Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 3

Harald Walach

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäussert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht weiter mit

Irrtum Nr 3 – Fehlende Diagnostik

Die Homöopathie kennt keine vernünftige Diagnostik, wohingegen die konventionelle Medizin eine klare Basis für ihre Therapie hat, nämlich die moderne Diagnostik

Diagnostik kommt vom Griechischen und heisst „gründliche Kenntnis“. Damit ist natürlich die gründliche Kenntnis der Krankheit gemeint, und dass diese Kenntnis vom Krankheitsbegriff abhängt, dürfte einsichtig sein.

Der Krankheitsbegriff der Homöopathie ist ein deskriptiv-phänomenologischer: Homöopathie beschreibt Krankheit als die Sammlung aller individuell vorliegenden Symptome. Wenn jemand einen Schmerz im Bauch hat, dann interessiert in der Homöopathie zunächst nicht die pathophysiologische Ursache des Schmerzes, sondern wie er sich genau anfühlt, wie er zu beschreiben ist, wann er sich bessert und verschlimmert, und vor allem, was genau ihn ausgelöst hat. So kann dann etwa ein Schmerz im Bauch, der aufgetaucht ist, nachdem man vom Tod der geliebten Großmutter erfahren hat eine ganz andere Bewertung erfahren als einer, der aufgetaucht ist, als man den Brief bekommen hat, dass man in einer Woche das Examen antreten muss, und der wird wieder anders gewertet als einer, der aufgetaucht ist, nachdem man beim ansonsten so guten Italiener ein vielleicht schon etwas merkwürdig riechendes Vitello tonnato gegessen hat, usw. Denn in jedem Falle führt die „causa“, also die Umstände,1 unter denen der Schmerz aufgetaucht ist, zu einer anderen Arzneimittelwahl, die in dem Fall weniger aus den Arzneimittelprüfungen selber, als aus der gründlichen Kenntnis der homöopathischen Materia medica herrührt, in die neben den Vergiftungssymptomen und den Arzneimittelprüfsymptomen auch die klinische Erfahrung eingegangen ist. Und diese lehrt, dass die Umstände einer akuten Erkrankung für die Wahl der Arznei wichtig sind. Daher kann der gleiche Typ von Bauchschmerz im Falle eines Verlustes einer geliebten Person mit großer Trauer z.B. zu der Indikation „Ignatia“ führen, im Falle der Antizipationsangst vielleicht zu „Gelsemium“ oder „Argentum nitricum“, und im Falle einer Magenverstimmung aufgrund einer Vergiftung vielleicht zu „Arsenicum album“, „Nux vomica“ oder „Okoubaka“, je nachdem, welche anderen Symptome noch vorhanden sind.

Zentral und wegweisend für die homöopathische Arzneimittelfindung ist die Gesamtheit der vorhandenen Symptome. Diese werden je nach Fall, ob akut oder chronisch, ob langdauernd oder kurzfristig, jeweils anders gewichtet und sind Teil eines komplexen Diskurses in der Homöopathie, der seit Hahnemann noch nicht beendet ist, welche Symptome am wichtigsten sind. Im akuten Fall sind das wie gesagt die verursachenden Umständen, die „causa“; dann vor allem die Modalitäten, also was ein Symptom verschlimmert, was es bessert; sodann die begleitenden anderen Symptome. Eine akute Magenverstimmung etwa, die mit Durchfall und Erbrechen einhergeht führt dann zu einer anderen Arzneimittelwahl als eine, die mit Kopfschmerz und Verstopfung einhergeht. Im ersten Fall wird man eher an Arsenicum album denken, im zweiten Fall eher an Nux vomica. Dann spielen vor allem bei akuten somatischen, aber auch anderen Erkrankungen, die psychischen Symptome, eine wichtige Rolle, weil sie differenzieren helfen. Wenn man etwa im Repertorium unter „trockenem Husten“ nachsieht, dann wird man dort ca. 200 Arzneimittel finden, die „trockenen Husten“ im Angebot haben. Das ist also ein relativ nutzloses Symptom, wenn es ohne weitere Charakterisierung kommt. Daher kann es ausschlaggebend sein, wenn man dazu weiß: Das ist der trockene Husten einer Person, die sonst immer fröhlich und gut gelaunt ist, aber seit diesem Husten plötzlich weinerlich und verzagt wirkt. Denn der ist anders zu behandeln, d.h. mit einer anderen Arznei, als der trockene Husten einer Person, die schon immer eher ärgerlich und leicht gereizt ist, aber seither nicht mehr auszuhalten, weil sie bei dem geringsten Anlass an die Decke geht.

Und so dienen die vorliegenden Symptome der Diagnostik: nämlich der Kenntnis des Arzneimittels, das im konkreten Falle Hilfe verspricht. Im Idealfall ist in der Homöopathie Diagnose identisch mit der therapeutischen Handlungsanweisung: Nimm das Arzneimittel, das die Gesamtheit der Symptome abdeckt: similia similibus curentur – Ähnliches soll man mit Ähnlichem heilen. Denn der Name des homöopathischen diagnostischen Ergebnisses ist der Name des Therapeutikums: der angezeigten, indizierten Arznei.

Der praktische Fallstrick ist dabei das unverfänglich erscheinende Wort von der „Gesamtheit der Symptome“ und vor allem ihrer Gewichtung bei der Wahl der Arznei. Hier herrscht – insbesondere bei der Behandlung chronischer Erkrankungen –  innerhalb der Homöopathie ein buntes Gemisch von Meinungen und Schulen vor. Die einen stützen sich dabei mehr auf eine phänomenologische Essenz. Andere gehen ganz klassich vor und suchen die vorstechenden Symptome mit ihren Modalitäten. Wieder andere haben andere Systeme im Kopf. Hahnemann hat darauf hingewiesen, in seinem berühmten § 153 des Organons,2 dass vor allem die besonderen, herausragenden und eigentümlichen Symptome wichtig für die Arzneimittelwahl sind. Denn sie helfen zwischen konkurrierenden Arzneien differenzieren. Auf jeden Fall macht die Bewertung und das Verständnis, vor allem eines komplexen therapeutischen Falles, die homöopathische Kunst aus, auf die ich jetzt nicht eingehe. Denn das ist das, was ein guter homöopathischer Arzt in einer langen Zusatzausbildung lernt: wie mit den Symptomen umzugehen ist, wie man sie am besten versteht und ordnet, welche wann wichtig und wann unwichtig sind. Nur als kleines Beispiel: Psychische Symptome spielen in der Homöopathie immer eine große Rolle und können, vor allem im akuten Falle, den differenzierenden Ausschlag geben. Aber wenn der Hauptgrund der Therapie in einer Verstimmung der Psyche besteht, dann sind die wichtigen differenzierenden Symptome gerade nicht die psychischen, sondern die unscheinbaren körperlichen, ob etwa bei Traurigkeit jemand Appetit auf bestimmte Speisen hat oder eine sonst vorhandene Essens- oder Getränkevorliebe plötzlich verschwindet, etc.

