Die Deutschen wollen Homöopathie

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Ergebnisse einer repräsentativen Befragung

Harald Walach

Die Deutsche Homöopathie Union ist Deutschlands größter Hersteller homöopathischer Arzneimittel. Sie hat eine repräsentative Umfrage durchführen lassen, die die Einstellungen und Erfahrungen der Deutschen zur Homöopathie erfassen sollte. Klugerweise wurde eine Firma beauftragt, die solche Studien professionel in ihrem Portfolio hat. Die Firma Kantar TNS beschreibt sich so: Sie sei „eines der renommiertesten Institute für Marktforschung sowie Politik- und Sozialforschung in Deutschland. … In der politik- und sozial­wissenschaftlichen Forschung haben wir mit Großprojekten zur sozialen Sicherheit und öffentlichen Gesundheit immer wieder Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Besonders in der Bildungs- und Arbeits­marktforschung, in der Familien- und Seniorenforschung oder in der Gesundheits­vorsorge.” Profis also.

Diese Profis haben nun eine repräsentative Befragung der Deutschen durchgeführt und 1050 Deutsche im Alter zwischen 16 und 64 Jahren befragt. Die Pressemeldung und die Kurzdarstellung der Befunde gibt es hier:

PressemeldungGrafiken

Kurz gefasst zeigen die Daten, was wir seit den ersten Allensbach-Befragungen aus den 60er Jahren wissen: Die Deutschen mögen ihre Homöopathie, sie haben gute Erfahrungen damit und befürworten ein friedliches Nebeneinander von konventioneller und komplementärer Medizin in der Allgemein-versorgung und Forschung. Ganz kurz: Die Bürger sind weniger leicht ins Bockshorn zu jagen als man denkt. Gottseidank, könnte man dazusagen, in Zeiten von Fake-News, Social-Media Propaganda und was es sonst so alles an Verballhornungen gibt.

75% der Befragten befürworten nämlich das Miteinander von Schulmedizin und komplementärer Medizin wie Homöopathie und Naturheilverfahren. Das kommt nicht von ungefähr. Denn 56% haben Erfahrung mit homöopathischen Arzneimitteln aus eigener Hand, meistens bei Erkältungskrank-heiten. 80% wollen mitentscheiden, welche Arzneimittel in ihrem Fall verwendet werden, und 60% wollen in der Apotheke wählen können, wollen, dass ihr Hausarzt zwischen diesen Möglichkeiten auswählen kann und dass die Kasse dies erstattet. 72% lehnen ein Verbot von Medikamenten der Homöopathie und Naturheilkunde ab.

Es wäre nun schön, wenn diese Befragung zur Gänze publiziert wird, idealerweise in einer peer-reviewten Zeitschrift.

Die Daten zeigen aus meiner Sicht: Menschen machen ihre Erfahrungen mit und im Gesundheitssytem. Wer seine Kinder zum xten Mal mit einer kurzfristig wirksamen Antibiotikabehandlung bei Ohrenentzündung behandelt sieht und erlebt wie jeder Rückfall schneller kommt und anschließend durch eine homöopathische Kur Ruhe einkehrt, der hat eben seine Erfahrung gemacht. Dem ist es anschließend egal, ob ihm hundert Skeptiker klarmachen wollen, das sei nur ein Placebo-Effekt gewesen, wohingegen Antibiotika wirklich gegen Erreger wirken. Tun sie auch; das Problem ist aber, dass sie noch verschiedene andere Wirkungen haben, die wir nicht wollen, z.B. dass sie das Mikrobiom angreifen, unsere schützende und nährende Schicht aus Darmbakterien; dass sie Resistenzen fördern; und dass sie langfristig die Abwehrkraft eben nicht stabilisieren.

Dies zeigt aus meiner Sicht: es gibt disparate Welten. Die Welt der klinischen Forschung, die sich allzusehr, technisch gesprochen, auf interne Validität verlegt, also die methodische Gültigkeit der Ergebnisse, aber sich wenig um die externe Validität kümmert, also die Brauchbarkeit der Ergebnisse. Das habe ich verschiedentlich diskutiert [1-3]. Dies führt dazu, dass wir viel gültiges Wissen über in der Praxis wenig brauchbare Praktiken haben und dass in der Praxis hilfreiche Dinge entweder nicht oder schlecht beforscht sind oder so, dass die Ergebnisse nicht für die Praxis relevant sind.

Jetzt wurde die Welt der Bürger sichtbar, wie sie sich in ihrer persönlichen Erfahrung darstellen. Wer dazu beitragen will, kann sich beteiligen. Unter #MachAuchDuMit kann sich jeder mit seinen eigenen Geschichten in den sozialen Medien melden oder seine Geschichte an die DHU direkt schicken (dhu@homoeopathie-natuerlich.de). Ich gehe davon aus, dass auch die Geschichten über die vielen schrecklichen Fehlgriffe homöopathischer Ärzte und Praktiker dort ebenso Platz haben, liebe Skeptiker, wie die Heilungsgeschichten. Dann wird sich ja zeigen, welche Wahrnehmungsverzerrung die grössere ist.

[1] Walach, H., Falkenberg, T., Fonnebo, V., Lewith, G., & Jonas, W. (2006). Circular instead of hierarchical – Methodological principles for the evaluation of complex interventions. BMC Medical Research Methodology, 6(29). https://bmcmedresmethodol.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-2288-6-29

[2] Walach, H., & Loef, M. (2015). Using a matrix-analytical approach to synthesizing evidence solved incompatibility problem in the hierarchy of evidence. Journal of Clinical Epidemiology, 68, 1251-1260. https://www.jclinepi.com/article/S0895-4356(15)00321-2/abstract

[3] Klement, R. J., Bandyopadhyay, P. S., Champ, C. E., & Walach, H. (2018). Application of Bayesian evidence synthesis to modelling the effect of ketogenic therapy on survival of high grade glioma patients. Theoretical Biology and Medical Modelling, 15(12). https://tbiomed.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12976-018-0084-y

 

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Depression als Nebenwirkung

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bei bis zu 60% der Konsumenten von Arzneimitteln

– und die Homöopathie

Harald Walach

Eine neue, große Kohortenstudie an mehr als 25.000 Patienten zeigt [1]: Medikamente, die Depression oder Suizidalität als mögliche Nebenwirkung verursachen können, werden von 37% der amerikanischen Bevölkerung eingenommen, und der Konsum stieg seit der ersten Befragung 2005 kontinuierlich an. Knapp 10% nehmen 3 oder mehr solche Medikamente ein. Der Konsum von Medikamenten mit Suizidalität als Nebenwirkung stieg von 17% auf 23% an.

Diese Daten stammen aus der großen US-amerikanischen Ernährungsstudie NHANES, die in Zweijahres-Abständen seit 2005 in einer ausgeklügelten repräsentativen Stichprobenauswahl von etwa 38.000 Personen und mit Interviews die amerikanischen Haushalte befragt. In diese Auswertung gingen die Daten von den Personen ein, bei denen alle hier interessierenden Informationen vorlagen. Das war die Erfassung der Depression, die mit einem kleinen Fragenbogen (Patient Health Questionnaire 9) dokumentiert wurde. Sehr solide sind die Arzneimittel mit Nebenwirkungspotenzial erfasst, nämlich mit einem Computer vor Ort, der über eine Datenbank die von den Befragten vorgezeigten Arzneien anhand ihres Namens auf das Nebenwirkungspotenzial anhand der bekannten Profile analysiert. Dabei wurden nur solche Arzneimittel berücksichtigt, bei denen diese Nebenwirkungsprofile bekannterweise Depression oder Selbstmordgefährdung oder –gedanken enthalten.

Die wichtigsten Arzneien in diesen Gruppen sind die Beta-Blocker Metoprolol und Atenolol, die bei Bluthochdruck und zur Migräneprophylaxe verschrieben werden, der Protonenpumpeninhibitor Omeprazol, der gerne bei saurem Aufstoßen und Magengeschwüren verwendet wird, Hydrocodon, das bei uns als Hustenmittel und als Schmerzmittel verwendet wird und Gabapentin, das als Antikrampfmittel, als Mittel gegen neuropathische Schmerzen und zur Sedierung eingesetzt wird. Als Mittel gegen neuropathische Schmerzen bescheinigt ihm die Cochrane-Collaboration Wirkung auf neuropathische Schmerzen bei einigen Menschen. Außerdem gehören Schmerzmittel (deren Konsum aber nicht gestiegen ist) zu dieser Gruppe, und Kontrazeptiva, die sog. „Antibabypillen“. Für Protonenpumpeninhibitoren ist schon länger ein 2,3-faches Risiko für Depression als Nebenwirkung bekannt und bei Kontrazeptiva ein 1,7-faches  Risiko. Antidepressiva selber und andere Psychotropika wurden übrigens auch berücksichtigt, denn sie gehören ebenfalls zu den Arzneien mit Risiko für Suizidalität; ihr Konsum ist um beinahe 4% gestiegen, ebenso wie Anxiolytika, also Medikamente zur Angstlösung mit einem Anstieg des Konsums um 2,4%. Wer es genau wissen will, ob seine Depression von der Medikation kommen könnte, die er oder sie einnimmt, schaut sich am besten selber die Tabelle 2 in dieser Publikation an, die frei verfügbar ist. Dort sind die wichtigsten Generika, also die Namen der chemischen Substanzen aufgelistet. Gibt man diese in deutsche Internetsuchmaschinen ein, erhält man meistens Links zu den wichtigsten in Deutschland zugelassenen Handelsnamen der Präparate. Die Häufigkeit von Depression liegt im niedrigsten Fall bei 16% für Finasterid, das Männer gerne zur Behandlung des Haarausfalls nehmen oder zur Behandlung der gutartigen Prostatahyperplasie, das aber auch zu Erektionsproblemen führt. Die höchste Zahl fanden die Forscher für Gabapentin mit mehr als 60% Nebenwirkungspotenzial für Depression. Gabapentin wird zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen, als Antikrampfmittel und zur Behandlung von Epilepsie verwendet und leicht veränderte Substanzen werden zur Angstlösung eingesetzt. Sensitivitätsanalysen, bei denen Depressionspatienten mit Antidepressiva oder Bluthochdruckpatienten aus der Analyse genommen wurden, veränderten die Ergebnisse der Analyse nicht wesentlich, so dass sie wohl robust sind.

