Replizierbarkeit – das ewige Totschlagargument…

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…gegen die Homöopathie und andere unliebsame Dinge

Mangelnde Replizierbarkeit ist ja immer eines der Hauptargumente gegen die Datenbasis der Homöopathie. Dass mangelnde Replizierbarkeit nicht nur ein Problem der Homöopathie im Speziellen, sondern auch der Medizin und der Psychologie im Allgemeinen ist, ist mittlerweile bekannt.

Was weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass selbst extrem gut replizierte experimentelle Modelle oft nicht akzeptiert werden, wenn ein theoretisches Verständnis fehlt oder wenn mächtige Fachvertreter dagegen stehen. Das mache ich in einem gerade erschienenen Editorial an einem prominenten Beispiel deutlich.

Der Text, publiziert in der neuesten Ausgabe von Complementary Medicine Research, ist frei verfügbar und hier zugänglich:

Replizierbarkeit – das ewige Totschlagargument gegen die Homöopathie und andere unliebsame Dinge

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Von Spanischer Grippe bis Covid-19 – die Homöopathie bei Pandemien

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Vor rund 100 Jahren wütete mit der Spanischen Grippe die bislang verheerendste Pandemie in der Geschichte der Menschheit. Die Grippepandemie begann im Frühjahr 1918, am Ende des Ersten Weltkriegs, und trat in vielen Regionen der Welt in drei Wellen auf. Das Grippevirus wurde erst im Jahr 1933 entdeckt. Da die Erregerfrage ungeklärt blieb, war die konventionelle Therapie vor allem symptomatisch und polypragmatisch.

In einem Interview mit dem Berlin Brandenburger Verein homöopathischer Ärzte (BVhÄ) erläutert Dr. med. Stefanie Jahn, Fachärztin für Anästhesiologie, Notfallmedizin, Palliativmedizin, Spezielle Schmerztherapie, Homöopathie und Naturheilverfahren, die Rolle der Homöopathie während der Spanischen Grippe in Deutschland und der Welt und schlägt in dem Gespräch den Bogen bis in die heutigen Corona-Tage.

Stefanie Jahn, sie arbeitet in einem Berliner Krankenhaus und in einer Hamburger Praxis, sagt, dass die Daten darauf hinwiesen, dass je früher mit einer homöopathischen Behandlung bei der Spanischen Grippe begonnen wurde, sie umso erfolgreicher gewesen sei. Doch sie stellt auch unmissverständlich dar, dass einige heroische Zahlen sicherlich ein Mythos seien: Sie würden immer wieder kolportiert, liessen sich aber bei genauerer Betrachtung nicht halten. Stefanie Jahn warnt daher im Interview vor einer kritiklosen und undifferenzierten Wiedergabe der zeitgenössischen Berichte und Erfolgsmeldungen über homöopathische Behandlungen während der Spanischen Grippe.

„Fakt ist, dass in vielen Ländern der Welt, auch in der aktuellen Situation, Homöopathie angewendet wird.“ Stefanie Jahn wünscht sich von ihren Kolleginnen und Kollegen eine aufgeschlossene Auseinandersetzung und eine ehrliche Evaluation. „Die Homöopathenschaft sollte – trotz Schwierigkeiten und Gegenwind – Daten generieren, auswerten und hierfür Kriterien entwickeln“, sagt sie. Es gelte zu analysieren, ob, wann und in welcher Form Homöopathie einen Nutzen erbringt. In der jetzigen Situation mit Covid-19 seien die Erfahrungen der Homöopathen während der Spanischen Grippe und die sich daraus ergebenen Problemstellungen zu berücksichtigen, aber nicht ohne weiteres übertragbar.

Das gesamte, ausführliche Interview mit Dr. Stefanie Jahn lesen Sie hier.