Auf jeden Fall ist homöopathische Diagnostik im Rahmen des Möglichen immer auch die therapeutische Handlungsanweisung: das homöopathische Arzneimittel. Im Grunde ist homöopathische Diagnostik Mustererkennung. Sie versucht das Muster der vorhandenen Symptome mit dem Muster der Symptome, wie sie aus der Arzneimittellehre bekannt sind, in Deckung zu bringen. Dieser Vorgang ist naturgemäß „fransig“, „fuzzy“, wie das moderne Wort heißt. Denn viele Symptome sind Teil vieler Arzneimittelbilder, etwa der trockene Husten, oder Kopfschmerzen in der Stirne. Manche Symptome sind sehr typisch für bestimmte Arzneien, kommen also sehr häufig, oder fast immer vor, wie etwa der große Durst beim Arzneimittel Bryonia, oder die Durstlosigkeit bei Apis, so dass es schon fast ein Ausschluß ist, wenn jemand dieses Symptom nicht vorweist.

Moderne statistische Verfahren können solche komplexe Mustererkennungsprozesse erleichtern. Wir haben zum Beispiel einmal gezeigt, dass man mit einer sog. „Grade of Membership“- Analyse, die eine Art „fuzzy-set“ Statistik darstellt, Symptome von Belladonna von solchen unter Placebo in einer Arzneimittelprüfung trennen kann3. Andere haben gezeigt, dass man mit entsprechenden Verfahren durchaus statistische Trennungen zwischen solchen Kategorien vornehmen kann4,5. Das hat in der Konsequenz dazu geführt, dass heute mächtige Computerprogramme vorliegen, die mit entsprechenden Algorithmen die Mustererkennung zwischen Symptomen und Arzneimitteln unterstützen.

Wir halten fest: Homöopathie kennt sehr wohl eine klare Diagnostik. Deren Resultat ist die Handlungsanweisung: das indizierte Arzneimittel.

Und zur Mustererkennung: Wenn Sie sich das Computertomogramm am Anfang noch einmal anschauen finden Sie den Gorilla!

Wie sieht es mit der Diagnostik in der modernen Medizin aus? Diese ist ja klarerweise dafür bekannt, dass die Diagnostik der Behandlung vorausgeht. Zuerst muss die Ursache einer Erkrankung erkannt werden. Daher ist diagnostische, pathophysiologische Forschung einer der Haupttreiber medizinischer Forschung überhaupt. Denn, so das implizite Modell, wenn man erst die Ursache der Erkrankung erkannt hat, dann kann man sie auch – idealerweise ursächlich – behandeln. Auch hier stimmt die Theorie im Prinzip durchaus und ist vor allem für akute Krankheiten und Notfälle sehr einleuchtend: Ich erkenne diagnostisch, ob ein gebrochener Arm einfach gebrochen ist oder kompliziert und kann danach entscheiden, ob er durch eine einfache Schienung oder eine komplexere Prozedur (z.B. eine Operation) wieder gerichtet wird. Die Diagnostik, in dem Fall vermutlich Röntgen – oder MRT, legt eine klare Entscheidung nahe. So ähnlich ist es mit anderen akuten Zuständen auch: Ein akuter Herzinfarkt führt zunächst einmal zu klar indizierten therapeutischen Massnahmen, die gut untersucht und in aller Regel wirksam sind, von der pharmakologischen Blutverdünnung bis zur chirurgischen Unterstützungen.

Im Falle der Infektionskrankheiten hat die Diagnostik der Erreger dazu geführt, dass man auch hier entsprechende Maßnahmen entwickeln konnte: Antibiotika für bakterielle Erreger und spezifische antivirale Medikamente für bestimmte Viren. Mittlerweile kann sogar festgestellt werden, welche Erreger gegen welche Antibiotika resistent sind und wir können entsprechend differenziert reagieren.

Aber schon wenn es um komplexere klinische Entitäten geht, wird die Passung zwischen Diagnose und Handlungsanweisung vage. Denn nicht immer ist klar, wie eine zugrundeliegende Krankheit denn nun behandelt werden soll. Diagnostisch ist unsere moderne Medizin extrem weit fortgeschritten. Aber die Überlegung, wie aus der Erkenntnis der Ursachen auch eine Erkenntnis der Therapie folgt, ist in den meisten Fällen nicht zwingend. Hier sind ein paar Beispiele, um dies zu illustrieren:

In allen Fällen psychiatrisch-klinischer Diagnosen stellen die Diagnosen keinerlei kausale Erkenntnis bereit, sondern sind eine sich im Laufe der Jahre verändernde Ansammlung von Symptomen.6,7 Je nach Fachgebiet und Krankheit kann eine Diagnose eine deskriptiv-symptomatologische Kategorie sein, wie zum Beispiel die Diagnosen „Psoriasis“ oder „Fibromyalgie“, oder eine generisch-kausale wie die Diagnose „Arthritis“, oder „Krebs“, oder „atopische Dermatitis“, oder eine spezifisch kausale wie etwa „MRSA bedingte Sepsis“. In keinem Falle ist mit dieser Diagnose eine ein-eindeutige Handlungsanweisung verbunden. Vielmehr hängt es dann sehr von der vertieften Kenntnis des Krankheitsprozesses ab, wie die Handlungsanweisung aussieht. Daher gibt es Verzweigungen und Unterverzweigungen der Spezialisierung. Und oft führen auch diese Erkenntnisse zwar zu einem besseren Verständnis dessen, wie es zu der Krankheit hat kommen können, aber nicht immer zu einer Erkenntnis, wie man sie behandeln sollte. Das heisst: Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass in der konventionellen Medizin die Diagnose zwingend zur Behandlung führt. Zwar ist Diagnose eine Voraussetzung für gute Behandlung. Aber nicht immer führt eine gute Diagnostik zu einer guten und wirksamen Behandlung.

Ich will das an einigen Beispielen illustrieren:

Wir wissen z.B. mittlerweile, dass „Fibromyalgie“ ein generalisiertes Schmerzsyndrom darstellt. Lokale Entzündungen spielen dabei keine Rolle. Vielmehr handelt es sich höchstwahrscheinlich entweder um eine generalisierte autonome Dysregulationsstörung oder um eine zentrale Schmerzverarbeitungsstörung oder eine Mischung davon.8-12 Konsequenzen für die Behandlung: nur teilweise. Gestufte Bewegungstherapie kann helfen, kognitive Verhaltenstherapie kann helfen,13,14 manchmal kann sogar Meditation und Achtsamkeit helfen,15-19, obwohl sie anscheinend nicht die autonome Erregbarkeit verändert,20 auch Homöopathie kann helfen,21-24 aber ob sich von all dem die zugrundeliegenden Probleme bessern oder verändern, wissen wir nicht.

Atopische Dermatitis („Neurodermitis“), oder andere atopische Erkrankungen (Heuschnupfen, Asthma) sind Störungen der immunologischen Erregbarkeit, die zu lokalen Entzündungen führen. Wo sie herkommen, wird diskutiert. Vermutlich ist ein Teil erblich bedingt, ein anderer Teil auf frühkindliche Sensibilisierung mit Allergenen zurückzuführen bzw. auf mangelndes Allergentraining aufgrund zu steriler kindlicher Umwelt. Homöopathen behaupten schon seit bald einem Jahrhundert dass die atopischen Erkrankungen zusammenhängen und eine topische Behandlung der Haut bei Neurodermitis zu einer Gefahr von Asthmaerkrankung führt und dass eine homöopathische Asthmabehandlung über den Genesungsprozess zu einem Wiederaufflammen der Hauterscheinungen der atopischen Dermatitis führt, bis diese dann verschwindet.25 Das ist ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Sichtweisen sind: Für die konventionelle Medizin sind atopische Erkrankungen unterschiedliche Erkrankungen mit ähnlichem mechanistischem Hintergrund – Immunregulationsstörungen – für die Homöopathie sind sie verschiedene Gestalten einer Krankheit einer Person. Jedenfalls kann die Diagnose „atopische Dermatitis“ dazu führen, dass man die immunologischen Entzündungsprozesse lokal behandelt, lokal oder systemisch unterdrückt oder dass man versucht, potenzielle Allergene zu finden und diese zu meiden. Lange wurde den pharmakologischen Methoden der Vorzug gegeben, obwohl schon lange bekannt war, dass möglicherweise Nahrungsmittelunverträglichkeiten die Basis für eine atopische Störung bieten können.26 Weil die zugrundeliegende Immunologie höchst komplex und daher umstritten ist, wurde diese Erklärung bisher nicht allgemein akzeptiert, obwohl es dafür gute Gründe und einige Daten gibt.25,27,28 Wie also ist genau an dieser Stelle die „Ursache“ der Erkrankung definiert? Ist es der aktuelle Immunprozess, der zu einer Entzündung führt? Ist es die erworbene oder genetische immunologische Übererregbarkeit? Ist es die vorhandene oder fehlende Exposition? Ist es das Antigen im Essen? Die Eingrenzung der Ursache als solche ist, wenn man genauer hinsieht, gar nicht so einfach und eindeutig, genausowenig wie die therapeutische Konsequenz.