Klarerweise kann man aus einer solchen Querschnittstudie keine eigentliche Kausalität ableiten. Dazu hätten die Autoren die Daten von vor 2 Jahren mit der Depression heute vergleichen müssen oder noch besser, über längere Zeit den Konsum und dann das Auftreten der Depression dokumentieren. Aber die große Zahl der Patienten und die Robustheit der Analysen zeigen, dass das Potenzial für solche Nebenwirkungen groß ist.

Was ich an all dem bemerkenswert finde ist zum einen die große und steigende Zahl von Menschen, mehr als ein Drittel der Bevölkerung in den USA, die mit drei oder mehr Medikamenten behandelt werden, die ein solches synergistisches Nebenwirkungspotenzial haben. Denn wenn solche Menschen dann an Depression leiden, ist die Chance groß, dass sie von einem Spezialisten oder Psychiater ein weiteres Medikament zur Behandlung ihrer Depression verschrieben bekommen, das dann das Risiko für Suizidalität wiederum erhöht. Auf diese Dynamik hat Peter Gøtzsche hingewiesen, dessen Buch ich vor Kurzem besprochen habe [2].   Dabei wäre in diesem Falle vermutlich die beste Intervention: Medikamente absetzen oder wechseln und schauen, was passiert.

Depression und Homöopathische Behandlung

Liebe Kollegen von der Homöopathiekritik: Verstehen Sie jetzt vielleicht etwas besser, warum eine „unwirksame“ Methode wie die Homöopathie in vielen Fällen unter Umständen therapeutischer sein kann als alles, was unsere „wirksame“ Medizin zu bieten hat? Darauf habe ich vor einer Weile schon mal hingewiesen in einem Buch, das demnächst wieder erscheinen wird [3].  Denn sie behandelt „mit praktisch nichts“, ausser mit wohlwollender Intention und möglicherweise mit einer spezifischen Arznei die allenfalls zusätzlich noch die eigenen Selbstheilungskräfte anregt. Und damit kann man wenigstens nichts kaputtmachen, und wenn sie in der Hand eines guten Behandlers liegt, der genug von Diagnostik versteht, wird auch keine wesentliche Maßnahme versäumt. Daher dient der fanatische Kampf gegen die Homöopathie niemandem, ausser der Industrie.

Depression und Psychotherapie

Diejenigen, die an Depression leiden, sollten also in meinen Augen zunächst mal Ihren Arzneischrank und ihre regelmässige Medikation überprüfen. Wenn dann nichts darunter ist, was die Depression durch Nebenwirkungen erklärt, wäre als allererste Wahl der Behandlung Psychotherapie ins Auge zu fassen. Die funktioniert in aller Regel gut [4] und ist auf jeden Fall nachhaltiger wirksam, als pharmakologische Therapie mit Antidepressiva [5].

Homöopathie und Fluoxetin im Vergleich

Wer das aus irgendeinem Grund nicht tun will kann immerhin auch Homöopathie ins Auge fassen. Eine Vergleichsstudie mit dem Antidepressivum Fluoxetin gibt es dazu [6]. 91 Depressionspatienten erhielten dabei entweder homöopathisch individualisierte Therapie mit den homöopathischen Q-Potenzen, oder sie erhielten Fluoxetin, ein klassisches Antidepressivum aus der Kategorie der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Q-Potenzen sind 50.000er Verdünnungsreihen, wie sie Hahnemann am Ende seines Lebens verwendet hat. Diese kann man eine Weile lang täglich einnehmen und ihre Wirkung besser steuern. Die Studie war verblindet, also erhielten alle Patienten auch die jeweils andere Substanz als Placebo, eine sog. double-dummy Methode. Wer Homöopathie erhielt, wusste es also nicht und erhielt ein Fluoxetinplacebo verpackt. Wer Fluoxetin erhielt, wusste es auch nicht und bekam ein Homöopathieplacebo. Nach 4 Wochen konnte die Versorgung noch einmal angepasst werden und nach 4 und 8 Wochen wurde der Erfolg mit der Montgomery-Asperger Skala gemessen. Die Patienten hatten alle eine mittelschwere bis schwere Depression, und Patienten mussten mindestens einen Monat vorher frei von Medikation gewesen sein. Die Studie war als Nicht-Unterlegenheitsstudie angelegt, d.h. getestet wurde, ob die homöopathische Therapie der Fluoxetinbehandlung ebenbürtig war. Das war sie; sie war sogar leicht besser, aber um einen Vorteil gegenüber Fluoxetin nachweisen zu können hätte sie wesentlich grösser sein müssen. Die Patienten im Fluoxtin-Arm schieden tendenziell häufiger wegen Nebenwirkungen aus (alles andere würden einen auch skeptisch machen), und Patienten in der Homöopathiegruppe schieden tendenziell öfter aus wegen einer Verschlimmerung; ob aufgrund der Unwirksamkeit der Homöopathie, oder weil sie auf Antidepressivum-Entzug waren, oder weil sie eine Erstverschlimmerung erlebten ist nicht klar. Insgesamt hat die Studie, wie fast alle Depressionsstudien, viele Patienten im Laufe der Studie verloren, weil sie nicht wiederkamen oder abbrachen, so dass nur insgesamt 55 Patienten die Studie beendet haben. Daher sind die Ergebnisse aus meiner Sicht allenfalls vorläufige Hinweise. Aber sie zeigen: auch mit Homöopathie kann man Depression behandeln.

Vermutlich ist die Nichtbehandlung, wie ich vorher sagte, und zwar mit Wohlwollen und Feinfühligkeit, in vielen Fällen die beste Behandlungsoption. Und wenn noch Homöopathie hinzukommt, dann ist es auf jeden Fall kein Schaden. Wer weiss, vielleicht ist das sogar eines der Geheimnisse der Homöopathie: Nicht zu behandeln und das gekonnt.

Literatur

[1] Qato, D. M., Ozenberger, K., & Olfson, M. (2018). Prevalence of prescription medications with depression as a potential adverse effect among adults in the United States. JAMA, 319(22), 2289-2298.

[2] Gøtzsche, P. C. (2015). Deadly Psychiatry and Organised Denial. Copenhagen: People’s Press.

[3] Walach, H. (2011). Weg mit den Pillen! Selbstheilung oder warum wir für unsere Gesundheit Verantwortung übernehmen müssen – Eine Streitschrift. München: Irisiana.

Walach, H. (2016). Selbstheilung – die Medizin denkt um. Momentum – Gesund leben bei Krebs(1), 1-13.

Walach, H. (2018, im Druck). Heilung kommt von innen: Verantwortung und Selbstheilung – ein neues Denkmodell für die Medizin. München: Droemer Knaur.

[4] Barth, J., Munder, T., Gerger, H., Nüesch, E., Trelle, S., Znoj, H. J., et al. (2013). Comparative efficacy of seven psychotherapeutic interventions for patients with depression: A network meta-analysis. PLoS Medicine, 10(5), e1001454. http://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1001454

Zimmermann, J., Löffler-Stastka, H., Huber, D., Klug, G., Alhabbo, S., Bock, A., et al. (2015). Is it all about the higher dose? Why psychoanalytic therapy is an effective treatment for major depressoin. Clinical Psychology and Psychotherapy, 22, 469-487. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/cpp.1917

[5] Vorderholzer, U., & Barton, B. (2016). Langfristige Wirkung von Psychotherapie bei nichtchronischen Depressionen: Ein systematisches Review von Studien im Vergleich mit Pharmakotherapie. Verhaltenstherapie, 26, 108-115. https://www.karger.com/Article/FullText/446674

[6] Adler, U. C., Paiva, N. M. P., Cesar, A. T., Adler, M. S., Molina, A., Padula, A. E., et al. (2009). Homeopathic individualized Q-potencies versus fluoxetine for moderate to severe depression: double-blind, randomized non-inferiority trial. eCAM, doi:10.1093/ecam/nep114. https://www.hindawi.com/journals/ecam/2011/520182/

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Spieglein, Spieglein an der Wand…

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wer heilt Atemwegsinfekte im Land?

Ein Review der Cochrane Collaboration zur homöopathischen Behandlung von Atemwegsinfekten stellt fest: Keine Wirkung über Placebo hinaus. – Lesen Sie die Details

Harald Walach, Katharina Gaertner

Die Grippewelle ist gerade vorbei, da verkündet die Cochrane Collaboration: Homöopathie hilft bei Atemwegsinfekten von Kindern nicht besser als Placebo [1]. Und damit es auch keiner übersieht, legt Spieglein an der Wand nach und meint, wieder einmal sei die Unwirksamkeit der Homöopathie bewiesen. Wollen wir ein paar genauere Blicke auf die Daten und ihre Interpretation werfen und die Frage stellen: falls Homöopathie wirklich so unwirksam ist, welche anderen, wirksamen, vielleicht konventionellen Alternativen hat denn unsere Medizin so auf Lager, wenn man der Cochrane Collaboration folgt? Aber der Reihe nach:

Wirkt Homöopathie bei oberen Atemwegsinfekten von Kindern?