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Stannum D30 lässt sich von Placebo reproduzierbar unterscheiden

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Eine Replikationsstudie von Baumgartner und Kollegen

Doesburg, P., Andersen, J. O., Scherr, C., & Baumgartner, S. (2019). Empirical investigation of preparations produced according to the European Pharmacopoeia monograph 1038. European Journal of Pharmaceutical Sciences, 137, 104987. doi:https://doi.org/10.1016/j.ejps.2019.104987

Homöopathisches Stannum D30 (Zinn) lässt sich von Placebo in einem Kristallisationsversuch reproduzierbar unterscheiden

Harald Walach

Vorbemerkung

Klinische Homöopathieforschung kann zeigen, wie homöopathische Arzneien im Krankheitsfall eingesetzt werden können. Aber anhand klinischer Forschung zu belegen, dass homöopathische Substanzen anders wirken als Placebo, ist aufwändig und kostspielig. Denn klinische Studien am Menschen sind naturgemäß komplex und teuer. Daher ist die Grundlagenforschung ein wichtiges Instrument. Hier wachsen meistens Pflanzen, manchmal auch Tiere unter kontrollierten Bedingungen heran und erhalten Wasser mit homöopathischen Substanzen in potenzierter Form oder einfaches Wasser.

Als Christian Endler vor einer Weile einen systematischen Review zu diesem Thema publizierte, fand er 126 Studien, von denen 98 Replikationen von bereits vorliegenden Modellen waren. 70% von diesen berichteten über replizierte Effekte, 20% der Studien konnten die Effekte nicht replizieren und berichteten über einen Null-Effekt und etwas weniger als 10% berichteten über einen gegenteiligen Effekt [1]. Das ist gar keine schlechte Ausbeute, finde ich, angesichts der Tatsache, dass eine große Konsortiumsreplikation von 100 klassischen psychologischen Studienmodellen in weniger als 50% der Fälle die originalen Daten replizieren konnte [2] und die Reklamationen über die Schwierigkeiten bei der Replizierbarkeit konventionell medizinischer Studienergebnisse schon zum guten Ton gehören [3, 4].

Allgemeine Replizierbarkeitskrise

Wir haben eine allgemeine Replizierbarkeitskrise in der Forschung, vor allem in der medizinischen und psychologischen Forschung – und vermutlich, wenn man genau hinschaut, auch anderswo. Daher ist die oft geäußerte Kritik, homöopathische Daten seien nur schwer replizierbar zunächst ein Allgemeinplatz, weil er für praktisch alle wissenschaftliche Befunde gilt – und auf den zweiten Blick eigentlich sogar eher falsch, als richtig.

Die Studie

Das zeigt nun die hier vorgestellte Studie aus der Arbeitsgruppe von Stephan Baumgartner, der mit Kollegen aus Holland und Dänemark seine eigene frühere Studie unter erschwerten Bedingungen repliziert hat, um damit ein sogenanntes „Fingerprintverfahren“ zu erzeugen.

Fingerprintverfahren

Darunter versteht man ein Verfahren, mit dem man klare physikalische oder chemische Signale vom Hintergrundrauschen trennen kann, um, etwa in einem pharmazeutischen Herstellungsprozess, sicher zu sein, dass man die richtige Ausgangssubstanz hat. Normalerweise verwendet man dafür spektralanalytische Verfahren, die etwa in einem Vielstoffgemisch in der Phytotherapie durch spezifische Absorptionsspektren ganz bestimmte Spitzen zeigen, die für einen Ausgangsstoff typisch sind.

Kristallisationsverfahren

Da in homöopathisch-potenzierten Substanzen keine Ausgangsmoleküle mehr vorhanden sind, muss man sich etwas anderes einfallen lassen. Baumgartner und Kollegen haben dafür ein sogenanntes Kristallisationsverfahren verwendet. Bei diesem Verfahren wird einer bestimmten chemischen Lösung, hier einer wässrigen Kupferchlorid-Lösung (CuCl2 2H2O), eine Substanz zugeführt. Der Lösung wird dann durch kontrolliertes Verdampfen Wasser entzogen und die Kupferchlorid-Kristalle kristallieren in einer bestimmten Form aus (siehe Abbildung). Je nachdem welche Substanz der Lösung zugegeben worden ist, sieht das Kristallisationsmuster anders aus. Das ist also ein gestaltbildendes Verfahren, bei dem die Kristallisationsgestalt als Indikator für das Vorhandensein einer physiko-chemischen Struktur verwendet werden kann, so ähnlich wie bei einer Spektralanalyse die Absorptionsspitzen.