Selbst bei anscheinend klaren Diagnosen ist die Klarheit bald zerronnen, wenn man tiefer blickt und weiter denkt. Koronare Herzkrankheit – eine scheinbar klare Diagnose: Unterversorgung des Herzmuskels, weil zu wenig Blut fliesst, da die Koronararterien teilweise verstopft sind. Ursache? Nicht ganz klar. Immunologisch? Evtl. bedingt und angestossen durch mangelnde positive Beziehung?29 Das sprichwörtliche „gebrochene Herz“? Zu viel Fett im Blut? Oder zu viel Zucker? Oder beides?30,31 Oder zu wenig Bewegung? Oder zu viel Stress? Oder die falsche Persönlichkeit? Oder alles miteinander? Diagnose klar, Ursachen unklar. Handlungsanweisung? Operieren? Mit Bypass? Oder Stent? Oder gar nicht? Oder lieber mal medikamentös? Oder mit Ernährungsumstellung? Alles möglich, alles probiert worden, alles nicht so einfach und alles nicht ganz klar in der finalen Wirksamkeit.

Nicht dass ich jetzt nahelegen will: Dann lieber doch zu Kügelchen greifen, wenn jemand an koronarer Herzkrankheit leidet. Denn wenn ein Krankheitsprozess schon so weit fortgeschritten ist, dass es zu strukturellen Veränderungen im Organismus gekommen ist – Verengung der Gefässe, Krebswachstum, Arthrose wären typische Beispiele dafür – , dann ist es auch mit Homöopathika sehr schwer, eine Heilung zu erreichen. Aber die Beispiele zeigen: So einfach ist es mit der Entweder-Oder-Logik auch hier nicht.

Die Diagnose führt bei der Homöopathie idealerweise zum richtigen, indizierten Arzneimittel und das führt idealerweise zu einer Heilung oder Besserung. Nicht immer ist die Diagnose einfach. Nicht immer findet man das Arzneimittel beim ersten Griff. Und manchmal hilft auch das scheinbar best-indizierte Arzneimittel nichts. Auch das gibt es.

Aber das ist bei der konventionellen Medizin oft auch so. Manchmal ist die Diagnose klar und ergibt eine einfache, klare Handlungsanweisung. Sehr oft ist die Diagnose klar, aber die Handlungsanweisung hängt von der Kenntnis, der Vorliebe und den Umständen ab. Und manchmal hat man eine klare Diagnose und weiß nicht, was das nun konkret therapeutisch heißen soll.

Wir sehen: Die Medizin ist wie das Leben. Unaufgeräumt, weniger klar, als wir es gerne hätten und endet trotz aller Bemühungen meistens mit dem Tod.

Literatur

  1. Köhler G. Lehrbuch der Homöopathie. (Bd.1: Grundlagen und Anwendungen). Stuttgart: Hippokrates; 1982.
  2. Hahnemann S. Organon der Heilkunst. (6. Aufl., Nachdruck herausgegeben von R. Haehl). Stuttgart: Hippokrates; 1979, orig. 1921.
  3. Walach H, Kohls N. Grade-of-Membership (GoM) – analysis as a sensitive method for evaluating categorical data – introduction and some examples. In: Beauducel A, Biehl B, Bosniak M, Conrad W, Schönberger G, Wagener D, eds. Multivariate Research Strategies – Festschrift for Werner W Wittmann. Aachen: Shaker; 2005: 151-72.
  4. Davidson J, Woodbury M, Morrison R, Shore J, Bedayn G. Multivariate analysis of five homoeopathic medicines in a psychiatric population. British Homoeopathic Journal 1995; 84: 195-202.
  5. Rutten ALB, Stolper CF, Lutgen RFG, Barthels RWJM. Repertory and likelihood ratio: time for structural changes. Homeopathy 2004; 93: 120-4.
  6. Fava GA, Sonino N. Psychosomatic assessment. Psychotherapy and Psychosomatics 2009; 78: 333-41.
  7. Fava GA. The intellectual crisis of psychiatric research. Psychotherapy and Psychosomatics 2006; 75: 202-8.
  8. Hyland ME, Hinton C, Hill C, Whalley B, Jones RC, Davies AF. Explaining unexplained pain to fibromyalgia patients: finding a narrative that is acceptable to patients and provides a rationale for evidence based interventions. British Journal of Pain 2016; 10(3): 156-61.
  9. Pütz P. Hypercortisolemic disorders. In: Hellhammer DH, Hellhammer J, eds. Stress: The Brain-Body Connection. Basel: Karger; 2008: 39-59.
  10. Julien N, Goffaux P, Arsenault P, Marchand S. Widespread pain in fibromyalgia is related to a deficit of endogenous pain inhibition. Pain 2005; 114: 295-302.
  11. Raison CL, Miller AH. When not enough is too much: the role of insufficient glucocorticoid signaling in the pathophysiology of stress-related disorders. American Journal of Psychiatry 2003; 160(9): 1554-65.
  12. Cohen H, Neumann L, Shore M, Amir M, Cassuto Y, Buskila D. Autonomic dysfunction in patients with fibromyalgia: application of power spectral analysis of heart rate variability. Seminars in Arthritis and Rheumatism 2000; 29: 217-27.
  13. Sprott H. What can rehabilitation interventions achieve in patients with primary fibromyalgia? Current Opinion in Rheumatology 2003; 15: 145-50.
  14. Sim J, Adams N. Systematic review of randomized controlled trials of nonpharmacological interventions for fibromyalgia. Clinical Journal of Pain 2002; 18: 324-36.
  15. Van Gordon W, Shonin E, Dunn TJ, Garcia-Campayo J, Griffiths MD. Meditation awareness training for the treatment of fibromyalgia syndrome: A randomized controlled trial. British Journal of Health Psychology 2016: n/a-n/a.
  16. Lauche R, Cramer H, Dobos G, Langhorst J, Schmidt S. A systematic review and meta-analysis of mindfulness-based stress reduction for the fibromyalgia syndrome. Journal of Psychosomatic Research 2013; 75: 500-10.
  17. Schmidt S, Grossman P, Schwarzer B, Jena S, Naumann J, Walach H. Treating fibromyalgia with mindfulness-based stress reduction: Results from a 3-armed randomized controlled trial. Pain 2011; 152: 361-9
  18. Astin JA, Berman BM, Bausell B, Lee W-L, Hochberg M, Forys KL. The efficacy of mindfulness meditation plus Qigong movement therapy in the treatment of fibromyalgia: a randomized controlled trial. Journal of Rheumatology 2003; 30: 2257-62.
  19. Grossman P, Tiefenthaler-Gilmer U, Raysz A, Kesper U. Mindfulness training as intervention for fibromyalgia: Evidence of post-intervention and three-year follow-up benefits in well-being. Psychotherapy and Psychosomatics 2007; 76: 226-33.
  20. Grossman P, Deuring G, Walach H, Schwarzer B, Schmidt S. Mindfulness-based intervention does not influence cardiac autonomic control or pattern of physical activity in fibromyalgia during daily life: An ambulatory, multi-measure randomized dontrolled trial. Clinical Journal of Pain 2017; 33: 385-94.
  21. Davidson JRT, Crawford C, Ives JA, Jonas WB. Homeopathic treatments in psychiatry: A systematic review of randomized placebo-controlled studies. Journal of Clinical Psychiatry 2011; 72: 795-805.
  22. Bell IR, Lewis II DA, Brooks A, et al. Improved clinical status in fibromyalgia patients treated with individualized homoepathic remedies versus placebo. Rheumatology 2004; 43: 577-82.
  23. Bell IR, Lewis II DA, Brooks AJ, et al. Individual differences in response to randomly assigned active individualized homeopathic and placebo treatment in fibromylagia: Implications of a double-blinded optional crossover design. Journal of Alternative and Complementary Medicine 2004; 10: 269-83.
  24. Bell IR, Lewis II DA, Schwartz GE, et al. Electroencephalographic cordance patterns distinguish exceptional clinical responders with fibromyalgia to individualized homeopathic medicines. Journal of Alternative and Complementary Medicine 2004; 10: 285-99.
  25. Dangela G. Homöopathie, Diäthetik und Psychotherapie bei Neurodermitis. therapeutikon 1991; 5: 182-90.
  26. Ventura A, Longo G, Longo P, Florean P, Scornavacca G. Diet and atopic exzema in children. Allergy 1989; 44 Suppl.9: 159-64.
  27. Walach H, Linsenmann E, Reisenegger I. Wirksamkeit einer komplementärmedizinischen stationären Behandlung der atopischen Dermatitis – Ergebnisse einer katamnestischen Fragebogenstudie. Forschende Komplementärmedizin 1994; 1: 216-24.
  28. Platzer G, Irmey G. Fasten und Allergien. Erfahrungsheilkunde 1992; 41: 258-61.
  29. von Känel R, Mills PJ, Fainman C, Dimsdale JE. Effects of psychological stress and psychiatric disorders on blood coagulation and fibrinolysis. A biobehavioral pathway to coronary artery disease? Psychosomatic Medicine 2001; 63: 531-44.
  30. Walach H. Bröckelnde Mythen: Böckelnde Mythen: Der Cholesterin Mythos schmilzt dahin – Ein Lust- oder Schelemnstück in 5 Akten; Akt 4-5. 2017.
  31. Walach H. Bröckelnde Mythen: Der Cholesterin Mythos schmilzt – nächster Teil. 2017.