 

Die Autoren des Cochrane Reviews(*) sagen: Nein. Sie stützen ihre Aussage auf acht Studien, und zwar nur auf doppelblinde, placebo-kontrollierte. Das ist allgemeiner Standard bei den Cochrane Reviews, falls es solche Studien gibt, weil sie laut geltender Lehrmeinung die besten Aussagen zulassen. Dass diese Meinung nicht unbedingt überzeugend ist, habe ich mehrfach dargelegt [2,3], weil sie zu Paradoxa, u.a. dem Wirksamkeitsparadox führt [4]. Dieses ist mittlerweile auch von anderen mit Hilfe von Daten aus der Migräneforschung nachgewiesen worden [5]; aber das wollen wir jetzt nicht weiter verfolgen.

Die älteste Studie von Elli de Lange de Klerk [6] untersuchte insgesamt 175 Kinder über ein halbes Jahr, die individualisiert homöopathisch behandelt worden waren. Der Effekt ist nicht signifikant und klinisch klein (d = 0.14, also etwas mehr als eine zehntel Standardabweichung, was wirklich nicht sehr viel ist). Allerdings zeigt sich bei den homöopathisch behandelten Kindern weniger Antibiotikaverbrauch nach einem Jahr. Dieser Effekt ist mit einer Odds Ratio von 1.68 interessant (p = 0.09), weil er einen langfristigen Präventionseffekt zu spiegeln scheint. [Eine Odds Ratio ist das Verhältnis von gebesserten zu nicht gebesserten Patienten. Wenn sie gleich 1 ist, gibt es keinen Unterschied. In diesem Falle hätten homöopathisch behandelte Kinder eine 68% höhere Chance ohne Antibiotika auszukommen.]

Jennifer Jabocs [7, 8] legte zwei Studien vor, bei denen der akute Effekt bei Otitis media bzw. Atemwegsinfekten überprüft werden sollte. Die erste Studie war eine Pilotstudie mit wenigen Kindern, die den akuten Effekt über einen komplexen Symtpomenscore nach 3 Tagen überprüfte. Die homöopathisch behandelten Kinder waren tendenziell nach 3 Tagen eher geheilt; die Odds Ratio (OR) betrug 1.84, die allerdings aufgrund der kleinen Patientenzahl nicht signifikant war. Die zweite Studie untersuchte die Wirksamkeit eines homöopathischen Hustensirups, allerdings mit der etwas merkwürdigen Zielgröße von Symptomenscores nach einer Stunde. In diesem Falle war die Placebogruppe mit einer OR = 0.95 leicht besser. Eine neuere spanische Studie [9] untersuchten die Wirksamkeit einer fixen Kombination bei Otitis media gegenüber Placebo als Zusatzbehandlung. Der Effekt war mit einer OR = 1.36 nicht signifikant und klein. Kombiniert man diese Studien meta-analytisch – etwas was die Autoren nicht getan haben – dann findet man eine nichtsignifikante Effektgröße von OR = 1.26 (p = 0.16). Homöopathisch behandelte Kinder haben also eine 26% bessere Chance einen Therapieerfolg zu erleben oder am Ende bessere Symptomenscores zu haben; allerdings ist die Irrtumswahrscheinlichkeit für eine solche Aussage hoch.

Eine indische Studie fällt etwas aus dem Rahmen [10]: sie verglich homöopathische Therapie mit konventioneller bei 80 Patienten. In der Homöopathiegruppe wurden 38 von 40 geheilt, zwei konnten nicht dokumentiert werden. In der konventionellen Gruppe waren am Ende alle 40 geheilt. Allerdings hatte in der Homöopathiegruppe kein Patient Antibiotika nötig, wohingegen in der konventionellen Gruppe 39 von 40 Patienten Antibiotika erhalten hatten. Die Autoren folgern, dass homöopathische Therapie genauso gut wie konventionelle funktioniere, vor allem auch deshalb, weil der Therapieerfolg in der Homöopathiegruppe schon früher eintritt.

Eine südafrikanische Studie untersuchte an 30 Kindern mit Tonsillitis den Effekt eines homöopathischen Komplexarzneimittels und fand einen sehr großen, statistisch signifikanten Effekt (d = 1.4) [11].

Aslak Steinsbekk  und Kollegen untersuchten einen präventiven Ansatz: Eltern von Kindern mit wiederkehrenden Infekten konnten entsprechend der Konstitution ihrer Kinder eine von drei homöopathischen Arzneien auswählen, die dann 3 Monate lang gegeben wurden, verglichen mit Placebo. Der Symptomenscore war am Ende der Untersuchungszeit in beiden Gruppen gebessert, in der Placebogruppe sogar leicht besser.

Schließlich wird noch eine präventive Studie aus Brasilien angeführt [13]: Insgesamt 600 Kinder erhielten präventiv entweder einen homöopathisch zubereiteten „Impfstoff“ aus lebendigen Grippeviren in der Potenz D30, oder eine homöopathische Arznei aus abgetöteten bakteriellen Erregern (eine sog. Nosode), ebenfalls in der D30, oder Placebo. 12 Monate später wurde über das öffentliche Gesundheitssystem die Anzahl der Grippefälle und akuter respiratorischer Infekte dokumentiert. Von den 75% der Kinder, die die Studie über durchgehalten haben zeigten diejenigen, die die homöopathischen Nosoden erhalten hatten, signifikant weniger Grippe- und akute Atemwegsinfekte ein Jahr später.

Lassen wir einmal die Frage außer Acht, wie gut die Studien waren – sie waren in den meisten Fällen einigermaßen in Ordnung, sieht man von der indischen und brasilianischen ab – und fragen uns: Wie gut war die Methode der Homöopathie in diesen Studien umgesetzt worden, so sehen wir: Nur de Lange de Klerk und Sinha haben Homöopathie in ihrer Bandbreite untersucht. Alle anderen Studien haben eine Kurzform oder eine Spielart der Homöopathie untersucht. Der Bericht von Sinha lässt einige wichtige Details vermissen und dokumentiert die annähernde Gleichwertigkeit konventioneller und homöopathischer Therapie. De Lange de Klerk zeigt eine marginale Überlegenheit der Homöopathie. Die andern Studien eignen sich nicht wirklich dazu, eine Aussage zu treffen. Die brasilianische Präventionsstudie ist interessant, hat aber eine zu große Anzahl von fehlenden Daten. Die südafrikanische Tonsillitis-Studie zeigt einen großen Effekt, welcher jedoch nur auf einer sehr kleinen Studienpopulation beruht. Die spanische Studie und die zweite Studie von Jennifer Jacobs untersuchten eine Fixarznei-Kombination, was eigentlich dem Individualisierungsprinzip widerspricht. Die Indikationen der norwegischen und der ersten Jacobs-Studie sind ebenfalls eher sehr grobschlächtig.

Wir halten fest:

  1. Homöopathie im eigentlichen Sinne ist schlecht untersucht und sollte von der Einnahme von potenzierten Arzneimitteln unterschieden werden.
  2. Die hier aufgenommen Studien lassen keinen allgemeinen Schluss zu.
  3. Fasst man die Daten, die einigermaßen gut verglichen werden können statistisch zusammen, sieht man nicht-signifikante Effekte zugunsten von Homöopathie und potenzierten Arzneimitteln.

Damit ist die Aussage: „Der Cochrane Review zeigt, dass Homöopathie nicht wirkt“ sachlich falsch und methodisch-inhaltlich aufgrund der Daten gar nicht zu treffen. Mal abgesehen von der Tatsache, dass das Vorliegen mangelnder Wirksamkeitsdaten kein Beweis für die mangelnde Wirksamkeit wäre. „Wir wissen nicht, ob x wirkt“ heisst nicht „Wir wissen, dass x nicht wirkt“. Falsche Logik, liebes Spieglein.

Gibt es andere Hinweise auf die Wirksamkeit der Homöopathie?

Cochrane Reviews nehmen i.d.R. nur randomisierte, oft placebo-kontrollierte Studien in ihre Reviews auf. Dahinter steckt die Logik: nur diese Studien sind so verzerrungsfrei wie möglich. Dies ist auch nicht falsch, aber nicht die ganze Wahrheit. Denn andere Studie geben uns oft andere wichtige Informationen (zum Beispiel, welche Interventionen bei welchen Kollektiven (Patienten) positive oder negative Effekte zeigen und damit sinnvoll oder nicht sind). Randomisierte Studien haben ihre eigenen Probleme: Sie erfassen immer nur ein sehr begrenztes Kollektiv in einem experimentellen Setting. Das führt dazu, dass viele Praktiker beklagen die Ergebnisse nicht in den Alltag integrieren zu können (Freeman AC, Sweeney K. Why general practitioners do not implement evidence: Qualitative study. BMJ 2001;323:1100– 1102; Green ML, Ruff TR. Why do residents fail to answer their clinical questions? A qualitative study of barriers to practic- ing evidence-based medicine. Acad Med 2005;80:176–182). In Anbetracht der Tatsache, dass es für viele medizinische Interventionen gar keine Evidenz durch kontrollierte Studien, geschweige denn randomisierten gibt (so wie dies Untersuchungen des British Medical Council für 3000 beispielhafte medizinische Interventionen belegen), fragt sich daher ob sich der erheblich höhere finanzielle Aufwand der randomisierten Studien für die klinische Praxis letztendlich wirklich lohnt. Diese Frage wird allerdings leider weder von Betroffenen noch von den Medien diskutiert. Abgesehen davon kann man auch inhaltlich argumentieren, dass eine lebensweltliche Untersuchung, also ohne irgendeine experimentelle Intervention näher an der Wirklichkeit ist. Daher wären naturalistische Kohortenstudien an sich mindestens ebenso gut geeignet, die Effekte der Homöopathie zu untersuchen. Und eigentlich hätten die Cochrane-Review Autoren auch an den Stellen, wo sie selber fanden, dass zu wenig Daten vorliegen oder die vorliegenden Daten nicht ausreichend stabil sind, auf solche Kohortenstudien zurückgreifen müssen, wenn sie ihrem eigenen Handbuch gefolgt wären. Haben sie aber nicht. Daher werden wir das bei Gelegenheit nachholen und die insgesamt 25 Kohortenstudien, die es auch noch gibt, in einem matrix-analytischen Verfahren mit den Daten der vorliegenden randomisierten Studien verknüpfen, wie wir es vorgeschlagen [3] und anhand eines anderen Modells gerade eben vorgeführt haben [14].

