien bei. Sie handeln damit ganz im Sinne universitärer Grundsätze. Wir können als faire Player in einer demokratischen Gesellschaft natürlich dieser Kakophonie der Hetzer nicht die Meinungsäusserungen verbieten,  jedoch plädiere ich dafür, dass Universitätskrankenhäuser sich nicht durch das Foulplay einiger mächtiger Unwissender beirren lassen und Patienten und Ärzten weiterhin die Möglichkeit und Freiheit lassen, sich nach bestem Wissen und Gewissen, und auf Basis der vorliegenden international anerkannten Empfehlungen [11], für die im Einzelfall als beste erscheinende Therapie entscheiden zu dürfen.

Referenzen

[1] Karberg S & Woratschka R. Heftige Kritik an Berliner Uniklinik: Charité-Webseite enthielt Lob für Homöopathie gegen Krebs [Internet, 22.08.2018: https://www.tagesspiegel.de/politik/heftige-kritik-an-berliner-uniklinik-charite-webseite-enthielt-lob-fuer-homoeopathie-gegen-krebs/22941508.html, zitiert am 12. September 2018].

[2] Feldwisch Drentrup H. Charité in der Kritik: «Homöopathie hat an Uniklinika keinen Platz» [Internet, 06.08.2018: https://medwatch.de/2018/08/06/charite-in-der-kritik-homoeopathie-hat-an-uniklinika-keinen-platz/, zitiert am 12. September 2018].

[3] Winnat C. Münchener Uniklinik wegen Homöopathie in der Kritik [Internet, 20.08.2018: https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gesundheitswirtschaft/article/966347/muensteraner-kreis-uniklinik-wegen-homoeopathie-kritik.html, zitiert am 12. September 2018].

[4] Tournier A & Roberts R. Response by the Homeopathy Research Institute to ‘the Australian Report’ NHMRC Information Paper: ‘Evidence on the Effectiveness of Homeopathy for Treating Health Conditions’ National Health and Medical Research Council, März 2015.[Pressemitteilung]. Homeopathy Research Institute, 2016. [Internet: https://www.hri-research.org/wp-content/uploads/2016/02/HRI-Response-to-NHMRC-Information-Paper.pdf, zitiert am 15. August 2018].

[5] Council AHaMR. NHMRC Information Paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions. National Health and Medical Research Council; 2015. [Internet: www.nhmrc.gov.au/guidelines-publications/cam02, zitiert am 15. August 2018].

[6] Bornhöft G, Wolf U, von Ammon K, Righetti M, Maxion-Bergemann S, Baumgartner S, Thurneysen AE, Matthiessen PF. Effectiveness, safety and cost-effectiveness of homeopathy in general practice – summarized health technology assessment. Forsch Komplementmed. 2006;13 Suppl 2:19-29. Epub 2006 Jun 26.

[7] WissHom. Forschungsbericht Homöopathie: Der aktuelle Stand der Forschung zur Homöopathie: Versorgungsforschung, Randomisierte kontrollierte klinische Studien, Meta-Analysen und Grundlagenforschung. Hrsg.: Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie (WissHom). Köthen (Anhalt), Mai 2016. 56 Seiten.

[8] De Sombre S. Homöopathische Arzneimittel 2014. Bekanntheit, Verwendung und Image. Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage. Allensbach: Institut für Demoskopie Allensbach; 2014 [Internet: https://www.bah- bonn.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=4233&token=8724d36ab6615321300b76f72312 6d5e07d6e21e, zitiert am 07.08.2015]

[9] DHU Pressemitteilung.  August 2018 [Internet: http://httpwww.dhu.n2g32.com/cnyhl59z-nnkgk907-mtyc76jn-qza, zitiert am 12.09.2018]

[10] Gaertner K, Torchetti L, Kundi M, Mittal R, Khurana A, Manchanda RK, Frass M. Literature overview of Controlled clinical studies with Homeopathic Medicines and Interventions. 72nd LMHI-Kongress, 05.-08. September, Kapstadt, Südafrika. Vortrag

[11] Guethlin C, Walach H, Naumann J, et al. Characteristics of cancer patients using homeopathy compared with those in conventional care: a cross-sectional study. Ann Oncol 2010; 21:1094.

[12] Thompson EA, Mathie RT, Baitson ES, et al. Towards standard setting for patient-reported outcomes in the NHS homeopathic hospitals. Homeopathy 2008; 97:114.