 

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Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 2

Harald Walach

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäussert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht weiter mit

Irrtum Nr. 2 – Unwissenschaftlich

Die Homöopathie ist empirisch nicht belegt, wohingegen die konventionellen medizinischen Interventionen gut gesichert sind

Das Lieblingsargument aller Homöopathiekritiker ist das der mangelnden empirischen Belegbarkeit homöopathischer Therapie. Ich habe dazu in früheren Blogs immer mal wieder Stellung genommen, daher hier nur so viel: Man kann der Homöopathie nur dann empirische Unwirksamkeit bestätigen, wenn man gewillt ist, etwa 95% aller Befunde zu ignorieren. Das hat damals schon Hahn festgestellt, ein schwedischer Intensivmedizinforscher, der von Homöopathie keinerlei Ahnung hatte und einfach einmal neugierig die Literatur sichtete und bemerkte, dass es erstaunlich viele auch relativ robuste Befunde, gibt: Meta-Analysen, die der Homöopathie signifikante Überlegenheit über Placebo bestätigen.1 Dazu kommt eine große Zahl von Tierversuchen und Pflanzenexperimenten. Man kann all das ignorieren. Aber ist das redlich, frage ich mich?

Ich würde zwei Argumenten zustimmen: Die konventionelle Statistik geht eigentlich davon aus, dass wir keinerlei Vorwissen haben und daher die Ausgangschance auf einen signifikanten Befund 50:50 ist. Das ist aber bei der Homöopathie sicherlich nicht richtig. Denn eigentlich würden wir keinen Effekt erwarten, aufgrund theoretischer Überlegungen (umso erstaunlicher ist es, dass man trotzdem so viele positive Effekte findet, übrigens). Daher gehen Kritiker der Homöopathie davon aus, dass man diese Befunde, die es gibt, anders gewichten muss. Das Argument stimmt zwar theoretisch. Dann müsste man aber eine solche Denkhaltung auch auf alle anderen Interventionen anwenden und eine entsprechende Statistik, nämlich eine Bayes’sche Statistik, und davon sind wir weit entfernt.

Das zweite Argument geht davon aus, dass es in einem Bereich replizierbare Serien von Befunden geben muss. Diese sind in der Homöopathie in der Tat selten. Meistens gibt es viele einzelne klinische Befunde, und dort, wo Wiederholungen vorliegen, gehen Effekte oftmals zurück oder sind schwer zu replizieren. Ich persönlich finde, dies ist eine spezielle empirische Signatur. Denn wenn kein Effekt vorhanden ist, dann würde man nicht erwarten, dass –  wie das in der Regel der Fall ist –  erste Studien riesige Effekte zeigen. Dann würde man erwarten, dass sie manchmal Effekte zeigen und manchmal nicht, statistische Schwankung eben. Aber genau das ist nicht der Fall. Daher scheint mir hinter dieser Signatur ein Effekt verborgen zu sein, den wir noch nicht verstanden haben. Er ist kein klassisch-kausaler. Sonst liesse er sich leichter replizieren. Aber er ist auch nicht einfach ein statistisches Placebo-Rauschen. Sonst würden wir nämlich nicht so konsistent in Meta-Analysen Effekte finden, und in Systemen, in denen nicht mit Placebo-Effekten zu rechnen ist, wie bei gut kontrollierten Pflanzenexperimenten.2-5

Die empirische Situation dürfte ungefähr so wie in der konventionellen Medizin auch sein: das, was wir wirklich wissen, ist nur ein geringer Prozentsatz. Eine Überblicksarbeit über eine Zufallsauswahl von 1016 Reviews aus der Cochrane-Datenbank, also nach harten Kriterien erarbeiteten Zusammenfassungsarbeiten, kam zu dem Schluss, dass wir nur in 3.4% aller Fälle Klarheit über die tatsächliche Wirksamkeit haben (1.4% tatsächlich wirksam; knapp 2% tatsächlich schädlich).6 Bei 43% vermutet man Wirksamkeit, benötigt aber noch mehr Forschungm, bei 48% war es unklar. Bedenkt man, dass wir es hier mit anerkannten, in der klinischen Praxis eingesetzten und von den Kassen in der Regel bezahlten Interventionen zu tun haben, die nach dem vermeintlich rationalen Modell der modernen Medizin entwickelt und beforscht wurden, handelt es sich dabei eigentlich um ein Armutszeugnis. Auch das soll die konventionelle Medizin nicht schlecht machen sondern zeigen: So groß ist der Unterschied zwischen Homöpathie und konventioneller Medizin nicht, was Datenlage und Kenntnisstand angeht.

