Stannum D30 lässt sich von Placebo reproduzierbar unterscheiden

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Eine Replikationsstudie von Baumgartner und Kollegen

Doesburg, P., Andersen, J. O., Scherr, C., & Baumgartner, S. (2019). Empirical investigation of preparations produced according to the European Pharmacopoeia monograph 1038. European Journal of Pharmaceutical Sciences, 137, 104987. doi:https://doi.org/10.1016/j.ejps.2019.104987

Homöopathisches Stannum D30 (Zinn) lässt sich von Placebo in einem Kristallisationsversuch reproduzierbar unterscheiden

Harald Walach

Vorbemerkung

Klinische Homöopathieforschung kann zeigen, wie homöopathische Arzneien im Krankheitsfall eingesetzt werden können. Aber anhand klinischer Forschung zu belegen, dass homöopathische Substanzen anders wirken als Placebo, ist aufwändig und kostspielig. Denn klinische Studien am Menschen sind naturgemäß komplex und teuer. Daher ist die Grundlagenforschung ein wichtiges Instrument. Hier wachsen meistens Pflanzen, manchmal auch Tiere unter kontrollierten Bedingungen heran und erhalten Wasser mit homöopathischen Substanzen in potenzierter Form oder einfaches Wasser.

Als Christian Endler vor einer Weile einen systematischen Review zu diesem Thema publizierte, fand er 126 Studien, von denen 98 Replikationen von bereits vorliegenden Modellen waren. 70% von diesen berichteten über replizierte Effekte, 20% der Studien konnten die Effekte nicht replizieren und berichteten über einen Null-Effekt und etwas weniger als 10% berichteten über einen gegenteiligen Effekt [1]. Das ist gar keine schlechte Ausbeute, finde ich, angesichts der Tatsache, dass eine große Konsortiumsreplikation von 100 klassischen psychologischen Studienmodellen in weniger als 50% der Fälle die originalen Daten replizieren konnte [2] und die Reklamationen über die Schwierigkeiten bei der Replizierbarkeit konventionell medizinischer Studienergebnisse schon zum guten Ton gehören [3, 4].

Allgemeine Replizierbarkeitskrise

Wir haben eine allgemeine Replizierbarkeitskrise in der Forschung, vor allem in der medizinischen und psychologischen Forschung – und vermutlich, wenn man genau hinschaut, auch anderswo. Daher ist die oft geäußerte Kritik, homöopathische Daten seien nur schwer replizierbar zunächst ein Allgemeinplatz, weil er für praktisch alle wissenschaftliche Befunde gilt – und auf den zweiten Blick eigentlich sogar eher falsch, als richtig.

Die Studie

Das zeigt nun die hier vorgestellte Studie aus der Arbeitsgruppe von Stephan Baumgartner, der mit Kollegen aus Holland und Dänemark seine eigene frühere Studie unter erschwerten Bedingungen repliziert hat, um damit ein sogenanntes „Fingerprintverfahren“ zu erzeugen.

Fingerprintverfahren

Darunter versteht man ein Verfahren, mit dem man klare physikalische oder chemische Signale vom Hintergrundrauschen trennen kann, um, etwa in einem pharmazeutischen Herstellungsprozess, sicher zu sein, dass man die richtige Ausgangssubstanz hat. Normalerweise verwendet man dafür spektralanalytische Verfahren, die etwa in einem Vielstoffgemisch in der Phytotherapie durch spezifische Absorptionsspektren ganz bestimmte Spitzen zeigen, die für einen Ausgangsstoff typisch sind.

Kristallisationsverfahren

Da in homöopathisch-potenzierten Substanzen keine Ausgangsmoleküle mehr vorhanden sind, muss man sich etwas anderes einfallen lassen. Baumgartner und Kollegen haben dafür ein sogenanntes Kristallisationsverfahren verwendet. Bei diesem Verfahren wird einer bestimmten chemischen Lösung, hier einer wässrigen Kupferchlorid-Lösung (CuCl2 2H2O), eine Substanz zugeführt. Der Lösung wird dann durch kontrolliertes Verdampfen Wasser entzogen und die Kupferchlorid-Kristalle kristallieren in einer bestimmten Form aus (siehe Abbildung). Je nachdem welche Substanz der Lösung zugegeben worden ist, sieht das Kristallisationsmuster anders aus. Das ist also ein gestaltbildendes Verfahren, bei dem die Kristallisationsgestalt als Indikator für das Vorhandensein einer physiko-chemischen Struktur verwendet werden kann, so ähnlich wie bei einer Spektralanalyse die Absorptionsspitzen.

Das Interessante an dieser Studie sind drei Dinge:

  1. Dies ist eine multizentrische Replikation einer früheren Studie, die positive Ergebnisse erbracht hat.
  2. Die Bildanalyse der Kristallisationsbilder erfolgte computerisiert und vollautomatisch; vor der Analyse wurden die entsprechenden Parameter und die interessierenden Bereiche der Bilder entsprechend der Befunde der Vorgängerstudie definiert.
  3. Es wurden sog. systematische negative Kontrollversuche durchgeführt.