Einen kleinen Hinweis mag uns die zweite Studie von Aslak Steinsbekk geben, die nicht in den Review aufgenommen wurde [15]: Dort wurden 82 Kinder mit oberen Atemwegsinfekten von Homöopathen klassisch und individualisiert behandelt. Die Kontrollgruppe, 87 Kinder, mussten erst 3 Monate auf eine Behandlung warten, erhielten danach aber eine. Das ist insofern eine realistischere Situation, weil damit alle Patienten die Behandlung bekommen, deretwegen sie an der Studie teilnehmen. Die Behandler sind nicht verblindet und können frei aus ihrem Arzneischatz wählen. Damit ist die Studie pragmatisch, weil sie nicht die Frage stellt, ob Homöopathie besser ist als Placebo, sondern ob Homöopathie den normalen Krankheitsverlauf verändert. Das ist exakt die Frage, die auch einen kranken Menschen interessiert. Homöopathie verändert den Krankheitsverlauf: der Symptomenscore ist mit 24 signifikant tiefer als bei der Kontrolle mit 44. Die Patienten sind ohne Homöopathie im Median 13 Tage krank, mit Homöopathie 8 Tage, ein deutlicher und statistisch signifikanter Unterschied.

Wir hatten noch nicht die Zeit, uns alle 25 Kohorten- oder pragmatischen Studien anzusehen. Aber an dem kleinen Beispiel sehen wir: Das letzte Wort dürfte noch nicht gesprochen sein

Welche anderen Optionen bietet uns die moderne Medizin?

Nun könnte ja der postmoderne Fan der pharmakologischen Wunderwaffen auf die Idee kommen, die moderne Medizin hat doch sicher noch ein paar wirksame Pfeile im Köcher, ohne dass man die armen Kinder und die noch ärmeren Eltern an die Medizin der finsteren Zeiten, die magische Homöopathie verweisen muss, nicht wahr? Daher haben wir uns mal die Cochrane Library durchgesehen. Wenn man diese Datenbank mit dem einfachen Suchbegriff „Upper Respiratory Tract Infection in Children“ durchsucht, erhält man 15 Treffer, unseren Review von Hawke [1] mit eingeschlossen. Zwei von diesen Treffern sind allerdings nur Studien an Erwachsenen und fallen weg.

Die anderen Studien sind in der Tabelle zusammengefasst:

Autoren Ergebnis Kommentar
Gegenstand
Anzahl Studien
Hawke 2017 kleine, nicht signifikante Effekte Siehe Text
Homöopathie bei URTI
8 Studien, 1562 Kinder
Chalumeau 2013 Fieber: Risk Difference = 5% (ns) (3 Kinder vs. 0) nach einer Woche; Husten: Risk Difference = 10% (sign) Dyspnoea: RD = 3% (ns), alles nach einer Woche kleiner und lt. Autoren unbedeutender Effekt
Acetylcystein bei URTI bei Kindern
6 Studien;  n =  497
Su 2016 insufficient evidence
Astragalus (TCM Arznei) zur Prävention häufiger URTI Infekte bei Kindern
120 Publikationen, keine Studien einschliessbar
Galvao 2016 Amoxicillin zur Verhinderung von Otitis: RR = 0.7, nicht sign. Ampicillin RR 0 1.05, nicht sign kein Effekt; nicht empfohlen; Nebenwirkungen nicht untersuchbar
Antibiotika zur Prävention eitriger Komplikationen bei Kindern mit häufigen URTIs
4 Studien; n = 1314 Kinder
O’Sullivan 2016 Information reduziert die Verschreibung von Antibiotika (RR = 0.47) und die Verwendung (RR = 0.53) durch Eltern allerdings erhöht Rückmeldung wiederum die Verschreibung
Written information to reduce antibiotic use
2 Studien, n = 827
King 2015 d = 0.31 in einer Studie mit Kindern; kleiner Effekt auf einer 4 Punkte Skala
Salzlösungsspülung zur Behandlung von URTIs
5 Studien, 544 Kinder, 205 Erwachsene
Fortanier 2014 Relative Risikoreduktion von 5% (high risk) und 7% (insgesamt); anderes Vakzin 33% kleine Effekte; keine Kontrollen gegen nicht behandelte Kinder; keine Sicherheitsdaten
Pneumokokken Vakzin zur Verhinderung von Otitis Media
9 Studien, 48.426 Kinder
Sjoukes 2016 Unterschied zwischen Placebo und Paracetamol (10% Kinder mit Schmerzen vs. 25% Kinder nach 48 Stunden; RR = 0.38) und Ibuprofen (7% Kinder mit Schmerzen vs. 25% Kinder nach 48 hM, RR = 0.25); low quality evidence; kein Unterschied zwischen den Substanzen; keine guten Daten zu Sicherheit Despite explicit guideline recommendations on its use, current evidence on the effectiveness of paracetamol or NSAIDs, alone or combined, in relieving pain in children with AOM is limited. Low quality evidence indicates that both paracetamol and ibuprofen as monotherapies are more effective than placebo in relieving short-term ear pain in children with AOM.
Paracetamol bei Ohrschmerzen
3 Studien, 327 Kinder
Moraa 2013 Kurzfristiger Effekt in einer Studie; evtl. ist der Effekt gleich wie der von Sauerstoff; insgesamt nicht klar grössere Studien nötig
Helium-Oxygen Inhalation bei Krupp
3 Studien, 91 Kinder
Kenealy 2013 kein Effekt: RR = 0.95, aber mehr Nebenwirkungen RR = 1.8, vor allem bei Erwachsenen RR = 2.61 für Nebenwirkungen; bei Schnupfen war der Effekt etwas besser (RR = 0.73), aber nicht signifkant, die Nebenwirkungen schon sollte man definitiv nicht anwenden
Antibiotika bei Erkältung und eitrigem Schnupfen
11 Studien, 1047 Patienten
Smith 2014 Bei Kindern waren Antitussiva, Antihistaminika und Bronchodilatoren nicht effektiver als Placebo; eine Studie zeigte einen Effekt von Mukolytika; eine Studie zeigte Überlegenheit zweier Expektorantien über Placebo; eine Studie zeigte Überlegenheit von Honig gegenüber Kontrolle There is no good evidence for or against the effectiveness of OTC medicines in acute cough. This should be taken into account when considering prescribing antihistamines and centrally active antitussive agents in children; drugs that are known to have the potential to cause serious harm.
OTC Medikation für Husten (Standardexpektorationen, Codein, etc.)
29 Studien, 4835 Patienten
Hayward 2015 zwei Studien zeigten keinen Effekt, eine Studie war schlecht gemacht und zeigte einen Effekt Current evidence does not support the use of intranasal corticosteroids for symptomatic relief from the common cold.
Corticosteroids for the common cold
3 Studien, 353 Patienten
Hayward 2012 nach 24 Stunden RR = 3.2, nach 48 h RR = 1.7, hochsignifikant keine Unterschiede in Relapse oder Nebenwirkungen, aber schlechte Dokumentation von Nebenwirkungen
Corticosteroids for sore throat
8 Studien, 743 Teilnehmer
van Aardweg 2010 in einer Studie keine Effekte, ansonsten keine interpretierbaren Ergebnisse die homöopathische Studie fehlt
Adenoidektomie bei wiederkehrenden Erkältungssymptomen
2 Studien
De Sutter 2015 kurzfristiger Effekt: OR = 0.74 (45% vs 38% unter Placebo hatten eine Besserung am 1. Tag); kein Effekt danach; kleiner Effekt auf Symptome wie Schnupfen (d = 0.23) und Niesen (d = 0.35); Nebenwirkungen: Müdigkeit; bei Kindern kein klarer Effekt There is no evidence of effectiveness of antihistamines in children.
Antihistaminika für Erkältung
18 Studien, 4243 Patienten

Eine TCM Intervention (Su 2016) lässt sich nicht interpretieren, weil keine entsprechend einschließbaren Studien vorliegen. Die berühmteste Intervention von allen, Antibiotika-Therapie, wird aufgrund der vorliegenden Datenlage definitiv nicht empfohlen. Sie wirkt nicht und sie führt zu Resistenzen und Nebenwirkungen. Antihistaminika haben einen kleinen Effekt, aber auch deutliche Nebenwirkungen (Müdigkeit); bei Kindern sind die Effekte unklar, weswegen sie nicht empfohlen werden. Ibuprofen und Paracetamol, also Entzündungshemmer, wirken bei Ohrenschmerzen besser als Placebo, allerdings fehlen Daten zur Sicherheit (und angesichts der Tatsache, dass diese Entzündungshemmer in England zu den Einzelsubstanzen mit den meisten Todesfällen gehören [16], fragt man sich, ob eine Empfehlung bei Kindern wirklich verantwortbar ist). Corticosteroide wirken bei Halsweh, nicht aber bei Schnupfen. Man könnte noch eine Salzlösungsspülung ins Auge fassen. Die funktioniert nämlich sogar. Besser sind allerdings Probiotika. Die wirken tatsächlich; eine andere komplementärmedizinische Intervention übrigens, die vor gar nicht allzu langer Zeit noch verteufelt wurde. Die übrigen Sachen, die der Doktor so gerne verschreibt: Schleimlöser und andere Dinge, die man so gegen Husten in der Apotheke bekommt: mindestens bei Kindern wirken sie nicht. Dann schon lieber Honig. Der wirkt. Pneumokokkenimpfung könnte man noch präventiv gegen Otitis media überlegen. Allerdings ist die relative Risikoreduktion gering und die Studien geben wenig Information zur Sicherheit. Die beliebte Mandeloperation hat langsam ausgedient: sie zeigt keine Wirkung.