Links:

Die Europäischen Wissenschaftsakademien und die Homöopathie

Ist Homöopathie also nun ein Placebo? Pros, Cons, und einige Fälle zum Nachdenken

Plausibilitätsbias und die weit verbreitete Meinung, die Homöopathie sei „widerlegt“

Forschungsreader WissHom 2016

Faktencheck Homöopathie (Carstens Stiftung)

FAQ’s HRI (Homeopathy Research Institute)

Referenzen zu diesem Beitrag:

  1. Hahn RG. Homeopathy: Meta-Analyses of pooled clinical data. Forschende Komplementärmedizin 2013; 20: 376-81. https://www.karger.com/Article/FullText/355916
  2. Jäger T, Scherr C, Shah D, et al. Use of homeopathic preparations in experimental studies with abiotically stressed plants. Homeopathy 2011; 100: 275-87.
  3. Jäger T, Scherr C, Simon M, Heusser P, Baumgartner S. Effects of homeopathic arsenicum album, noside, and gibberellic acid preparations on the growth rate of arscenic-impaired duckwee (Lamna gibba L.). Scientific World Journal 2010; 10: 2112-29.
  4. Scherr C, Simon M, Spranger J, Baumgartner S. Effects of potentised substances on growth rate of the water plant Lemna gibba L. Complementary Therapies in Medicine 2009; 17: 63-70.
  5. Majewsky V, Arlt S, Shah D, et al. Use of homeopathic preparations in experimental studies with healthy plants. Homeopathy 2009; 98: 228-43.
  6. El Dib RP, Atallah AN, Andriolo RB. Mapping the Cochrane evidence for decision making in health care. Journal of Evaluation in Clinical Practice 2007; 13: 689-92.
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Die populärsten Irrtümer

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– über die Homöopathie und die konventionelle Medizin – Teil 1

Harald Walach

Weil ich in Debatten immer wieder die gleichen falschen Aussagen höre, stelle ich sie hier einmal zusammen mit den entsprechenden Argumenten, Daten und Fakten: Irrtümer, die über die Homöopathie geäussert werden, meistens mit entsprechenden Irrtümern über die Medizin gepaart. Ich hoffe, das entspannt die Debatte, die ich als unnötig polarisiert und wenig konstruktiv wahrnehme. Es geht los mit

Irrtum Nr. 1 – Therapieprinzip unbewiesen

Die therapeutischen Prinzipien der Homöopathie, das Ähnlichkeitsprinzip, das Prinzip der Potenzierung und das Individualisierungprinzip sind wissenschaftlich nicht bewiesen. Die therapeutischen Prinzipien der konventionellen Medizin hingegen sind rational ableitbar und belegt.

Abbildung 1: Telephos; Relief aus einem Haus in Herculaneum (Foto privat)

Die Homöopathie fußt im Wesentlichen auf drei therapeutischen Prinzipien, dem Ähnlichkeitsprinzip, dem Potenzierungsprinzip und dem Prinzip der Individualisierung. Das erste, das Ähnlichkeitsprinzip, ist dabei das zentrale, die andern beiden haben Hilfs- und Brückenfunktion. Das Ähnlichkeitsprinzip wurde von Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie so formuliert: similia similibus curentur – Ähnliches soll man mit Ähnlichem heilen (das „curentur“ ist grammatikalisch ein Konjunktiv und drückt damit die Aufforderung, die Injunktion aus). Fälschlicherweise meinen viele Kritiker, Hahnemann habe dieses Prinzip erfunden und aus seinem Chinarindenversuch abgeleitet. Bei diesem hatte er ein damals populäres Arzneimittel zur Fieberbekämpfung, Chinarinde, im Selbstversuch in massiver Dosis eingenommen und fieberähnliche Symptome bemerkt (wohlgemerkt: Es handelte sich um Symptome wie Schüttelfrost, nicht um veränderte Körpertemperatur).1 China wird in Form des Alkaloids Chinin heute noch verwendet in der Malaria-Behandlung (insbesondere bei ansonsten resistenten Erregern) und ist als Chinin auch traditioneller Bestandteil von Getränken wie Schweppes, die genau auf diese Erkenntnis zurückzuführen sind, dass China bei Fiebern wie Malaria nützlich sein könnte. Allerdings hat Hahnemann das Prinzip weder erfunden, noch aus diesem Versuch abgeleitet, noch hat dieser Versuch irgendeine andere als eine historisch-heuristische Funktion. Das Ähnlichkeitsprinzip gibt es schon bei Hippokrates. Es dürfte wesentlich älter sein. Denn schon der Telephos-Mythos, der noch vor-homerisch ist, bildet es ab (Abb. 1).2

In dieser Geschichte wird Telephos, der König der Mysier, von den Griechen, die auf dem Weg nach Troja sind, genauer vom Speer des Achill, verwundet. Als die Griechen abgezogen sind und die Wunde nicht heilen will, schickt Telephos nach Delphi um zu fragen, was er machen solle und erhält die kryptische Antwort: „Ho trosas kai iasetai – der, der die Wunde schlug, wird sie auch wieder heilen“. Das ist der erste kulturell nachweisebare Klang des Ähnlichkeitsprizips, wohl etwa um 1000 v. Chr. in unserer Kultur zu verorten. In der Geschichte reist Telephos dann ins Heerlager der Griechen und wird dort durch den Rost von Achilles‘ Speer – die Handlung in der Abbildung – behandelt und geheilt.

Die Ähnlichkeitsregel ist also uralter Bestand abendländischer Medizin. Hippokrates und die großen römischen Ärzte nach ihm kannten sie. Bei Paracelsus spielt sie eine wichtige Rolle, und Hahnemann kannte sie natürlich, weil zu seiner Zeit eine Paracelsus-Rennaissance im Gange war.3-5 Das Verdienst Hahnemanns war die Operationalisierung dieser Regel, durch die Arzneimittelprüfung am Gesunden. Aber auch das ist nicht Hahnemanns Erfindung. Andere große Ärzte seiner Zeit, Albrecht von Haller etwa, hatten sie schon – wenn nicht selber betrieben –  dann doch gefordert.6 Hahnemann setzte diese Forderung nach einer empirischen Fundierung der Medizin um und kam so auf die Idee, dass die Ähnlichkeit, von der die Regel sprach zwischen den Symptomen der Kranken und den Symptomen besteht, die eine Substanz beim Gesunden erzeugen kann: Die Tollkirschenvergiftung führt zu geweiteten Pupillen, hochrotem Kopf, rasendem Puls und verrückten Ideen, großer Hitze und noch einigen anderen Symptomen. Kranke, die durch Belladonna, die Tollkirsche, geheilt werden, haben ähnliche Symptome. Deshalb ist diese Arznei sehr nützlich bei bestimmten Typen von Fiebern mit diesen Symptomen. Davon kann sich jeder überzeugen, der Kinder hat, die diese Art von Fieber häufig bekommen. Wenn die Symptome stimmen, geht das Fieber i.d.R. innerhalb weniger Stunden zurück und das Kind ist wieder putzmunter.