Systematisch-negative Kontrollen

Systematisch-negative Kontrollen werden in der konventionellen Forschung sehr selten durchgeführt. Gefordert und meines Wissens als Erster eingesetzt hat sie seinerzeit Jan Walleczek in Stanford bei seinen Versuchen zum Einfluss elektromagnetischer Strahlung auf Krebs- und andere Zellen [5]. Vor kurzem hat er damit gezeigt, dass die Versuche von Dean Radin zur intentionalen Kontrolle von Lichtstrahlung in einem Doppelspaltexperiment zu instabil sind, als dass sie als echter Effekt gewertet werden können [6]. Das ist wichtig, denn es zeigt, dass man mit einem solchen Verfahren die Variabilität des Testsystems kalibrieren kann.

Dabei werden die Versuche so durchgeführt, als würde man echte machen- alle Prozeduren werden in echt durchgeführt: Vorbereitung, Messung, etc. und zwar in der gleichen Zahl – ausser dass keine experimentellen Interventionen durchgeführt werden. Man lässt sozusagen das experimentelle System leer laufen und stellt fest, wie variabel es ist. Damit kann man Schein-Einflüsse abpuffern, z.B. Variationen des Erdmagnetfeldes, die wechselnden elektromagnetischen Felder einer Klima- oder Heizungsanlage im Haus, den Faktor der menschlichen Strahlung, wenn sich jemand einem System nähert, die Konstellation der Sterne usw. usf.. Solche systematisch-negativen Kontrollen wurden also hier, wie auch sonst in Stephan Baumgartners Versuchen, durchgeführt und der Effekt gegen diese Kontrollen geprüft.

Das Testsystem

Als Testsystem wurden Kressesamen verwendet, die sorgfältig ausgesucht und auf Keimfähigkeit hin geprüft worden waren. Diese wuchsen mit einer Wasserlösung, die mit homöopathischem Zinn (Stannum) D30 imprägniert war, also in einer ultramolekularen Verdünnung in Mehrglasmethode, bei der kein Molekül mehr zu erwarten ist, oder aber in einer Kontrollösung, die mit der gleichen Ausgangssubstanz* hergestellt wurde und ebenfalls zur D30 potenziert wurde.

* Milchzucker, verrieben zur D3 und dann potenziert zur D30

Dahinter verbirgt sich die Idee, die in anderen Untersuchungen schon öfter geprüft wurde, dass die Zugabe einer homöopathischen Potenz eines Schwermetalls, in diesem Falle Zinn, das Wachstum einer Pflanze wahrnehmbar stört, manchmal auch fördert, je nach Potenz und Wachstumsphase, so dass der Effekt gegenüber einer Kontrolle sichtbar sein sollte. Anschließend wurden die Kressekeimlinge zerkleinert und die homogenisierte Masse in einem definierten Anteil in die Kristallisationslösung in einzelne Petrischalen eingebracht. Nach der Verdunstung des überschüssigen Wassers ergab sich eine Kristallisationsform in jeder Schale, die dann mit automatisierter Bildanalyse vermessen wurde. Und zwar verblindet, ohne dass jemand wusste, ob die entsprechenden Keimlinge homöopathisch oder mit Kontrollsubstanz behandelt worden waren.

Wie so etwas aussieht, kann man an den publizierten Bildern aus [7] sehen. Das erste Bild zeigt ein Kristallisationsbild der blanken Kupferchloridlösung. Das zweite Bild ist unter Zugabe von Gerstenmehl und das dritte unter Zugabe zerkleinerter Kressekeimlinge entstanden.

Abbildung aus [7 https://www.hindawi.com/journals/ecam/2012/125945]: beispielhafte Kristallisationsmuster einer Kupferchlorid-Lösung nach Verdampfen ohne Zugabe von Stoffen (a), nach Zugabe von Gerstenmehl (b) und nach Zugabe von zerkleinerten Kressekeimlingen (c).

Ergebnis: In der Zusammenfassung deutlich signifikant

Es versteht sich von selbst, dass alle Schritte kodiert und verblindet waren, so dass bis zum Schluß nicht klar war, welche Keimlinge mit homöopathischer und welche mit Kontrolllösung gewachsen waren. Auch das nötige Aussortieren von nicht gekeimten oder verpilzten Keimlingen vor der Zerkleinerung erfolgte blind. Insgesamt wurden in jedem der beiden Labore 10 unabhängige experimentelle Reihen, also Stannum D30 gegen Kontrolle D30 durchgeführt, sowie 10 systematische negative Kontrollen.

Die statistische Analyse über alle Replikationen hinweg und gegen die systematisch-negativen Kontrollen wies einen der Parameter (das Mass der Asymmetrie durch alle Messringe hindurch) als signifikant aus, den zweiten (das Mass der diagonalen hell-dunkel Korrelation) als knapp nicht-signifikant. In der Zusammenfassung aller Daten, auch aus dem Vorgängerexperiment [7] war beides deutlich signifikant (p < 0.001).