[13] Thompson EA, Reilly D. The homeopathic approach to the treatment of symptoms of oestrogen withdrawal in breast cancer patients. A prospective observational study. Homeopathy 2003; 92:131.

[14] Strada EA, Russel KP. Psychological, rehabilitative, and integrative therapies for cancer pain. Abraham J, ed. UpToDate. Savarese, DMF: UpToDate Inc. http://www.uptodate.com [Internet: https://www.uptodate.com/contents/psychological-rehabilitative-and-integrative-therapies-for-cancer-pain?topicRef=14248&source=see_link#H44713537, zitiert am 12. September 2018]

[15] Frass M, Friehs H, Thallinger C, Sohal NK, Marosi C, Muchitsch I, Gaertner K, Gleiss A, Schuster E, Oberbaum M. Influence of adjunctive classical homeopathy on global health status and subjective wellbeing in cancer patients -a pragmatic randomized controlled trial. Complement Ther Med. 2015;23(3):309-317.

[16] Thompson E, Montgomery A, Douglas D, Reilly D. A Pilot, Randomized, Double-Blinded, Placebo-Controlled Trial of Individualized Homeopathy for Symptoms of Estrogen Withdrawal in Breast-Cancer Survivors. J Altern Complement Med. 2005;11(1):13-20.

[17] Balzarini A, Felisi E, Martini A, De Conno F. Efficacy of homeopathic treatment of skin reactions during radiotherapy for breast cancer: a randomised, double-blind clinical trial. Br Homeopath J. 2000;89:8-12.

[18] Schlappack O. Homeopathic treatment of radiation-induced itching in breast cancer patients. A prospective observational study. Homeopathy 2004; 93:210.

[19] Magi T, Kuehni CE, Torchetti L, Wengenroth L, Lüer S, Frei-Erb M. Use of Complementary and Alternative Medicine in Children with Cancer: A Study at a Swiss University Hospital. PLoS One. 2015 Dec 22;10(12):e0145787. doi: 10.1371/journal.pone.0145787. eCollection 2015.

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Die Deutschen wollen Homöopathie

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Ergebnisse einer repräsentativen Befragung

Harald Walach

Die Deutsche Homöopathie Union ist Deutschlands größter Hersteller homöopathischer Arzneimittel. Sie hat eine repräsentative Umfrage durchführen lassen, die die Einstellungen und Erfahrungen der Deutschen zur Homöopathie erfassen sollte. Klugerweise wurde eine Firma beauftragt, die solche Studien professionel in ihrem Portfolio hat. Die Firma Kantar TNS beschreibt sich so: Sie sei „eines der renommiertesten Institute für Marktforschung sowie Politik- und Sozialforschung in Deutschland. … In der politik- und sozial­wissenschaftlichen Forschung haben wir mit Großprojekten zur sozialen Sicherheit und öffentlichen Gesundheit immer wieder Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Besonders in der Bildungs- und Arbeits­marktforschung, in der Familien- und Seniorenforschung oder in der Gesundheits­vorsorge.” Profis also.

Diese Profis haben nun eine repräsentative Befragung der Deutschen durchgeführt und 1050 Deutsche im Alter zwischen 16 und 64 Jahren befragt. Die Pressemeldung und die Kurzdarstellung der Befunde gibt es hier:

PressemeldungGrafiken

Kurz gefasst zeigen die Daten, was wir seit den ersten Allensbach-Befragungen aus den 60er Jahren wissen: Die Deutschen mögen ihre Homöopathie, sie haben gute Erfahrungen damit und befürworten ein friedliches Nebeneinander von konventioneller und komplementärer Medizin in der Allgemein-versorgung und Forschung. Ganz kurz: Die Bürger sind weniger leicht ins Bockshorn zu jagen als man denkt. Gottseidank, könnte man dazusagen, in Zeiten von Fake-News, Social-Media Propaganda und was es sonst so alles an Verballhornungen gibt.

75% der Befragten befürworten nämlich das Miteinander von Schulmedizin und komplementärer Medizin wie Homöopathie und Naturheilverfahren. Das kommt nicht von ungefähr. Denn 56% haben Erfahrung mit homöopathischen Arzneimitteln aus eigener Hand, meistens bei Erkältungskrank-heiten. 80% wollen mitentscheiden, welche Arzneimittel in ihrem Fall verwendet werden, und 60% wollen in der Apotheke wählen können, wollen, dass ihr Hausarzt zwischen diesen Möglichkeiten auswählen kann und dass die Kasse dies erstattet. 72% lehnen ein Verbot von Medikamenten der Homöopathie und Naturheilkunde ab.