Hahnemann entwickelte das Potenzierungsprinzip erst später, indem er seine Arzneien aufbereitete und sie dabei verdünnte. Das war ein zunächst rein empirisch und intuitiv naheliegender Vorgang. Denn manche Stoffe, wie etwa Belladonna, oder Aconit, der Eisenhut, sind sehr giftig und konnten daher nur verdünnt gegeben werden. Es war daher naheliegend, damals apothkerübliche Methoden einer stufenweisen Verdünnung zu verwenden. Bevor man die heutigen Möglichkeiten der Analytik hatte, war man gut beraten stufenweise zu verdünnen. Manche Stoffe waren fest und konnten nur duch feine Verreibung löslich gemacht werden. Bei dieser Gelegenheit entdeckte Hahnemann die kolloidale Löslichkeit: Feste Stoffe gehen nach Zerkleinerung und einer Verdünnung von etwa 100-3 (eine homöopathische Potenz von C 3) in einen löslichen Zustand über. Erst später experimentierte Hahnemann dann mit höher verünnten und verriebenen/verschüttelten Stoffen. Dabei wurden die Stoffe meistens mit einer Alkohol-Wasserlösung verdünnt, im Verhältnis 1:100 und dann geschüttelt. Davon wieder der hunderste Teil, usw. Diese Potenzierungsreihe nennt man Centesimal-Reihe (von lateinisch „centum – hundert“). Die Ordnungszahl gibt die Anzahl der Verdünnungs- und Verschüttelungsschritte an, also die Potenzierung. Eine C30-Potenz wäre dann also 30mal im Verhältnis 1:00 verdünnt und verschüttelt worden.

Was Hahnemann noch nicht wusste, aber ahnte: Ab einer Verdünnung von 10-23, D23 oder C12, ist die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sich noch Moleküle der Ausgangssubstanz in der Arznei befinden, sehr gering. Ausserdem lösen sich durch die Potenzierung eine Reihe von Stoffen – Silikate, Bor, etc. – aus der Glaswand, so dass, molekular gesehen, homöopathische Potenzen eigentlich immer Stoffgemische sind, bei denen die Ausgangssubstanz nur eine sehr geringe Rolle spielt. Es gibt zwar Untersuchungen die zeigen, dass je nach Herstellung auch bei Hochpotenzen noch Ausgangssubstanz vorhanden ist, aber ich glaube es ist fair zu sagen: Die Substanz, also die Moleküle selber, dürften für die homöopathische Arzneimittelwirkung keine Rolle spielen. Das ahnte schon Hahnemann. Daher sprach er von der „geistartigen Wirkung“ der Arznei und sprach von „Dynamisierung“. Denn er machte die paradoxe Entdeckung: je höher verdünnt und potenziert die Arzneien, desto höher die Anforderung an die Ähnlichkeit zwischen Arzneiwirkung und Patienten-Symptomen, desto größer aber offenbar die Wirkung bei hinreichender Ähnlichkeit. Es ist diese große Paradoxie, die der Homöopathie den größten Spott einträgt. Und man muß fairerweise zugeben: Es gibt im Moment kein kluges Argument, mit dem man verstehbar machen kann, warum eine solche Arznei Wirkung entfalten könnte, ausser dem empirischen, dass man das immer wieder beobachtet hat. Nicht nur in der klinischen Praxis, sondern auch in kontrollierten Studien, in Tier- und in Pflanzenexperimenten. Warum? Kein Mensch weiss es. Es gibt ein paar abgedrehte Theorieversuche, auch von mir;7 aber ich finde nicht, dass irgend eine dieser Theorien ausreichend gut gestützt oder akzeptiert ist. Daher sollten wir fairerweise sagen: Warum potenzierte Arzneien wirken sollten, weiss kein Mensch. Wenn sie es allerdings tun, dann wäre dies eine wissenschaftliche Anomalie allererster Güte, die es zu erkunden gilt. Denn Wissenschaft schreitet in der Regel voran, indem sie sich darum kümmert wie man Anomalien, die nichts ins herrschende Weltbild passen, verstehen kann.8

Aus dem Ähnlichkeitsprinzip ergibt sich das Individualisierungsprinzip: Man wendet Arzneien nicht für bestimmte Krankheitsentitäten an – also Belladonna bei Fieber und irgendwas anderes bei Kopfschmerzen – sondern bei Symptomkonstellationen. Und diese sind mehr oder weniger individuell. Zwar gibt es immer wieder Typen – daher kann man auch häufig vorkommende Arzneimittel bei bestimmten Krankheitsentitäten zusammengeben und eine Art Schrotschussarznei basteln, die dann vielleicht bei 70% aller Zustände funktioniert – aber die rechte Kunst ist es, für die Gesamtheit aller Symptome eines Patienten, auch die in der Vergangenheit vorhandenen oder die scheinbar nicht mit der Krankheit in Verbindung zu bringenden, eine passende Arznei zu finden. Dieses Prinzip wurde wohl von der Homöopathie zum ersten Mal so konsequent in der Medizin angewandt.

Nun, wie sieht es in der modernen konventionellen Medizin aus. Fangen wir von hinten an. Der neueste theoretische Schrei der modernen Pharmakologie ist die „personalisierte“ oder „individualisierte“ Medizin. Sie hat damit, Halleluja, ein Prinzip entdeckt, das die Homöopathie schon seit über 200 Jahren anwendet. In der modernen Medizin ergibt sich dies aus der Einsicht, dass es sehr unterschiedliche genetische Typen gibt, die die enzymatische Verstoffwechslung von pharmakologischen Substanzen definieren und dass es genetische Untertypen von Krankheiten, z.B. Tumoren, gibt, die verschiedene therapeutische Ziele bieten. Wir kennen das: Die einen nehmen irgendeine Tablette und haben schreckliche Nebenwirkungen, die anderen nehmen drei davon und merken nichts. Der Hintergrund ist die enzymatische Effektivität im Umbau der Substanzen: Wieviel davon für den Organismus verfügbar ist bestimmt der individuelle Metabolismus. Aus dieser Einsicht heraus lernt man langsam zu verstehen, dass man pharmakologische Rezepturen fein abstimmen muss, eben individualisieren. Bei Tumoren hat man begonnen zu verstehen, dass sie ganz unterschiedliche genetische Marker tragen, die sie für unterschiedliche therapeutische Massnahmen empfindlich machen. Das nennt sich dann „personalisierte Medizin“: man beginnt den individuellen Konstitutionstyp eines Menschen aufgrund seiner Genetik bei der Therapie in Rechnung zu stellen. Der Unterschied zur homöopathischen Individualisierung besteht darin, dass die Homöopathie auf der phänomenologischen Oberfläche bleibt, also die Ebene der Symptomatik für die Individualisierung verwendet und die moderne Medizin diese versucht aufgrund der Genetik besser zu verstehen. Ich finde: Das ist beides Individualisierung, für den Patienten gut und sinnvoll und muss sich nicht ausschließen. Nicht entweder oder, sondern sowohl als auch.

Die moderne Medizin verwendet auch das Ähnlichkeitsprinzip und in Grenzen das Potenzierungsprinzip. Weniger sichtbar zwar, aber immerhin. In der Allergologie wird etwa damit gearbeitet, dass Substanzen, die eine Allergie verursachen, in absteigender Verdünnungsreihe als Medikamente verabreicht werden. Hier wird der umgekehrte Weg wie bei der Homöopathie beschritten: Man sucht die Verdünnung des Allergens, die gerade keine oder nur eine minimale Allergie auslöst, gewöhnt den Organismus daran und nimmt dann die nächst höhere Konzentration. Man kann auch die Psychotherapie als eine Anwendung des Ähnlichkeitsprinzips verstehen, zumindest bestimmte Formen: Der Krankheitsauslöser wird in veränderter Form präsentiert – durch Verstehen, durch Imagination, durch sprachliche Verarbeitung aufbereitet.