So, damit wären wir am Ende der Leiter, mindestens was die von der Cochrane Collaboration erfassten Interventionen angeht, die allerdings in der Regel die wichtigeren und umstritteneren zuerst unter die Lupe nimmt.

Fassen wir zusammen:

Groß sind die Behandlungsoptionen für Kinder mit oberen Atemwegsinfekten nicht, wenn man wirksame und sichere Behandlungen sucht. Auch für diese Indikation gibt es keine guten Belege für die meisten Standardinterventionen. Hustenlöser, Schleimlöser, Antibiotika, Antihistaminika und Co, sind nicht wirksam. Manche sind wirksam, aber nicht unbedenklich. Am ehesten noch Probiotika, Kochsalzlösung zum Nasenspülen. Corticosteroide funktionieren definitiv, wenigstens bei Halsschmerzen (puh, wenigstens irgendwas, könnte man denken). Aber wollen wir damit wirklich schon bei kleinen Kindern anfangen? Also wollen wir vielleicht doch lieber mal unser Glück bei so einem wachsweichen, unklaren, schlecht verstandenen, die postmoderne Rationalität ärgernden Verfahren wie die Homöopathie versuchen? Die Daten sind mindestens so vielversprechend oder nichtssagend wie bei irgendeiner anderen Intervention, die der Hausarzt so im Köcher hat. Aber es gibt möglicherweise noch ein paar Daten, die bislang nicht berücksichtigt worden sind.

Spieglein, Spieglein an der Wand…. wer heilt jetzt Atemwegsinfekte im Land?

(*) Cochrane Reviews werden von einem Netzwerk von freiwilligen Forschern nach einheitlichen Qualitätskriterien erstellt. Meistens suchen sich Autoren, die sich für ein Krankheitsbild interessieren, Interventionen, die in der Regel bei diesem Krankheitsbild angewandt werden. Die Autoren sind gehalten möglichst umfassende Suchstrategien anzuwenden und die Studien nach einem Schema danach zu bewerten, wie hoch die Gefahr ist, dass die Daten aufgrund methodischer Schwächen verzerrt sind. Normalerweise werden nur randomisierte Studien verwendet. Wo diese nicht vorliegen, oder zu unklaren Ergebnissen führen, sollten an sich auch andere Daten – Kohortenstudien oder pragmatische Vergleichsstudien – herangezogen werden. Das unterlassen aber viele Autoren, weil damit deutlich mehr Aufwand einher geht. Wenn möglich, werden die Daten quantitativ mit einer Meta-Analyse zusammengefasst. Da sich die Arbeitsgruppen dazu verpflichten, ihre Reviews auf dem Laufenden zu halten, werden sie i.d.R. immer dann auf den neuesten Stand gebracht, wenn wieder neue Informationen vorliegen. Cochrane Reviews stehen daher im Ruf besonders zuverlässig, aber auch besonders streng zu sein.

Literatur

[1] Hawke, K., van Driel, M. L., Buffington, B. J., McGuire, T. M., & King, D. (2017). Homeopathic medicinal products for preventing and treating acute respiratory tract infections in children (review). Cochrane Database of Systematic Reviews(4), Art. CD005974.

[2] Walach, H., Falkenberg, T., Fonnebo, V., Lewith, G., & Jonas, W. (2006). Circular instead of hierarchical – Methodological principles for the evaluation of complex interventions. BMC Medical Research Methodology, 6(29).

[3] Walach, H., & Loef, M. (2015). Using a matrix-analytical approach to synthesizing evidence solved incompatibility problem in the hierarchy of evidence. Journal of Clinical Epidemiology, 68, 1251-1260.

[4] Walach, H. (2001). Das Wirksamkeitsparadox in der Komplementärmedizin. Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde, 8, 193-195.

[5] Meissner, K., Fässler, M., Kleijnen, J., Hróbjartsson, A., Schneider, A., Antes, G., et al. (2013). Differential effectiveness of placebo treatments: A systematic review of migraine prophylaxis. JAMA Internal Medicine, 173, 1941-1951.

[6] De Lange De Klerk, E. S., Blommers, J., Kuik, D. J., Bezemer, P. D., & Feenstra, L. (1994). Effect of homoeopathic medicines on daily burden of symptoms in children with recurrent upper respiratory tract infections. British Medical Journal, 309, 1329-1332.

[7] Jacobs, J., Springer, D. A., & Crothers, D. (2001). Homeopathic treatment of acute otitis media in children: a preliminary randomized placebo-controlled trial. Pediatric Infectious Disease Journal, 20, 177-183.

[8] Jacobs, J., & Taylor, J. A. (2016). A randomized controlled trial of a homeopathic syrup in the treatment of cold symptoms in young children. Complementary Therapeis in Medicine, 29, 229-234.

[9] Pedrero-Escalas, M. F., Jimenz-Antolin, J., Lassaletta, L., Diaz-Saez, G., & Gavilán, J. (2016). Hospital clinical trial: Homeopathy (Agraphis nutans 5CH, Thuja occidentalis 5 CH, Kalium muriaticum 9 CH and Arsenicum iodatum 9 CH as adjuvant, in children with otitis media. International Journal of Pediatric Otorhinolaryngology, 88, 217-223.

[10] Sinha, M. N., Siddiqui, V. A., Nayak, C., Singh, V., Dixit, R., Dewan, D., et al. (2012). Randomized controlled pilot study to compare homeopathy and conventional therapy in acute otitis media. Homeopathy, 101, 5-12.

[11] Malapane, E., Solomon, E. M., & Pellow, J. (2014). Efficacy of a homeopathic complex on acute viral tonsillitis. Journal of Alternative & Complementary Medicine, 20, 868-873.

[12] Steinsbekk, A., Bentzen, N., Fonnebo, V., & Lewith, G. (2005). Self treatment with one of three self selected, ultrmolecular homeopathic medicines for prevention of upper respiratory tract infections in children. A double-blind randomized placebo controlled trial. British Journal of Clinical Pharmacology, 59, 447-455.

[13] Siqueira, C. M., Homsani, F., da Veiga, V. F., Lyrio, C., Mattos, H., Passos, S. R. L., et al. (2016). Homeopathic medicines for prevention of influenza and acute respiratory tract infections in children: cling, randomized, placebo-controlled clinical trial. Homeopathy, 105, 71-77.

[14] Klement, R., Bandyopadhyay, P. S., Champ, C. E., & Walach, H. (2018). Modeling the effects of ketogenic therapy on survival in patients with high grade glioma using Bayesian evidence synthesis. (Abstract) Poster to be presented at „Ernährung“, Berlin, 2018.

[15] Steinsbekk, A., Fonnebo, V., Lewith, G., & Bentzen, N. (2005). Homeopathic care for the prevention of upper respiratory tract infections in children: A pragmatic, randomised controlled trial comparing individualised homeopathic care and waiting-list controls. Complementary Therapies in Medicine, 13, 231-238.

[16] Tramèr, M. R., Moore, A. R., Reynolds, J. M. D., & McQuay, H. J. (2000). Quantitative estimation of rare adverse events which follow a biological progression: a new model applied to chronic NSAID use. PAIN, 85(1), 169-182.

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Hirntumor macht sexsüchtig, Homöopathie heilt Akne

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 – ein paar Gedanken zu klinischen Fällen

Harald Walach

In einem mittlerweile klassischen neurologischen Fallbericht findet man folgende skurrile Geschichte [1]:

Hirntumor und Sexsucht

Ein Mann mittleren Alters, gesund und unbescholten, Schullehrer entwickelt plötzlich eine unkontrollierte Sexsucht: er lädt sich heimlich Kinderpornographie und andere Pornographie auf den Computer, bestellt sich Prostituierte und macht der Stieftochter Avancen. Als die Ehefrau das merkt rollt die juristische Lawine auf ihn zu. Ein Richter verurteilt ihn zu Therapie oder Gefängnis. Aber obwohl er die Gefängnisstrafe vermeiden will, geht er sogar auf die Therapiemitarbeiterinnen los, so dass er aus der Therapie geworfen wird. Kurz bevor er ins Gefängnis geht, stellt er sich noch mit starken Kopfschmerzen und neurologischen Symptomen in der Klinik vor, wo ein Gehirntumor im orbitofrontalen Cortex diagnostiziert wird. Dieser wird operativ entfernt, worauf die Symptome verschwinden und er nach einer Weile als geheilt nach Hause entlassen wird. Als die Symptome nach einer Weile wiederkehren, wird er erneut untersucht: der Tumor ist zurückgekehrt, wird wieder entfernt und die Symptome verschwinden. Diese direkten Zusammenhänge zwischen Auftritt und Verschwinden der Symptome nach der Tumoroperation werten die Autoren als Hinweis auf Kausalität:

His symptoms resolved with the excision of a right orbitofrontal hemangiopericytoma, further establishing causality.