Fazit: Spektakulär

Es sieht also so aus, als könnte man unter strikt verblindeten experimentellen Bedingungen mit einem objektiven Bildanalyseverfahren (bei dem das menschliche Auge durch statistische Erkennungsprozeduren ersetzt wird) die Kristallisationslösungen, die unter Zugabe von Pflanzen die mit homöopathisch zur D30 potenzierten Zinn gewachsen sind, von solchen Kristallisationslösungen unterscheiden, bei denen dem Wachstumswasser die Kontrollsubstanz zugesetzt wurde. Das halte ich für spektakulär.

Eine Kiste Champagner für….

Die Strenge dieses Versuches kann im Übrigen in der konventionellen Forschung ihresgleichen suchen. Wenn ich der Zentralverein homöopathischer Ärzte wäre, dann würde ich den Skeptikern 1.000 Euro Preisgeld versprechen, wenn sie einen analog streng kontrollierten Versuch mit systematisch negativer Kontrolle, der nicht von Jan Walleczek, dem Erfinder des Verfahrens stammt, aus der biologischen oder biochemischen oder pharmazeutischen Grundlagenforschung der letzten 10 Jahre anschleppen können. Dann würde ich ein Presseereignis daraus machen, wenn das innerhalb eines Vierteljahres nicht gelingt, worauf ich nun fast wieder eine Kiste Champagner wetten würde.

Harry Collins hat gezeigt, dass die publizierte Information praktisch nie ausreicht, um bei komplizierten Versuchen ausreichend viel Information zur Verfügung zu stellen, damit jemand eine Replikation durchführen kann [8]. Insofern wird nur eine komplett unabhängige Replikation, abschließend klären können, ob diese Daten wirklich und unabhängig replizierbar sind. Diese müsste von einem interessierten Labor durchgeführt werden, das sich vorher bei Stephan Baumgartner in einem Praktikum die Kompetenz geholt hat, wie solche Versuche gemacht werden.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg

Zwar ist schon dieser hier publizierte Versuch ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Denn die Forschung wurde in zwei voneinander unabhängigen Laboren gemacht. Die Variabilität der Daten über die Labore hinweg zeigt, dass es dort offenbar ziemlich viele Unterschiede gibt, was die Handhabung der Versuche angeht. Nun wäre es spannend zu sehen, ob ein komplett unabhängiges Labor, ohne Mitwirkung Stephan Baumgartners und seiner Equipe, die Daten replizieren könnte . Dennoch: Verglichen mit Versuchen aus der konventionellen pharmazeutischen Forschung oder der Grundlagenforschung, die häufig nicht einmal verblindet sind [9], sind diese Daten bereits extrem hart.

Aber Daten sind leider nur die eine Seite der Münze. Wenn es nach der ginge, wäre Homöopathie bereits harte Währung.

Referenzen

  1. Endler, P. C., Bellavite, P., Bonamin, L., Jäger, T., & Mazon, S. (2015). Replications of fundamental research models in ultra high dilutions 1994 and 2015 – update on a bibliometric study. Homeopathy, 104(4), 234-245. doi:https://doi.org/10.1016/j.homp.2015.10.003
  2. Open Science Collaboration. (2015). Estimating the reproducibility of psychological science. Science, 349(6251), aac4716. doi:10.1126/science.aac4716
  3. Ioannidis, J. P. A. (2005). Why most published research findings are false. PLoS Medicine, 2(8), e124.
  4. Horton, R. (2015). Offline: What is medicine’s 5 sigma? Lancet, 385, 1380. doi:10.1016/S0140-6736(15)60696-1
  5. Walleczek, J., Shiu, E. C., & Hahn, G. M. (1999). Increase in raditiation-induced HPRT gene mutation frequency after nonthermal exposure to nonionizing 60Hz electromagnetic fields. Radiation Research, 151, 489-497.
  6. Walleczek, J., & von Stillfried, N. (2019). False-Positive Effect in the Radin Double-Slit Experiment on Observer Consciousness as Determined With the Advanced Meta-Experimental Protocol. Frontiers in Psychology, 10(1891). doi:10.3389/fpsyg.2019.01891
  7. Baumgartner, S., Doesburg, P., Scherr, C., & Anderson, J.-O. (2012). Development of a biocrystallisation assay for examining effects of homeopathic preparations using cress seedlings. Evidence Based Complementary and Alternative Medicine, ID 125945. doi:10.1155/2012/125945
  8. Collins, H. (2007). Case Studies of Expertise and Experience. Studies in History and Philosophy of Science, 38(4 (Special Issue)).
  9. Sheldrake, R. (1998). Could experimenter effects occur in the physical and biological sciences? Skeptical Inquirer, 22(May/June), 57-58.
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