Abgesehen davon verwendet die Medizin als praktische Wissenschaft sehr viele Erkenntnisse und nicht nur einen einzigen Erkenntnisweg. Es ist ein weit verbreitetes (Selbst-)Missverständnis der Medizin, sie sei eine Naturwissenschaft. Das ist sie definitiv nicht.9-11 Sie ist eine Handlungswissenschaft, die u.a. naturwissenschaftliche Erkenntnisse verwendet, aber auch andere, z.B. sozialwissenschaftliche und psychologische. Das führt dazu, dass es nicht DEN Erkenntnisweg in der Medizin gibt, oder DIE rationale Therapeutik. Es gibt viele. Einer von den vielen ist der, den die moderne Pharmakologie beschreitet. Dort versucht man, aufgrund pathophysiologischer Erkenntnisse zu verstehen, wie man intervenieren kann. Dann werden Substanzen entwickelt, die etwa ein bestimmtes Enzym blockieren, oder einen bestimmten Rezeptor aktivieren. Dieser Weg funktioniert so einigermassen, ist aber erstens alles andere als rational, ist zweitens nicht immer zielführend und drittens nicht sehr kostengünstig. Denn welche der Erkenntnisse aufgegriffen werden, hängt oft davon ab, wo man sich einen großen Markt verspricht. Dort wird dann geforscht. Vieles, was erforscht wird, funktioniert im Tiermodell ganz gut. Aber nur sehr wenig von dem, was dort funktioniert, findet seinen Weg in die klinische Anwendung. Einfach deshalb, weil es beim Menschen eben nicht funktioniert oder weil das Ganze doch etwas komplexer ist als anfangs gedacht. Alles in allem betrachtet ist es ein extrem aufwändiger Weg. Wir begehen ihn, weil er sich eben so eingebürgert hat und weil wir meinen, er sei gut. Ob er das wirklich ist, wage ich sehr zu bezweifeln.

Hier sind zwei Beispiele, die sich vermehren liessen, und die zeigen, dass es mit der vermeintlichen Rationalität nicht so weit her ist:

Irgendwann – im Laufe der 60er Jahre oder so – kam die Idee auf, psychiatrische Erkrankungen seien Erkrankungen des Gehirnstoffwechsels. Die biologische Psychiatrie war geboren. Auf dieser Idee aufbauend entwickelte man eine ganze Reihe von Substanzen, die die vermeintlichen Entgleisungen des Gehirnstoffwechsels wieder richten sollten. Berühmt geworden sind die selektiven Serotonin-Reuptake Inhibitoren (SSRIs). Diese wurden übrigens ursprünglich, das weiß kaum jemand, für ganz andere Probleme entwickelt: zur Schmerztherapie; später dachte man, sie könnten bei Gewichtsproblemen nützlich sein, bis wer auf die Idee kam sie für Depression einzusetzen. Dann wurden sie als „happy pills“ vermarktet. Spezialisten in der Psychiatrie geben seit einiger Zeit unumwunden zu dass die Serotoninhypothese bankrott sei12,13: Sie sei wissenschaftlich nie bewiesen, sie funktioniere therapeutisch nicht richtig und das Festhalten an ihr blockiert den Fortschritt. Die modernen Antidepressiva sind manchmal Serotoninwiederaufnahmenhemmer, die Serotonin zur Verfügung stellen, sie sind manchmal Serotoninblocker, die Serotonin aus dem System entnehmen, sie sind manchmal ganz anderer Natur.14,15 Wo genau sind hier die Rationalität und der Fortschritt, frage ich mich? Möglicherweise ist Depression etwas ganz anderes? Eine komplexe Störung, bei der Traurigkeit ein Symtpom ist? Manchmal durch Ernährung verursacht, manchmal durch soziale Umstände, manchmal durch persönliches Fehlverhalten, manchmal genetisch, manchmal durch ein Zusammenwirken all dieser Faktoren. Und wer sagt, dass eine Krankheit auf der Ebene zu behandeln sei, auf der sie sich äußert? Wenn man etwas tiefer schürft merkt man schnell, wie tönern die Beine und wie schief sie sind, auf denen dieses Gebäude ruht. Und überlegt man, wieviel Geld nicht nur die Industrie, sondern die öffentliche Hand durch Subventionierung dieses Modells in die Entwicklung dieses Wolkenkuckucksheims der biologischen Psychiatrie, der Serotoninhypothese der Depression zumal, gepumpt hat, dann muss man sich wahrlich fragen, wie rational es hier wirklich zugeht.16

Ein zweites Beispiel: Die Alzheimer Demenz wird gemeinhin als eine komplexe Entzündung des Gehirns verstanden, die durch die Ansammlung von Amyloid-Beta, einem Protein und die Hyperphosporylierung von Tau, einem anderen Protein, ausgelöst wird, wodurch eine Entzündungspirale entsteht, die zum Untergang der Neuronen und am Ende zur Demenz führt.17 Aufbauend auf diesem biologischen Modell wurden Arzneien entwickelt, die entweder die Actylcholinesterase hemmen sollen – denn Acetylcholinerzeugende Neuronen gehen zuerst zugrunde -, oder die das Erregungsniveau durch den neurotoxischen Transmitter Glutamat hemmen sollen. Oder Impfungen gegen das Amyloid Beta. Alle diese Ansätze haben im Tierversuch sehr gut funktioniert, sind theoretisch-pathologisch irgendwie einsichtig und rational, funktionieren aber beim Menschen gar nicht oder nur in Grenzen. Die Impfversuche wurden eingestellt. Die auf dem Markt befindlichen Medikamente haben sehr schwache Wirkungen und erhebliche Nebenwirkungen. Seitens der pharmazeutischen Firmen, die sich eine Weile am Rennen um die Blockbusterarznei beteiligt haben, wurde ein höherer dreistelliger Milliardenbetrag in die Entwicklung gesteckt. Das Resultat ist ärmlich: es ist keinerlei pharmakologische Therapie in Sicht.18 Die vier derzeit zugelassenen Arznein sind allenfalls kurzfristig palliativ und in keinem Fall therapeutisch dauerhaft wirksam.19 Alternative Denkrahmen und Handlungsansätze gibt es,20,21 sie werden aber derzeit nicht priorisiert. Warum? Vermutlich weil alle auf den großen pharmakologischen Durchbruch warten und weil das herrschende Denkmodell die Phantasie hat verarmen lassen – scheint mir.