Das Interessante an dieser Studie sind drei Dinge:

  1. Dies ist eine multizentrische Replikation einer früheren Studie, die positive Ergebnisse erbracht hat.
  2. Die Bildanalyse der Kristallisationsbilder erfolgte computerisiert und vollautomatisch; vor der Analyse wurden die entsprechenden Parameter und die interessierenden Bereiche der Bilder entsprechend der Befunde der Vorgängerstudie definiert.
  3. Es wurden sog. systematische negative Kontrollversuche durchgeführt.

Systematisch-negative Kontrollen

Systematisch-negative Kontrollen werden in der konventionellen Forschung sehr selten durchgeführt. Gefordert und meines Wissens als Erster eingesetzt hat sie seinerzeit Jan Walleczek in Stanford bei seinen Versuchen zum Einfluss elektromagnetischer Strahlung auf Krebs- und andere Zellen [5]. Vor kurzem hat er damit gezeigt, dass die Versuche von Dean Radin zur intentionalen Kontrolle von Lichtstrahlung in einem Doppelspaltexperiment zu instabil sind, als dass sie als echter Effekt gewertet werden können [6]. Das ist wichtig, denn es zeigt, dass man mit einem solchen Verfahren die Variabilität des Testsystems kalibrieren kann.

Dabei werden die Versuche so durchgeführt, als würde man echte machen- alle Prozeduren werden in echt durchgeführt: Vorbereitung, Messung, etc. und zwar in der gleichen Zahl – ausser dass keine experimentellen Interventionen durchgeführt werden. Man lässt sozusagen das experimentelle System leer laufen und stellt fest, wie variabel es ist. Damit kann man Schein-Einflüsse abpuffern, z.B. Variationen des Erdmagnetfeldes, die wechselnden elektromagnetischen Felder einer Klima- oder Heizungsanlage im Haus, den Faktor der menschlichen Strahlung, wenn sich jemand einem System nähert, die Konstellation der Sterne usw. usf.. Solche systematisch-negativen Kontrollen wurden also hier, wie auch sonst in Stephan Baumgartners Versuchen, durchgeführt und der Effekt gegen diese Kontrollen geprüft.

Das Testsystem

Als Testsystem wurden Kressesamen verwendet, die sorgfältig ausgesucht und auf Keimfähigkeit hin geprüft worden waren. Diese wuchsen mit einer Wasserlösung, die mit homöopathischem Zinn (Stannum) D30 imprägniert war, also in einer ultramolekularen Verdünnung in Mehrglasmethode, bei der kein Molekül mehr zu erwarten ist, oder aber in einer Kontrollösung, die mit der gleichen Ausgangssubstanz* hergestellt wurde und ebenfalls zur D30 potenziert wurde.

* Milchzucker, verrieben zur D3 und dann potenziert zur D30

Dahinter verbirgt sich die Idee, die in anderen Untersuchungen schon öfter geprüft wurde, dass die Zugabe einer homöopathischen Potenz eines Schwermetalls, in diesem Falle Zinn, das Wachstum einer Pflanze wahrnehmbar stört, manchmal auch fördert, je nach Potenz und Wachstumsphase, so dass der Effekt gegenüber einer Kontrolle sichtbar sein sollte. Anschließend wurden die Kressekeimlinge zerkleinert und die homogenisierte Masse in einem definierten Anteil in die Kristallisationslösung in einzelne Petrischalen eingebracht. Nach der Verdunstung des überschüssigen Wassers ergab sich eine Kristallisationsform in jeder Schale, die dann mit automatisierter Bildanalyse vermessen wurde. Und zwar verblindet, ohne dass jemand wusste, ob die entsprechenden Keimlinge homöopathisch oder mit Kontrollsubstanz behandelt worden waren.

Wie so etwas aussieht, kann man an den publizierten Bildern aus [7] sehen. Das erste Bild zeigt ein Kristallisationsbild der blanken Kupferchloridlösung. Das zweite Bild ist unter Zugabe von Gerstenmehl und das dritte unter Zugabe zerkleinerter Kressekeimlinge entstanden.

Abbildung aus [7 https://www.hindawi.com/journals/ecam/2012/125945]: beispielhafte Kristallisationsmuster einer Kupferchlorid-Lösung nach Verdampfen ohne Zugabe von Stoffen (a), nach Zugabe von Gerstenmehl (b) und nach Zugabe von zerkleinerten Kressekeimlingen (c).