Es wäre nun schön, wenn diese Befragung zur Gänze publiziert wird, idealerweise in einer peer-reviewten Zeitschrift.

Die Daten zeigen aus meiner Sicht: Menschen machen ihre Erfahrungen mit und im Gesundheitssytem. Wer seine Kinder zum xten Mal mit einer kurzfristig wirksamen Antibiotikabehandlung bei Ohrenentzündung behandelt sieht und erlebt wie jeder Rückfall schneller kommt und anschließend durch eine homöopathische Kur Ruhe einkehrt, der hat eben seine Erfahrung gemacht. Dem ist es anschließend egal, ob ihm hundert Skeptiker klarmachen wollen, das sei nur ein Placebo-Effekt gewesen, wohingegen Antibiotika wirklich gegen Erreger wirken. Tun sie auch; das Problem ist aber, dass sie noch verschiedene andere Wirkungen haben, die wir nicht wollen, z.B. dass sie das Mikrobiom angreifen, unsere schützende und nährende Schicht aus Darmbakterien; dass sie Resistenzen fördern; und dass sie langfristig die Abwehrkraft eben nicht stabilisieren.

Dies zeigt aus meiner Sicht: es gibt disparate Welten. Die Welt der klinischen Forschung, die sich allzusehr, technisch gesprochen, auf interne Validität verlegt, also die methodische Gültigkeit der Ergebnisse, aber sich wenig um die externe Validität kümmert, also die Brauchbarkeit der Ergebnisse. Das habe ich verschiedentlich diskutiert [1-3]. Dies führt dazu, dass wir viel gültiges Wissen über in der Praxis wenig brauchbare Praktiken haben und dass in der Praxis hilfreiche Dinge entweder nicht oder schlecht beforscht sind oder so, dass die Ergebnisse nicht für die Praxis relevant sind.

Jetzt wurde die Welt der Bürger sichtbar, wie sie sich in ihrer persönlichen Erfahrung darstellen. Wer dazu beitragen will, kann sich beteiligen. Unter #MachAuchDuMit kann sich jeder mit seinen eigenen Geschichten in den sozialen Medien melden oder seine Geschichte an die DHU direkt schicken (dhu@homoeopathie-natuerlich.de). Ich gehe davon aus, dass auch die Geschichten über die vielen schrecklichen Fehlgriffe homöopathischer Ärzte und Praktiker dort ebenso Platz haben, liebe Skeptiker, wie die Heilungsgeschichten. Dann wird sich ja zeigen, welche Wahrnehmungsverzerrung die grössere ist.

[1] Walach, H., Falkenberg, T., Fonnebo, V., Lewith, G., & Jonas, W. (2006). Circular instead of hierarchical – Methodological principles for the evaluation of complex interventions. BMC Medical Research Methodology, 6(29). https://bmcmedresmethodol.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-2288-6-29

[2] Walach, H., & Loef, M. (2015). Using a matrix-analytical approach to synthesizing evidence solved incompatibility problem in the hierarchy of evidence. Journal of Clinical Epidemiology, 68, 1251-1260. https://www.jclinepi.com/article/S0895-4356(15)00321-2/abstract

[3] Klement, R. J., Bandyopadhyay, P. S., Champ, C. E., & Walach, H. (2018). Application of Bayesian evidence synthesis to modelling the effect of ketogenic therapy on survival of high grade glioma patients. Theoretical Biology and Medical Modelling, 15(12). https://tbiomed.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12976-018-0084-y

 

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Alles Zufall?

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Die Nachfrage nach Homöopathie und diverse Anti-Homöopathie-Aktionen

Harald Walach

Im Jahr 2015 erschien ein Marktforschungsbericht der Firma „Transparency Market Research“ in den USA. Der sagt einen Anstieg des Marktvolumens von knapp 400 Millionen USD im Jahr 2014 auf 17 Milliarden USD weltweit 10 Jahre später im Jahre 2024 voraus. Das scheint aus heutiger Perspektive mächtig überzogen. Könnte es sein, dass der Bericht manchen Strategen zu denken gegeben hat? Könnte es sein, dass wir die ab den Jahren 2014/15 in Deutschland und davor schon anderswo laufenden Kampagnen gegen die Komplementärmedizin im allgemeinen und gegen die Homöopathie im speziellen auf diesem Hintergrund betrachten sollten? Wer so etwas sagt, wird rasch einmal als „Verschwörungstheoretiker“ tituliert. Damit wird dann das endgültige Denk- und Redeverbot besiegelt. Aber vielleicht lohnt es sich, nachzudenken? Oder wahrscheinlicher: Es ist alles Zufall?