Das waren zwei Beispiele im Kurzdurchgang die zeigen, dass es um die theoretisch-therapeutische Rationalität in der modernen Medizin nicht so gut bestellt ist, wie man das gerne hätte. Ich weiss, das ist ein bisschen unfair: Ich habe zwei deutliche Negativbeispiele gewählt. Ich finde aber, sie sind durchaus repräsentativ. Denn sie betreffen weit verbreitete Probleme. Es gäbe viele andere Beispiele: die mangelnde Wirksamkeit pharmakologischer Ansätze bei der Schmerztherapie,22-25 die langfristigen Nebenwirkungen vieler akut sehr gut wirksamer Therapien,26 die Tatsache, dass die Krebsinzidenz steigt trotz eines nunmehr Dekaden währenden „Krieges gegen den Krebs“,27,28 die Tatsache, dass immer mehr Kinder mit ernsthaften neurologischen Störungen diagnostiziert werden,29,30 usw. Es geht mir auch nicht darum, die moderne Medizin schlecht zu reden sondern plausibel zu machen: Was im Akutfall gut funktioniert ist nicht unbedingt auch wirksam und hilfreich im chronischen oder funktionellen Fall. Das Denkmodell der Medizin, so hilfreich es im Notfall ist, erweist sich als Bumerang, der im chronischen und funktionellen Fall auf denjenigen zurückkommt, der ihn verwendet hat. Und das erinnert mich an die alte Geschichte von dem Mann, der sich darüber beschwerte, dass er seinen alten Bumerang nicht los wird, weil er immer wieder zurückkommt…

Literatur

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  4. Schadewaldt H. Der Ähnlichkeitsgedanke bei Paracelsus. Allgemeine Homöopathische Zeitung 1972; 217: 265-8.
  5. Schadewaldt H. Der Ähnlichkeitsgedanke bei Paracelsus. Allgemeine Homöopathische Zeitung 1973; 218: 12-20.
  6. Walach H. Wissenschaftliche Homöopathische Arzneimittelprüfung. Doppelblinde Crossover-Studie einer homöopathischen Hochpotenz gegen Placebo. Heidelberg: Haug; 1992.
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  20. Walach H, Loef M. Alzheimer’s dementia and lifestyle: Towards a primary prevention. In: Hall PA, ed. Social Neuroscience and Public Health: Foundations for the Science of Chronic Disease Prevention. Heidelberg, New York: Springer; 2013: 193-213.
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Die Deutschen wollen Homöopathie

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Ergebnisse einer repräsentativen Befragung

Harald Walach

Die Deutsche Homöopathie Union ist Deutschlands größter Hersteller homöopathischer Arzneimittel. Sie hat eine repräsentative Umfrage durchführen lassen, die die Einstellungen und Erfahrungen der Deutschen zur Homöopathie erfassen sollte. Klugerweise wurde eine Firma beauftragt, die solche Studien professionel in ihrem Portfolio hat. Die Firma Kantar TNS beschreibt sich so: Sie sei „eines der renommiertesten Institute für Marktforschung sowie Politik- und Sozialforschung in Deutschland. … In der politik- und sozial­wissenschaftlichen Forschung haben wir mit Großprojekten zur sozialen Sicherheit und öffentlichen Gesundheit immer wieder Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Besonders in der Bildungs- und Arbeits­marktforschung, in der Familien- und Seniorenforschung oder in der Gesundheits­vorsorge.” Profis also.

Diese Profis haben nun eine repräsentative Befragung der Deutschen durchgeführt und 1050 Deutsche im Alter zwischen 16 und 64 Jahren befragt. Die Pressemeldung und die Kurzdarstellung der Befunde gibt es hier:

PressemeldungGrafiken

Kurz gefasst zeigen die Daten, was wir seit den ersten Allensbach-Befragungen aus den 60er Jahren wissen: Die Deutschen mögen ihre Homöopathie, sie haben gute Erfahrungen damit und befürworten ein friedliches Nebeneinander von konventioneller und komplementärer Medizin in der Allgemein-versorgung und Forschung. Ganz kurz: Die Bürger sind weniger leicht ins Bockshorn zu jagen als man denkt. Gottseidank, könnte man dazusagen, in Zeiten von Fake-News, Social-Media Propaganda und was es sonst so alles an Verballhornungen gibt.

75% der Befragten befürworten nämlich das Miteinander von Schulmedizin und komplementärer Medizin wie Homöopathie und Naturheilverfahren. Das kommt nicht von ungefähr. Denn 56% haben Erfahrung mit homöopathischen Arzneimitteln aus eigener Hand, meistens bei Erkältungskrank-heiten. 80% wollen mitentscheiden, welche Arzneimittel in ihrem Fall verwendet werden, und 60% wollen in der Apotheke wählen können, wollen, dass ihr Hausarzt zwischen diesen Möglichkeiten auswählen kann und dass die Kasse dies erstattet. 72% lehnen ein Verbot von Medikamenten der Homöopathie und Naturheilkunde ab.

Es wäre nun schön, wenn diese Befragung zur Gänze publiziert wird, idealerweise in einer peer-reviewten Zeitschrift.

Die Daten zeigen aus meiner Sicht: Menschen machen ihre Erfahrungen mit und im Gesundheitssytem. Wer seine Kinder zum xten Mal mit einer kurzfristig wirksamen Antibiotikabehandlung bei Ohrenentzündung behandelt sieht und erlebt wie jeder Rückfall schneller kommt und anschließend durch eine homöopathische Kur Ruhe einkehrt, der hat eben seine Erfahrung gemacht. Dem ist es anschließend egal, ob ihm hundert Skeptiker klarmachen wollen, das sei nur ein Placebo-Effekt gewesen, wohingegen Antibiotika wirklich gegen Erreger wirken. Tun sie auch; das Problem ist aber, dass sie noch verschiedene andere Wirkungen haben, die wir nicht wollen, z.B. dass sie das Mikrobiom angreifen, unsere schützende und nährende Schicht aus Darmbakterien; dass sie Resistenzen fördern; und dass sie langfristig die Abwehrkraft eben nicht stabilisieren.

Dies zeigt aus meiner Sicht: es gibt disparate Welten. Die Welt der klinischen Forschung, die sich allzusehr, technisch gesprochen, auf interne Validität verlegt, also die methodische Gültigkeit der Ergebnisse, aber sich wenig um die externe Validität kümmert, also die Brauchbarkeit der Ergebnisse. Das habe ich verschiedentlich diskutiert [1-3]. Dies führt dazu, dass wir viel gültiges Wissen über in der Praxis wenig brauchbare Praktiken haben und dass in der Praxis hilfreiche Dinge entweder nicht oder schlecht beforscht sind oder so, dass die Ergebnisse nicht für die Praxis relevant sind.

Jetzt wurde die Welt der Bürger sichtbar, wie sie sich in ihrer persönlichen Erfahrung darstellen. Wer dazu beitragen will, kann sich beteiligen. Unter #MachAuchDuMit kann sich jeder mit seinen eigenen Geschichten in den sozialen Medien melden oder seine Geschichte an die DHU direkt schicken (dhu@homoeopathie-natuerlich.de). Ich gehe davon aus, dass auch die Geschichten über die vielen schrecklichen Fehlgriffe homöopathischer Ärzte und Praktiker dort ebenso Platz haben, liebe Skeptiker, wie die Heilungsgeschichten. Dann wird sich ja zeigen, welche Wahrnehmungsverzerrung die grössere ist.

[1] Walach, H., Falkenberg, T., Fonnebo, V., Lewith, G., & Jonas, W. (2006). Circular instead of hierarchical – Methodological principles for the evaluation of complex interventions. BMC Medical Research Methodology, 6(29). https://bmcmedresmethodol.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-2288-6-29

[2] Walach, H., & Loef, M. (2015). Using a matrix-analytical approach to synthesizing evidence solved incompatibility problem in the hierarchy of evidence. Journal of Clinical Epidemiology, 68, 1251-1260. https://www.jclinepi.com/article/S0895-4356(15)00321-2/abstract

[3] Klement, R. J., Bandyopadhyay, P. S., Champ, C. E., & Walach, H. (2018). Application of Bayesian evidence synthesis to modelling the effect of ketogenic therapy on survival of high grade glioma patients. Theoretical Biology and Medical Modelling, 15(12). https://tbiomed.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12976-018-0084-y

 

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