Ergebnis: In der Zusammenfassung deutlich signifikant

Es versteht sich von selbst, dass alle Schritte kodiert und verblindet waren, so dass bis zum Schluß nicht klar war, welche Keimlinge mit homöopathischer und welche mit Kontrolllösung gewachsen waren. Auch das nötige Aussortieren von nicht gekeimten oder verpilzten Keimlingen vor der Zerkleinerung erfolgte blind. Insgesamt wurden in jedem der beiden Labore 10 unabhängige experimentelle Reihen, also Stannum D30 gegen Kontrolle D30 durchgeführt, sowie 10 systematische negative Kontrollen.

Die statistische Analyse über alle Replikationen hinweg und gegen die systematisch-negativen Kontrollen wies einen der Parameter (das Mass der Asymmetrie durch alle Messringe hindurch) als signifikant aus, den zweiten (das Mass der diagonalen hell-dunkel Korrelation) als knapp nicht-signifikant. In der Zusammenfassung aller Daten, auch aus dem Vorgängerexperiment [7] war beides deutlich signifikant (p < 0.001).

Fazit: Spektakulär

Es sieht also so aus, als könnte man unter strikt verblindeten experimentellen Bedingungen mit einem objektiven Bildanalyseverfahren (bei dem das menschliche Auge durch statistische Erkennungsprozeduren ersetzt wird) die Kristallisationslösungen, die unter Zugabe von Pflanzen die mit homöopathisch zur D30 potenzierten Zinn gewachsen sind, von solchen Kristallisationslösungen unterscheiden, bei denen dem Wachstumswasser die Kontrollsubstanz zugesetzt wurde. Das halte ich für spektakulär.

Eine Kiste Champagner für….

Die Strenge dieses Versuches kann im Übrigen in der konventionellen Forschung ihresgleichen suchen. Wenn ich der Zentralverein homöopathischer Ärzte wäre, dann würde ich den Skeptikern 1.000 Euro Preisgeld versprechen, wenn sie einen analog streng kontrollierten Versuch mit systematisch negativer Kontrolle, der nicht von Jan Walleczek, dem Erfinder des Verfahrens stammt, aus der biologischen oder biochemischen oder pharmazeutischen Grundlagenforschung der letzten 10 Jahre anschleppen können. Dann würde ich ein Presseereignis daraus machen, wenn das innerhalb eines Vierteljahres nicht gelingt, worauf ich nun fast wieder eine Kiste Champagner wetten würde.

Harry Collins hat gezeigt, dass die publizierte Information praktisch nie ausreicht, um bei komplizierten Versuchen ausreichend viel Information zur Verfügung zu stellen, damit jemand eine Replikation durchführen kann [8]. Insofern wird nur eine komplett unabhängige Replikation, abschließend klären können, ob diese Daten wirklich und unabhängig replizierbar sind. Diese müsste von einem interessierten Labor durchgeführt werden, das sich vorher bei Stephan Baumgartner in einem Praktikum die Kompetenz geholt hat, wie solche Versuche gemacht werden.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg

Zwar ist schon dieser hier publizierte Versuch ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Denn die Forschung wurde in zwei voneinander unabhängigen Laboren gemacht. Die Variabilität der Daten über die Labore hinweg zeigt, dass es dort offenbar ziemlich viele Unterschiede gibt, was die Handhabung der Versuche angeht. Nun wäre es spannend zu sehen, ob ein komplett unabhängiges Labor, ohne Mitwirkung Stephan Baumgartners und seiner Equipe, die Daten replizieren könnte . Dennoch: Verglichen mit Versuchen aus der konventionellen pharmazeutischen Forschung oder der Grundlagenforschung, die häufig nicht einmal verblindet sind [9], sind diese Daten bereits extrem hart.

Aber Daten sind leider nur die eine Seite der Münze. Wenn es nach der ginge, wäre Homöopathie bereits harte Währung.