Vor Kurzem veröffentlichte die Webseite des European Committee on Homeopathy (ECH) (homeopathyeurope.org/global-demand-homeopathy-forecast-surge) eine Notiz über einen Marktforschungsbericht, der von der US Firma „Transparency Market Research“ stammt. Man kann sich ein Sample frei bestellen (www.transparencymarketresearch.com/sample/sample.php?flag=S&rep_id=16460), das die Kernaussagen des Berichts ohne die zentralen Zahlen enthält. Wenn man ihn bestellen will, erhält man eine freundliche Email folgenden Inhalts:

Thank you for showing the interest in our research report titled “Homeopathy Product Market (Product Type – Tincture, Dilutions, Biochemics, Ointments, and Tablets; Application – Analgesic and Antipyretic, Respiratory, Neurology, Immunology, Gastroenterology, and Dermatology; Source – Plants, Animals, and Minerals) – Global Industry Analysis, Size, Share, Growth, Trends, and Forecast 2016 – 2024.

Please find the attached sample pages of the report for your perusal. The listed price of the report is US$ 5795. However, as a first time business engagement we would be glad to reserve a flat discounted price of US$2500.

Auf gut Deutsch: Das ist ein richtig teurer (und vermutlich auch solid gemachter) Bericht mit einer Marktvorhersage aufgrund gegenwärtiger Daten und vergangener Trends. Da ich die Kleinigkeit von 2.500 USD nicht frei zur Verfügung habe, konnte ich mir die Details nicht ansehen. Aber so viel habe ich aus den zur Verfügung gestellten Beispielseiten und der Webseite des ECH entnommen: Der Bericht sagt einen weltweiten Anstieg des Marktanteils der Homöopathie von knapp 400 Millionen USD 2014 auf 17 Milliarden in 10 Jahren, also 2024 vorher, einen Anstieg um das Vierzigfache also. Dieser Anstieg sei getrieben durch die Nachfrage in den Kernländern Europas (wo ja auch einige der wichtigsten Hersteller ihre Basis haben und die traditionelle Kenntnis und Publikumsinteresse groß sind), aber würde vor allem durch Nachfrage in anderen Ländern, Asien, Südamerika vorangebracht werden.

Umsatzsteigerung um das Vierzigfache?

Einmal kurz innehalten und durchatmen: Anstieg der Wirtschaftsleistung (und damit des Umsatzes und des Reingewinnes) um den Faktor 41,5 oder 4.150%? Kann mir jemand einen Wirtschaftszweig nennen, außer der Hunger- und Kriegshilfe, für den das realistisch erscheint? Ja, gut möglich, dass auch dieser Bericht falsch ist. Aber wichtig sind ja nicht die Fakten, wie wir seit Trumps Tweets wissen, sondern was die Nachrichten darüber auslösen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es sich eine US Marktforschungsfirma leisten kann, für einen vierstelligen Betrag einen Bericht zu verhökern, der nicht auf solider Basis steht. Die vergangenen Daten liegen ja vor; Modelle zur Vorausberechnung gibt es mittlerweile auch. Wie pflegte Orwell zu sagen? Wer die Gegenwart und die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert auch die Zukunft. Der Punkt ist: die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern, außer in einer systemischen Psychotherapie, wo es noch nie zu spät war für eine glückliche Kindheit. Aber die Voraussage der Zukunft ist notorisch fehlerbehaftet.