Dieser und andere ähnliche Fälle werden in der neueren Debatte gerne zitiert, wenn es um die Frage geht, wie frei Straftäter sind, wenn Sie ihre Taten begehen, eine Debatte, die im Übrigen ihre eigenen Absonderlichkeiten hat, wie man dem exzellenten Buch von Hasler, „Neuromythologie“, entnehmen kann, in dem ich auch diesen Fall gefunden habe [2].

Fallbeispiele und ihre Struktur

Die Struktur der Argumentation erinnert mich an homöopathische Fallberichte und Argumente:

Man hat einen empirischen Corpus von Wissen. Im Falle des neurologischen Falles sind es regelhafte Beobachtungen darüber, welche Auswirkungen Läsionen im orbitofrontalen Cortex in der Regel haben. Im Falle der Homöopathie sind es die vielen Beobachtungen aus Arzneimittelprüfungen von Substanzen und ihre Anwendung in der Praxis bei der Behandlung von Patienten. Diese sind zwar stärker phänomenologisch, also rein beobachtend, aber dennoch in etwa ähnlich korrelativ und fransig wie die Beobachtungen der Neuropsychologie.

Man hat einen konkreten Fall. Hier den Patienten mit Sexsucht, der durch Tumordiagnose und –OP geheilt wird und bei dem durch die Wiederkehr der gleichen Symptome und der gleichen Behandlung die vermutete Kausalität gestärkt wird. Bei der Homöopathie sind es ebenfalls Fälle, bei denen Symptome mit großer Zuverlässigkeit nach einer indizierten Behandlung dauerhaft verschwinden.

Homöopathischer Fallbericht: Homöopathie heilt Akne

Ein Beispiel dafür bietet eine kürzlich publizierte Fallserie aus Bukarest von zwei Fällen mit sehr starker Akne, die mit Homöopathie in hohen Potenzen behandelt worden sind [3]. Die Nachbeobachtungen dauerten 1-2 Jahre und die Patienten besserten sich drastisch; die Besserung hielt auch nach der Behandlung an und die Symptome kehrten nicht mehr zurück, wie die Bilder zeigen, die man sich ausführlicher im online Material anschauen kann [4].

Fall 1 – Bild A
Fall 1 – Bild F

 

Nun ist Akne natürlich kein Hirntumor, meistens selbstlimitierend und geht auch meistens irgendwann in der frühen Adoleszenz von selber weg, hinterlässt aber dann oft Narben. Das Interessante an diesen Fällen ist aber, dass die Akne mitten im Blühen der Pubertät verschwand und nicht mehr wiederkam. Und dies ist nur ein kleines, aktuelles Beispiel. Demnächst publizieren wir auch eine Fallserie die zeigt, wie kindliche Neutropenie, also eine schwer zu behandelnde Blutabnormalität homöopathisch geheilt wurde. Und die Literatur ist voll von ähnlichen, oft schweren Fällen.

Einzelfälle und Kausalität?

Mir geht es hier um die Struktur: Offenkundig haben wir kein Problem, im Falle einer neurologischen Erkrankung eine Kausalität zu akzeptieren, wenn die Beseitigung eines Tumors zur Beseitigung von skurrilen Symptomen führt; ähnlich argumentieren auch Kiene und Kollegen [5]. Das lässt sich sogar in den renommierten Archives of Neurology publizieren (vielleicht auch, natürlich, weil sich Sex besser verkauft als Globuli). Rein epistemologisch ist die Struktur bei vielen homöopathischen Fallgeschichten ähnlich: Man hat eine Reihe Symptome. Man sucht das passende Arzneimittel. Die Symptome verschwinden. Bei Wiederkehr der Symptome sind die Effekte dann ebenfalls reproduzierbar. Der Homöopath folgert daraus: die Arzneimittel haben (kausal) gewirkt. Klar, man sieht nicht, was weggeschnitten ist, und auch nicht, was vorher da war. Da ist so ein knackiger Tumor handfester. Aber mal abgesehen davon, dass wir es mit einer manifesten, materiell sichtbaren Ursache zu tun haben, wenn man einen Tumor herausschneidet, was man sieht ist der Sache nach das Selbe: eine starke Korrelation von Behandlung und Effekt. Dazu hat man noch, im Fall der Neurologie, ein einigermaßen fransiges Wissen über die Rolle, die bestimmte Hirnpartien spielen, und über die Symptomatologie der Arzneien im Fall der Homöopathie.

Empirisch und von der Struktur her sind die Argumentationen ansonsten gleich. Mit dem einen subtilen Unterschied: bei der Homöopathie haben wir nicht die geringste Ahnung, wie die ursächlichen Zusammenhänge laufen; beim Gehirn bilden wir uns ein, zumindest teilweise zu wissen, wie sie funktionieren. Wir ignorieren einfach all die Unklarheiten. Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich die Lektüre von Haslers Buch, immerhin einem aktiven Neurowissenschaftler mit einer soliden Publikationsliste. Der wirkliche Unterschied: bei der Neurowissenschaft gibt es einen breiten Konsens, auch wenn wir im Detail immer noch sehr im Dunklen tappen. Bei der Homöopathie tappen wir noch mehr im Dunkeln, was Ursachen und Theorien angeht, obwohl die empirische Datenlage recht ähnlich der ist, mit der in der konventionellen Medizin Schlußfolgerungen gezogen werden. Ich habe das schon des öfteren gesagt: die Homöopathie ist kein empirisches, sondern ein konzeptuelles Problem. Denn sonst würden wir die Aussage problemlos akzeptieren: ja klar, Homöopathie heilt Akne (oder Leukopenie, oder Neurodermitis….), genauso wie ein Hirntumor eben Sexsucht macht und seine Beseitigung diese heilt.

Literatur

[1] Burns, J. M., & Swerdlow, R. H. (2003). Right orbitofrontal tumor with pedophilia symptom and constructional apraxia sign. Archives of Neurology, 60(3), 437-440.

https://jamanetwork.com/journals/jamaneurology/fullarticle/783830#nob20054f1

[2] Hasler, F. (2015). Neuromythologie: eine Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung (5., unveränd. Aufl ed.). Bielefeld: transcript. https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-1580-7/neuromythologie/

[3] Nwabudike, L. C. (2018). Case reports of acne and homeopathy. Complementary Medicine Research, 25, 52-55.

https://www.karger.com/Article/Abstract/486309

[4] https://figshare.com/articles/Supplementary_Material_for_Case_Reports_of_Acne_and_Homeopathy/5938249

[5] Kiene, H., Hamre, H. J., & Kienle, G. S. (2013). In support of clinical case reports: A system of causality assessment. Global Advances in Health and Medicine, 2, 28-39.

s. auch www.ifaemm.de/Abstract/PDFs/CBM_Buch.pdf

 

 

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Alles Zufall?

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Die Nachfrage nach Homöopathie und diverse Anti-Homöopathie-Aktionen

Harald Walach

Im Jahr 2015 erschien ein Marktforschungsbericht der Firma „Transparency Market Research“ in den USA. Der sagt einen Anstieg des Marktvolumens von knapp 400 Millionen USD im Jahr 2014 auf 17 Milliarden USD weltweit 10 Jahre später im Jahre 2024 voraus. Das scheint aus heutiger Perspektive mächtig überzogen. Könnte es sein, dass der Bericht manchen Strategen zu denken gegeben hat? Könnte es sein, dass wir die ab den Jahren 2014/15 in Deutschland und davor schon anderswo laufenden Kampagnen gegen die Komplementärmedizin im allgemeinen und gegen die Homöopathie im speziellen auf diesem Hintergrund betrachten sollten? Wer so etwas sagt, wird rasch einmal als „Verschwörungstheoretiker“ tituliert. Damit wird dann das endgültige Denk- und Redeverbot besiegelt. Aber vielleicht lohnt es sich, nachzudenken? Oder wahrscheinlicher: Es ist alles Zufall?

Vor Kurzem veröffentlichte die Webseite des European Committee on Homeopathy (ECH) (homeopathyeurope.org/global-demand-homeopathy-forecast-surge) eine Notiz über einen Marktforschungsbericht, der von der US Firma „Transparency Market Research“ stammt. Man kann sich ein Sample frei bestellen (www.transparencymarketresearch.com/sample/sample.php?flag=S&rep_id=16460), das die Kernaussagen des Berichts ohne die zentralen Zahlen enthält. Wenn man ihn bestellen will, erhält man eine freundliche Email folgenden Inhalts:

Thank you for showing the interest in our research report titled “Homeopathy Product Market (Product Type – Tincture, Dilutions, Biochemics, Ointments, and Tablets; Application – Analgesic and Antipyretic, Respiratory, Neurology, Immunology, Gastroenterology, and Dermatology; Source – Plants, Animals, and Minerals) – Global Industry Analysis, Size, Share, Growth, Trends, and Forecast 2016 – 2024.

Please find the attached sample pages of the report for your perusal. The listed price of the report is US$ 5795. However, as a first time business engagement we would be glad to reserve a flat discounted price of US$2500.

Auf gut Deutsch: Das ist ein richtig teurer (und vermutlich auch solid gemachter) Bericht mit einer Marktvorhersage aufgrund gegenwärtiger Daten und vergangener Trends. Da ich die Kleinigkeit von 2.500 USD nicht frei zur Verfügung habe, konnte ich mir die Details nicht ansehen. Aber so viel habe ich aus den zur Verfügung gestellten Beispielseiten und der Webseite des ECH entnommen: Der Bericht sagt einen weltweiten Anstieg des Marktanteils der Homöopathie von knapp 400 Millionen USD 2014 auf 17 Milliarden in 10 Jahren, also 2024 vorher, einen Anstieg um das Vierzigfache also. Dieser Anstieg sei getrieben durch die Nachfrage in den Kernländern Europas (wo ja auch einige der wichtigsten Hersteller ihre Basis haben und die traditionelle Kenntnis und Publikumsinteresse groß sind), aber würde vor allem durch Nachfrage in anderen Ländern, Asien, Südamerika vorangebracht werden.