Referenzen

  1. Endler, P. C., Bellavite, P., Bonamin, L., Jäger, T., & Mazon, S. (2015). Replications of fundamental research models in ultra high dilutions 1994 and 2015 – update on a bibliometric study. Homeopathy, 104(4), 234-245. doi:https://doi.org/10.1016/j.homp.2015.10.003
  2. Open Science Collaboration. (2015). Estimating the reproducibility of psychological science. Science, 349(6251), aac4716. doi:10.1126/science.aac4716
  3. Ioannidis, J. P. A. (2005). Why most published research findings are false. PLoS Medicine, 2(8), e124.
  4. Horton, R. (2015). Offline: What is medicine’s 5 sigma? Lancet, 385, 1380. doi:10.1016/S0140-6736(15)60696-1
  5. Walleczek, J., Shiu, E. C., & Hahn, G. M. (1999). Increase in raditiation-induced HPRT gene mutation frequency after nonthermal exposure to nonionizing 60Hz electromagnetic fields. Radiation Research, 151, 489-497.
  6. Walleczek, J., & von Stillfried, N. (2019). False-Positive Effect in the Radin Double-Slit Experiment on Observer Consciousness as Determined With the Advanced Meta-Experimental Protocol. Frontiers in Psychology, 10(1891). doi:10.3389/fpsyg.2019.01891
  7. Baumgartner, S., Doesburg, P., Scherr, C., & Anderson, J.-O. (2012). Development of a biocrystallisation assay for examining effects of homeopathic preparations using cress seedlings. Evidence Based Complementary and Alternative Medicine, ID 125945. doi:10.1155/2012/125945
  8. Collins, H. (2007). Case Studies of Expertise and Experience. Studies in History and Philosophy of Science, 38(4 (Special Issue)).
  9. Sheldrake, R. (1998). Could experimenter effects occur in the physical and biological sciences? Skeptical Inquirer, 22(May/June), 57-58.
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Homöopathie bei prämenstruellem Syndrom

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Eine Replikationsstudie von Michal Yakir:

Yakir, M., Klein-Laansma, C. T., Kreitler, S., Brzezinski, A., Oberbaum, M., Vithoulkas, G. & Bentwich, Z. (2019). A Placebo-Controlled Double-Blind Randomized Trial with Individualized Homeopathic Treatment Using a Symptom Cluster Approach in Women with Premenstrual Syndrome. Homeopathy, 108(04), 256-269. doi: 10.1055/s-0039-1691834

Homöopathie bei prämenstruellem Syndrom – eine erfolgreiche, randomisierte, placebokontrollierte Replikationsstudie

Harald Walach

Vorbemerkung

Ich habe eine Wette verloren und freue mich zum ersten Mal darüber. Die gerade publizierte Replikationsstudie von Michal Yakir zeigt, dass sie ihre früheren Pilotdaten [1] wiederholen konnte. Ich hatte vor bald 20 Jahren gewettet, dass die Replikation nicht klappen würde und habe mich lange gewundert, warum ich nichts mehr von der Studie gehört habe.

Jetzt wurde das Geheimnis gelüftet: Die Arbeit war schon eine Weile fertig, als Doktorarbeit an der Hebrew University in Jerusalem, aber die Autorin hatte scheinbar keine Zeit oder keine Lust mehr, daraus eine Publikation zu machen. Das Problem kenne ich von meinen Doktoranden; dann setze ich mich selber hin und schreibe eine Publikation. Aber das war scheinbar der Betreuerin zu viel Arbeit, und so haben das nun andere, eine holländische Gruppe, nachgeholt. Dabei wurden die Daten nochmals analysiert und geprüft.

Die Studie

Die Autorin hat 105 Frauen mit prämenstruellem Syndrom behandelt und ein homöopathisches Interventionsmodell verwendet, von dem Vithoulkas sagt, er hätte es erfunden. Das es aber tatsächlich so schon länger in der Literatur gibt: Dabei werden Arzneien verwendet, die für ein bestimmtes Syndrom häufig in Erwägung gezogen werden. Deren hauptsächlichen Symptome werden beschrieben und vorab definiert. Und wenn dann eine Patientin kommt, die diesen Symptomclustern entspricht, wird sie in die Studie aufgenommen und erhält das indizierte Medikament.