Wenn man jüngsten wissenschaftlichen Daten glauben darf, dann ist die Nachfrage nach Naturheilkunde zwar nicht zurückgegangen, hat aber auf jeden Fall ein Plateau erreicht. Neulich habe ich mich mit einer homöopathischen Ärztin unterhalten, die mir sagte, sie hätten Schwierigkeiten, junge Kollegen für eine Weiterbildung zu gewinnen. Das Interesse an der Homöopathie flaue ab. Daten, die Klaus Linde und seine Gruppe vor kurzem publiziert haben, zeigen bereits einen abflachenden Trend [1]; allerdings zeigen bei einer Befragung von Medizinstudierenden (220 aus Homöopathiekursen an Kliniken) diese immer noch Interesse, weil sie der Meinung sind, der konventionellen Versorgung fehle es an ganzheitlicher Perspektive und weil sie persönlich gute Erfahrungen haben [2]. Unter der Hand hört man, dass manche sich doch besorgt zeigen, wegen der anhaltenden Kampagne gegen die Homöopathie, die vor allem auf der politischen Bühne (www.homöopathie-forschung.info/easac), aber auch im Internet und in den öffentlichen Medien ausgetragen wird. Da erhebt sich doch die Frage: Könnte es sein, dass diese beiden Themenblöcke miteinander zu tun haben? Könnte es sein, dass die Kampagne befeuert wurde, gerade weil der Homöopathie von Wirtschaftsforschungskreisen ein drastischer Zuwachs an Marktanteilen vorausgesagt wurde? (Wir wollen allerdings auf dem Boden bleiben: selbst wenn das stimmen würde, wäre der Gesamtanteil sicher nicht grösser als vielleicht 1-2%, aber immerhin.)

Meine Erfahrungen in England

Das wird nicht nachweisbar und auch nicht entscheidbar sein, aber einmal kritisch um die Ecke denken wird ja noch erlaubt sein, ohne dass man gleich zum Verschwörungstheoretiker avanciert, oder? Mich erinnert das an etwas, das ich erlebt habe, als ich 2005 für 5 Jahre nach England ging. Damals war in Deutschland noch allgemeine öffentliche Freude über die Forschung und die Daten zur Komplementärmedizin die Regel. Ich erinnere: Die Erprobungsverfahren der kleinen Krankenkassen waren abgeschlossen – wir haben das Verfahren der IKK evaluiert und festgestellt, dass Homöopathie und Akupunktur in der niedergelassenen Praxis bei Patienten, die mit chronischen Belastungen kamen, durchaus respektable Effekte erzeugt [3]. Die Erprobungsverfahren der großen Kassen waren gerade angelaufen, die am Ende zur Integration der Akupunktur in die Regelversorgung führten. Damals erzeugten deutsche Arbeitsgruppen aufgrund der Erprobungsverfahren die größten Datensätze, die in der Akupunkturforschung jemals erzeugt wurden, so dass eine große Meta-Analyse zweifelsfrei zeigen konnte, dass Akupunktur besser wirkt, als ein Placebo und auf jeden Fall besser ist als Nichtstun und meistens sogar besser als Standardtherapie [4]. Damit war die Akupunktur aus der Schmuddelecke herausgetreten.

In dieser Zeit also, als in Deutschland die Komplementärmedizin und ihre Beforschung en vogue war, öffentlich beachtet und belobigt wurde, ging ich nach England. Und was stellte ich fest? Hier war eine heftige Kampagne gegen die Komplementärmedizin im Gange, die mich sehr verwunderte, war doch England das Land, in dem es viele Studiengänge und einige Universitätsabteilungen dazu gab, wo die Königin sich immer noch einen homöopathischen Leibarzt hält, wo es – damals – drei homöopathische Krankenhäuser gab, usw. Ich fasse meine damaligen Einsichten und Erfahrungen knapp zusammen, die ich auch ausführlicher beschrieben habe [5; dort auch ausführlichere Daten und Belege]:

Das Muster

Das Muster, das ich beobachtet habe, war folgendes. Es tauchte eine für die konventionelle Behandlung ungünstige Meldung in der Presse auf. Es dauerte keine Woche, meistens vergingen ca. 3-5 Tage, dann kamen, ebenfalls in der Presse, meistens etwas prominenter, Kritiker der Komplementärmedizin zu Wort, die auf Seite 2, 3 oder 4 ausführlich darüber schrieben, wie unwissenschaftlich Komplementärmedizin, Homöopathie zumal, sei. Oder dass Universitäten doch bitteschön nicht dermaßen unwissenschaftliches Zeug wie Akupunktur und manuelle Therapie unterrichten sollten, von Homöopathie ganz zu schweigen. Die Reihenfolge war in etwa: Zwei in unmittelbarer Nachbarschaft erscheinende Meta-Analysen zerlegten den Mythos von der Wirksamkeit der Antidepressiva; kurz darauf die ersten Meldungen über Unwirksamkeit der Komplementärmedizin. Das englische NICE (damals National Institute for Clinical Excellence, eine Art unabhängiger Health Technology Assessment Behörde, an dessen Beispiel entlang das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG in Deutschland entwickelt wurde) gab eine neue Richtlinie zur Rückenschmerzbehandlung heraus. Darin stand: Bei chronischen Rückenschmerzen bitte keine Medikamente und keine Routine-Röntgenuntersuchungen oder Bildgebungen sondern (in dieser Reihenfolge): Bewegung, Manipulation, Akupunktur, Massage (all das wurde damals und wird von manchen aus dem universitären Bereich noch heute als „Komplementärmedizin“ gehandelt). Ein paar Tage später folgte eine Aktion der englischen Skeptikercommunity, in der Universitäten zur Herausgabe ihrer Validierungsakten zu Komplementärmedizin-Studiengängen aufgefordert wurden (auf nicht autorisierten Briefköpfen des National Health Service, wie mir ein Freund und Kollege erzählte). NICE entschied, neue Antidemenzmedikamente nicht zuzulassen; ein vernünftiger Schritt, wie sich herausstellte, da die Medikamente viel kosten, wenig wirken und starke Nebenwirkungen haben. Ein neuer Aufschrei in der Presse: Den armen Patienten würden wirksame Substanzen vorenthalten, aber die Quacksalberkügelchen würden nicht verboten, usw.

Ich könnte die Beispiele weiterführen. Aber diese mögen genügen um zu zeigen: Wenn ich nicht ganz blind bin, dann gibt es einen deutlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen schlechten Nachrichten für Big Pharma und konventionelle Behandlungsmodalitäten und dem Beginn von öffentlichen Kampagnen gegen die Komplementärmedizin als Ganzes oder Teile wie Homöopathie, Akupunktur oder Manuelle Therapie. Alles Zufall? Klar. Was sonst. Alles andere wäre Verschwörungstheorie. Das tun nur Verrückte und solche, die Zusammenhänge überbewerten. Kann man ja in jeder Analyse der diversen Skepitkervereine weltweit nachlesen.

Also: bitte nicht überbewerten. 2014 sagt ein renommiertes Marktforschungsinstitut den Anstieg des Marktanteils von Homöopathika um 4.150% in 10 Jahren weltweit voraus. Ca. um die gleiche Zeit beginnt zufällig eine Kampagne gegen die Homöopathie. Kurz danach schließen sich internationale skeptische Wissenschaftler, die rein zufällig viel Förderung von der pharmazeutischen Industrie kriegen, zusammen und kommen mal so ganz nebenbei auf die Idee, man müsse die Homöopathie im öffentlichem Rahmen abkanzeln, einfach im Dienst der Erkenntnis, was sonst. Und ebenfalls rein zufällig startet in Deutschland eine Kampagne gegen die Homöopathie. Und ganz zufällig folgt das Muster einem ebenfalls zufälligen Muster, das man die letzten 7 oder so Jahre in England und im Übrigen auch in den USA beobachten konnte.

Aber bitte, es ist wirklich alles, alles Zufall auf der Welt. Auch die Entstehung der Welt. Auch das Werden und Vergehen von großen und kleinen und mittelkleinen Koalitionen, Pharmafirmen und anderen Interessensgruppen, von Skeptikerbewegungen und natürlich auch von Informationsplattformen zur Homöopathie. Willkommen in der postmodernen Zeit der reinen Zufälligkeit und Beliebigkeit. Das einzige was nicht beliebig scheint, und das macht sie wahrscheinlich zum Ziel des Zorns, ist die Homöopathie. Denn da darf man seine Kügelchen nicht zufällig auswählen, sondern muss sich an die Regeln halten. Sonst funktioniert sie nicht. Aber wenn sie funktioniert, dann ist es eben wieder reiner Zufall oder Sinnestäuschung. Auch gut.

Literatur

[1] Linde, K., Alscher, A., Friedrichs, C., Joos, S., & Schneider, A. (2014). Die Verwendung von Naturheilverfahren, komplementären und alternativen Therapien in Deutschland – eine systematische Übersicht bundesweiter Erhebungen. Forschende Komplementärmedizin, 21, 111-118. https://www.karger.com/Article/Abstract/360917

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