Umsatzsteigerung um das Vierzigfache?

Einmal kurz innehalten und durchatmen: Anstieg der Wirtschaftsleistung (und damit des Umsatzes und des Reingewinnes) um den Faktor 41,5 oder 4.150%? Kann mir jemand einen Wirtschaftszweig nennen, außer der Hunger- und Kriegshilfe, für den das realistisch erscheint? Ja, gut möglich, dass auch dieser Bericht falsch ist. Aber wichtig sind ja nicht die Fakten, wie wir seit Trumps Tweets wissen, sondern was die Nachrichten darüber auslösen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es sich eine US Marktforschungsfirma leisten kann, für einen vierstelligen Betrag einen Bericht zu verhökern, der nicht auf solider Basis steht. Die vergangenen Daten liegen ja vor; Modelle zur Vorausberechnung gibt es mittlerweile auch. Wie pflegte Orwell zu sagen? Wer die Gegenwart und die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert auch die Zukunft. Der Punkt ist: die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern, außer in einer systemischen Psychotherapie, wo es noch nie zu spät war für eine glückliche Kindheit. Aber die Voraussage der Zukunft ist notorisch fehlerbehaftet.

Wenn man jüngsten wissenschaftlichen Daten glauben darf, dann ist die Nachfrage nach Naturheilkunde zwar nicht zurückgegangen, hat aber auf jeden Fall ein Plateau erreicht. Neulich habe ich mich mit einer homöopathischen Ärztin unterhalten, die mir sagte, sie hätten Schwierigkeiten, junge Kollegen für eine Weiterbildung zu gewinnen. Das Interesse an der Homöopathie flaue ab. Daten, die Klaus Linde und seine Gruppe vor kurzem publiziert haben, zeigen bereits einen abflachenden Trend [1]; allerdings zeigen bei einer Befragung von Medizinstudierenden (220 aus Homöopathiekursen an Kliniken) diese immer noch Interesse, weil sie der Meinung sind, der konventionellen Versorgung fehle es an ganzheitlicher Perspektive und weil sie persönlich gute Erfahrungen haben [2]. Unter der Hand hört man, dass manche sich doch besorgt zeigen, wegen der anhaltenden Kampagne gegen die Homöopathie, die vor allem auf der politischen Bühne (www.homöopathie-forschung.info/easac), aber auch im Internet und in den öffentlichen Medien ausgetragen wird. Da erhebt sich doch die Frage: Könnte es sein, dass diese beiden Themenblöcke miteinander zu tun haben? Könnte es sein, dass die Kampagne befeuert wurde, gerade weil der Homöopathie von Wirtschaftsforschungskreisen ein drastischer Zuwachs an Marktanteilen vorausgesagt wurde? (Wir wollen allerdings auf dem Boden bleiben: selbst wenn das stimmen würde, wäre der Gesamtanteil sicher nicht grösser als vielleicht 1-2%, aber immerhin.)

Meine Erfahrungen in England

Das wird nicht nachweisbar und auch nicht entscheidbar sein, aber einmal kritisch um die Ecke denken wird ja noch erlaubt sein, ohne dass man gleich zum Verschwörungstheoretiker avanciert, oder? Mich erinnert das an etwas, das ich erlebt habe, als ich 2005 für 5 Jahre nach England ging. Damals war in Deutschland noch allgemeine öffentliche Freude über die Forschung und die Daten zur Komplementärmedizin die Regel. Ich erinnere: Die Erprobungsverfahren der kleinen Krankenkassen waren abgeschlossen – wir haben das Verfahren der IKK evaluiert und festgestellt, dass Homöopathie und Akupunktur in der niedergelassenen Praxis bei Patienten, die mit chronischen Belastungen kamen, durchaus respektable Effekte erzeugt [3]. Die Erprobungsverfahren der großen Kassen waren gerade angelaufen, die am Ende zur Integration der Akupunktur in die Regelversorgung führten. Damals erzeugten deutsche Arbeitsgruppen aufgrund der Erprobungsverfahren die größten Datensätze, die in der Akupunkturforschung jemals erzeugt wurden, so dass eine große Meta-Analyse zweifelsfrei zeigen konnte, dass Akupunktur besser wirkt, als ein Placebo und auf jeden Fall besser ist als Nichtstun und meistens sogar besser als Standardtherapie [4]. Damit war die Akupunktur aus der Schmuddelecke herausgetreten.

In dieser Zeit also, als in Deutschland die Komplementärmedizin und ihre Beforschung en vogue war, öffentlich beachtet und belobigt wurde, ging ich nach England. Und was stellte ich fest? Hier war eine heftige Kampagne gegen die Komplementärmedizin im Gange, die mich sehr verwunderte, war doch England das Land, in dem es viele Studiengänge und einige Universitätsabteilungen dazu gab, wo die Königin sich immer noch einen homöopathischen Leibarzt hält, wo es – damals – drei homöopathische Krankenhäuser gab, usw. Ich fasse meine damaligen Einsichten und Erfahrungen knapp zusammen, die ich auch ausführlicher beschrieben habe [5; dort auch ausführlichere Daten und Belege]:

Das Muster

Das Muster, das ich beobachtet habe, war folgendes. Es tauchte eine für die konventionelle Behandlung ungünstige Meldung in der Presse auf. Es dauerte keine Woche, meistens vergingen ca. 3-5 Tage, dann kamen, ebenfalls in der Presse, meistens etwas prominenter, Kritiker der Komplementärmedizin zu Wort, die auf Seite 2, 3 oder 4 ausführlich darüber schrieben, wie unwissenschaftlich Komplementärmedizin, Homöopathie zumal, sei. Oder dass Universitäten doch bitteschön nicht dermaßen unwissenschaftliches Zeug wie Akupunktur und manuelle Therapie unterrichten sollten, von Homöopathie ganz zu schweigen. Die Reihenfolge war in etwa: Zwei in unmittelbarer Nachbarschaft erscheinende Meta-Analysen zerlegten den Mythos von der Wirksamkeit der Antidepressiva; kurz darauf die ersten Meldungen über Unwirksamkeit der Komplementärmedizin. Das englische NICE (damals National Institute for Clinical Excellence, eine Art unabhängiger Health Technology Assessment Behörde, an dessen Beispiel entlang das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG in Deutschland entwickelt wurde) gab eine neue Richtlinie zur Rückenschmerzbehandlung heraus. Darin stand: Bei chronischen Rückenschmerzen bitte keine Medikamente und keine Routine-Röntgenuntersuchungen oder Bildgebungen sondern (in dieser Reihenfolge): Bewegung, Manipulation, Akupunktur, Massage (all das wurde damals und wird von manchen aus dem universitären Bereich noch heute als „Komplementärmedizin“ gehandelt). Ein paar Tage später folgte eine Aktion der englischen Skeptikercommunity, in der Universitäten zur Herausgabe ihrer Validierungsakten zu Komplementärmedizin-Studiengängen aufgefordert wurden (auf nicht autorisierten Briefköpfen des National Health Service, wie mir ein Freund und Kollege erzählte). NICE entschied, neue Antidemenzmedikamente nicht zuzulassen; ein vernünftiger Schritt, wie sich herausstellte, da die Medikamente viel kosten, wenig wirken und starke Nebenwirkungen haben. Ein neuer Aufschrei in der Presse: Den armen Patienten würden wirksame Substanzen vorenthalten, aber die Quacksalberkügelchen würden nicht verboten, usw.

Ich könnte die Beispiele weiterführen. Aber diese mögen genügen um zu zeigen: Wenn ich nicht ganz blind bin, dann gibt es einen deutlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen schlechten Nachrichten für Big Pharma und konventionelle Behandlungsmodalitäten und dem Beginn von öffentlichen Kampagnen gegen die Komplementärmedizin als Ganzes oder Teile wie Homöopathie, Akupunktur oder Manuelle Therapie. Alles Zufall? Klar. Was sonst. Alles andere wäre Verschwörungstheorie. Das tun nur Verrückte und solche, die Zusammenhänge überbewerten. Kann man ja in jeder Analyse der diversen Skepitkervereine weltweit nachlesen.

Also: bitte nicht überbewerten. 2014 sagt ein renommiertes Marktforschungsinstitut den Anstieg des Marktanteils von Homöopathika um 4.150% in 10 Jahren weltweit voraus. Ca. um die gleiche Zeit beginnt zufällig eine Kampagne gegen die Homöopathie. Kurz danach schließen sich internationale skeptische Wissenschaftler, die rein zufällig viel Förderung von der pharmazeutischen Industrie kriegen, zusammen und kommen mal so ganz nebenbei auf die Idee, man müsse die Homöopathie im öffentlichem Rahmen abkanzeln, einfach im Dienst der Erkenntnis, was sonst. Und ebenfalls rein zufällig startet in Deutschland eine Kampagne gegen die Homöopathie. Und ganz zufällig folgt das Muster einem ebenfalls zufälligen Muster, das man die letzten 7 oder so Jahre in England und im Übrigen auch in den USA beobachten konnte.