So haben etwa Brigo und Whitmarsh gearbeitet [2, 3] oder Peter Fisher [4] und einige andere auch. Der Vorteil dieser Methode ist offensichtlich: Es ist klar definiert, wer welches Arzneimittel bekommt und warum; alle anderen werden eben nicht aufgenommen. Der Nachteil ist auch klar: Das ist eine Vereinfachung der klassisch-homöopathischen Methode, wenn auch eine vertretbare.

Während in der Pilotstudie nur 6 Arzneimittel definiert waren, waren es hier 14, damit mehr Frauen eingeschlossen werden konnten. Frauen, die an prämenstruellem Syndrom litten, führten über zwei Monatszyklen hinweg ein Tagebuch über ihre Beschwerden und erhielten dann, am 10. Tag ihrer nächsten Menstruationsperiode, ein einzelnes Arzneimittel in einer einzigen Potenzgabe von C200. Sonst nichts.

Placebo, doppelt verblindet

Oder eben Placebo, und das doppelt verblindet, versteht sich. Das ist elegant und sehr mutig, denn dann mischt sich nichts, es wird nichts anderes gemacht. Der weitere Verlauf wurde dann noch 3 Monate im Tagebuch aufgezeichnet und mit der Kontrollgruppe verglichen. Begleitmedikation war erlaubt und wurde neben der Suggestibilität aufgezeichnet.

Das Messen der Suggestibilität ist so eine Sache. Das haben wir selbst auch eine Weile probiert und sind davon abgekommen, weil es sich mit einem Fragebogen als zu problematisch herausgestellt hat. Die Autoren haben anscheinend ein hauseigenes Instrument verwendet, das nicht publiziert ist und ihre Daten zeigen keinen Zusammenhang zwischen Ergebnis und Suggestibilität.

Das prämenstruelle Syndrom bietet sich deswegen als Studienmodell an, weil es in diesem Feld praktisch keine brauchbare Therapie gibt und die Frauen, die darunter leiden, manchmal stark und über viele Jahre leiden.

Das Ergebnis

Das Ergebnis ist knapp, aber deutlich: Der Tagebuchwert ging in der Homöopathiegruppe von 0,443 auf 0,287 zurück und in der Placebogruppe von 0,426 auf 0,340. Die Verbesserung war in beiden Gruppen unterschiedlich stark und signifikant verschieden (Siehe Abbildung). Die Irrtumswahrscheinlichkeit des varianzanalytischen Tests lag mit p = 0.043 knapp unter der konventionellen Grenze und der Effekt ist mit einer Effektstärke von d = 0.17 eher klein und damit unter klinischen Gesichtspunkten nicht sehr bedeutsam. Aber der Punkt an dieser Studie ist ja vor allem ihr prinzipieller Charakter: dass mit einer einzigen Gabe einer passenden Hochpotenz von C200, nach dem Ähnlichkeitsgesetz verabreicht, eine statistisch deutlichere Verbesserung erzeugt werden konnte als mit einem Placebo.

Original-Abbildung 3 aus Yakir et al. (2019) Homeopathy, 108(04), 256-269. doi: 10.1055/s-0039-1691834 mit freundlicher Genehmigung des Thieme Verlags. Schwarze Rauten: Schmerz-Werte vor der Behandlung, graue Vierecke, Werte nach der Behandlung je Patient; links die Placebo-, rechts die Homöopathiegruppe; die eingekreisten Werte stellen die besonders deutlichen Verbesserungen dar

Die Studie war sehr sorgfältig betreut. Das sieht man daran, dass in der Homöopathiegruppe nur 6 Patientinnen und in der Placebogruppe nur 3 ausfielen, davon insgesamt 3 wegen Schwangerschaft. Die anderen kamen nicht wieder bzw. nahmen die Arznei erst gar nicht ein.

Die Auswertung

Die Auswertung berücksichtigte alle Patientinnen, aber es ist nicht ganz klar, ob auch diese ausgefallenen dabei waren. Meine Vermutung ist, dass dies nicht der Fall war. Das wäre aus meiner Sicht aber auch vertretbar, weil sie alle vor der ersten Datenerfassung ausfielen bzw. durch Schwangerschaft ein Ausschlusskriterium eintrat und daher der Ausschluss dieser Patientinnen protokollgemäß war. Alle anderen Daten wurden ausgewertet. Die Datengüte war offenbar hoch, denn 97,7% aller Tagebücher waren komplett. Die anderen wurden, , wie man das üblicherweise macht, interpoliert. Studientechnisch scheint mir die Studie daher sauber zu sein.

Man könnte bemerken, dass man vermutlich in der Praxis mit anderen Gaben, vielleicht auch mit Wiederholungen und individuell angepassten Arzneimittelpotenzen sowie dem Wechsel des Arzneimittels nach ein paar Wochen mehr klinischen Erfolg erreichen könnte. Aber all das war hier nicht Studienziel. Die erfolgreiche Replikation an sich ist von Bedeutung und der wissenschaftliche Nachweis, dass man mit einer einzigen Potenz C200, einigermassen sauber gewählt, mehr ausrichtet als mit einer Placebogabe.

Kein Zufall

Dass dies nicht nur ein Zufallsbefund ist, zeigen die anderen Parameter, die ebenfalls deutlich sind: Die Verwendung von Begleitmedikation ging in der Studiengruppe um 75% zurück, in der Placebogruppe um 36%, was ebenfalls ein signifikanter Unterschied ist. Die Anzahl der Krankschreibungstage ging in der Behandlungsgruppe um 91% zurück, während sie in der Placebogruppe um 9% stieg, ein offensichtlicher und statistisch signifikanter Unterschied.

Der Effekt ist also konsistent über verschiedene Parameter hinweg sichtbar und zeigt sich auch im Hauptzielkriterium signifikant. Wenn man sich die Verläufe anschaut, die in der Abbildung 3 der Originalpublikation abgebildet sind, dann sieht man: Der Effekt kommt vor allem deswegen zustande, weil in der Verumgruppe kaum Verschlimmerungen auftreten, aber einige sehr deutliche Besserungen.

Insgesamt haben viele Frauen gar nicht so starke Beschwerden, was den Studieneffekt verdünnt: denn es stellt einen sogenannten Boden-Effekt dar. Bei geringen Beschwerden, kann sich auch nicht wirklich viel verbessern. Bei denen, die stärkere Beschwerden hatten, ist der Effekt sehr deutlich sichtbar. Interessanterweise sieht man auch in der Placebogruppe viele Verbesserungen, aber zusätzlich eben auch stärkere Verschlechterungen. Was ich speziell interessant finde ist, dass homöopathische Verschlimmerungen auch bei 47% der Placebogruppe auftraten, im Vergleich zu 62% bei der Homöopathiegruppe.

Fazit

Insgesamt ist dies also eine deutliche, statistisch-wissenschaftlich signifikante Studie, die zeigt, dass gut gewählte homöopathische Arzneien in einer Potenz C200 anders und besser wirken als Placebo. Sie ist von Bedeutung, weil sie die Wiederholung einer erfolgreichen Pilotstudie darstellt. Methodisch gibt es, finde ich, an dieser Studie wenig auszusetzen, außer, dass die Hauptautorin zu lange damit gewartet hat, diese Daten zu publizieren. Das ist schade, denn sonst wären sie in die verschiedenen Meta-Analysen eingegangen.

Referenzen

  1. Yakir, M., Kreitler, S., Brzezinski, A., Vithoulkas, G., Oberbaum, M., & Bentwich, Z. (2001). Effects of homeopathic treatment in women with premenstrual syndrome: a pilot study. British Homeopathic Journal, 90, 48-153.
  2. Brigo, B., & Serpelloni, G. (1987). Le traitement homéopathique de la migraine: une étude de 60 cas, controlée en double aveugle (remède homéopathique vs. placebo). Journal of the Liga Medicorum Homoeopatica Internationalis, 1, 18-25.
  3. Whitmarsh, T. E., Coleston-Shields, D. M., & Steiner, T. J. (1997). Double-blind randomized placeo-controlled study of homoeopathic prophylaxis of migraine. Cephalalgia, 17, 600-604.
  4. Fisher, P., Greenwood, A., Huskisson, E. C., Turner, P., & Belon, P. (1989). Effect of homoeopathic treatment on fibrositis (primary fibromyalgia). British Medical Journal, 299, 365-366.

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