Aber bitte, es ist wirklich alles, alles Zufall auf der Welt. Auch die Entstehung der Welt. Auch das Werden und Vergehen von großen und kleinen und mittelkleinen Koalitionen, Pharmafirmen und anderen Interessensgruppen, von Skeptikerbewegungen und natürlich auch von Informationsplattformen zur Homöopathie. Willkommen in der postmodernen Zeit der reinen Zufälligkeit und Beliebigkeit. Das einzige was nicht beliebig scheint, und das macht sie wahrscheinlich zum Ziel des Zorns, ist die Homöopathie. Denn da darf man seine Kügelchen nicht zufällig auswählen, sondern muss sich an die Regeln halten. Sonst funktioniert sie nicht. Aber wenn sie funktioniert, dann ist es eben wieder reiner Zufall oder Sinnestäuschung. Auch gut.

Literatur

[1] Linde, K., Alscher, A., Friedrichs, C., Joos, S., & Schneider, A. (2014). Die Verwendung von Naturheilverfahren, komplementären und alternativen Therapien in Deutschland – eine systematische Übersicht bundesweiter Erhebungen. Forschende Komplementärmedizin, 21, 111-118. https://www.karger.com/Article/Abstract/360917

[2] Jocham, A., Berberat, P. O., Schneider, A., & Linde, K. (2017). Why Do Students Engage in Elective Courses on Acupuncture and Homeopathy at Medical School? A Survey. Complementary Medicine Research, 24(5), 295-301. https://www.karger.com/Article/Abstract/468539

[3] Güthlin, C., Lange, O., & Walach, H. (2004). Measuring the effects of acupuncture and homoeopathy in general practice: An uncontrolled prospective documentation approach. BMC Public Health, 4(6). https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-2458-4-6

[4] Vickers, A. J., Cronin, A. M., Maschino, A. C., Lewith, G. L., MacPherson, H., Foster, N. E., et al. (2012). Acupuncture for chronic pain: Individual patient data meta-analysis. Archives of Internal Medicine, 172, 1444-1453. doi:10.1001/archinternmed.2012.3654

[5] Walach, H. (2009). The campaign against CAM – a reason to be proud. Journal of Holistic Health Care, 6(1), 8-13.

Walach, H. (2009). The campaign against CAM and the notion of „evidence-based“. Journal of Alternative & Complementary Medicine, 10, 1139-1142. http://online.liebertpub.com/doi/abs/10.1089/acm.2009.0423

 

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Ist Homöopathie also nun ein Placebo? Pros, Cons, und einige Fälle zum Nachdenken

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Harald Walach

„Der Placebo-Effekt“, so habe ich im letzten Blog gezeigt, sollte eigentlich umbenannt werden in „Selbstheilungs-Effekt“ (www.homöopathie-forschung.info/placebo/). Ist also Homöopathie doch Placebo, also eine Arznei, die nur so tut als wäre sie eine, aber in Wirklichkeit nur psychologische Prozesse im Patienten auslöst, die dann zu einer Regulation und damit zur Selbstheilung führen? Ich hatte ja gesagt: die klügste und spezifischste Therapie wäre eine solche, die es verstünde solche Prozesse anzuregen und systematisch zu nützen. Ist also nun Homöopathie eine Placebotherapie in diesem Sinne, dass sie solche Selbstheilprozesse ausschließlich über psychologische Prozesse anregt und damit zu Linderung oder Heilung von Krankheit beiträgt?

Nehmen wir einen Teil der Antwort vorweg: Selbst wenn dem so wäre, dann wäre Homöopathie eine raffinierte Therapie die etwas kann, was andere Therapien kaum in dieser Systematik und allenfalls mit mehr Aufwand können. Sie löst nämlich  solche Selbstheileffekte, folgt man den Daten von unkontrollierten, systematischen Beobachtungsstudien, bei etwa 70% der Patienten aus, so dass Diagnosen und Symptome bei etwa einem Viertel der Patienten, die fast ausschließlich an chronischen Problemen litten und vorbehandelt waren, nach einem Jahr verschwunden waren  [1, 2].

Homöopathie ist Placebotherapie: Argumente dafür

Folgende Argumente sprechen dafür, dass Homöopathie eine Therapie ist, die über psychologische Prozesse Selbstheileffekte auslöst:

1) Es ist sehr schwer in klinischen Studien die Überlegenheit homöopathischer Therapie über Placebo eindeutig zu belegen

Auch wenn ich in meinem Kommentar zum EASAC-Dokument (www.homöopathie-forschung.info/easac/) geschrieben habe, dass sowohl die alten, als auch die neuen meta-analytischen Befunde zeigen, dass zumindest über alle Studien hinweg Homöopathie von Placebo  unterscheidbar ist, so ist daraus noch keine wissenschaftliche Tatsache konstruierbar. Denn eine wissenschaftliche Tatsache entsteht erst dann, wenn ein empirischer Befund so hart ist, dass selbst Skeptiker nicht daran vorbeikommen, ihn anzuerkennen und wenn der wissenschaftliche Diskursprozess diese Befunde allgemein akzeptiert hat. Dazu würde auch eine akzeptable Theorie gehören, die nicht in Sicht ist. Hinzu kommt, da muss man den skeptischen Argumenten recht geben, dass es sehr schwierig ist, im klinischen wie im experimentellen Feld replizierbare Befunde zu erzeugen. Anders gesagt: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Eine einzige klinische Studie, die positiv ist, heißt noch nicht, dass der Befund wissenschaftlich erhärtet ist. Es könnte sich um eine Zufallsschwankung handeln; Leute könnten sich getäuscht haben; es könnten unerkannte systematische Fehler passiert sein. Deshalb will man ja Replikationen, idealerweise durchgeführt von unabhängigen Forschungsgruppen [3]. Und die sind in der klinischen und experimentellen Forschung nicht so häufig. Deshalb gibt es zwar eine Überlegenheit über Placebo über alle Studien hinweg [4], aber nicht, wenn man nach replizierten klinischen oder experimentellen Paradigmen sucht. Es gibt zwar, so scheint es, in der experimentellen Grundlagenforschung einige replizierbare und replizierte Paradigmen, aber auch diese sind nicht ganz so einfach zu beurteilen.

Jedenfalls würde ich aus meiner eigenen Forschungserfahrung heraus tatsächlich bestätigen: die Inkonsistenz der Befunde in der Homöopathieforschung ist hoch, und dies spricht nicht dafür, dass wir es mit einem systematischen, klassischen pharmakologischen Effekt zu tun haben. Sonst wäre es uns wohl gelungen die in der unkontrollierten Praxis dokumentierten großen Effekte bei Kopfschmerzen etwa, in einer Serie von kontrollierten Studien einzufangen. Genau das ist bei den vorliegenden Studien zu Kopfschmerzen nicht gelungen. Und nur bei wenigen klinischen Syndromen sieht die Lage anders aus. Wenn man also das Kriterium einer, besser mehrerer, replizierter Serien von Studien in einem Forschungsmodell anlegt, dann ist zumindest in der klinischen Forschung der Unterschied von Placebo kaum zu sichern.

2) Die sog. „spezifischen“ Arzneimittelprüfungssymptome tauchen in homöopathischen pathogenetischen Studien oder Arzneimittelprüfungen nicht nur unter homöopathischen Arzneien, sondern auch unter Placebo auf

Einer der Pfeiler der Homöopathie ist ja die Prüfung von homöopathischen Arzneien am Gesunden. Das bedeutet: freiwillige Gesunde nehmen homöopathische Arzneien, meistens in potenzierter Form, zu sich und notieren die Symptome, die sie beobachten. Diese werden dann, zusammen mit Symptomen aus Vergiftungsberichten bei toxischen Substanzen oder Symptomen, die man bei Kranken beobachtet hat, die mit dem Arzneimittel geheilt wurden, zu den anzeigenden Symptomen der Arzneimittellehre. Das heißt, wenn ein Kranker dieses Symptom, meistens zusammen mit anderen, aufweist, dann verwendet man diese Arznei zur Behandlung. So ist die Arzneimittellehre entstanden, die mehr als 2000 Arzneien kennt, von denen wohl etwa 250 zu den häufiger verwendeten Arzneien gehören, deren Symptomatik ein guter homöopathischer Arzt mindestens im Überblick kennen sollte. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Symptomensammlungen in den Arzneimittellehren stimmen und wirklich spezifisch sind. Es haben sich schon viele homöopathische Ärzte oder solche, die zu homöopathischen Ärzten wurden oder sich wieder von ihr abwandten, darüber beklagt, wie wenig klar eigentlich ist, ob diese Symptome wirklich stimmen.

Viele der originalen Arzneimittelbilder stammen etwa von Hahnemann selbst. Der hat immer wieder die gleichen Leute als Prüfer verwendet. Auch wenn er ein guter Beobachter war, tauchen bei den gleichen Prüfern auch unter verschiedenen Arzneien immer wieder ähnliche Symptome auf. Ist vielleicht ein Teil der in der Arzneimittellehre enthaltenen Symptome einfach der individuellen Symptomatik einzelner Prüfer geschuldet? Andere Prüfungen sind mit kaum mehr nachvollziehbarer Methodik gemacht. Die meisten, auch neueren Prüfungen, würden modernen methodischen Ansprüchen nicht standhalten [5]. Und bei neueren Prüfungen, die mit sorgfältiger Verblindung und Randomisierung arbeiten, tauchen die vermeintlich spezifischen Arzneimittelsymptome auch in Placebogruppen auf. Ich weiß von Prüfungen, wo neue Arzneimittel geprüft wurden und wunderbare Symptome erzeugt haben; fast alle in der Placebogruppe. Und manche publizierte Prüfungen zeigen dieses Dilemma sehr offenkundig [6, 7]. Ich selber habe auch solche paradoxen Effekte in meinen eigenen Prüfungen gesehen. Und erst wenn man ein paar methodische Tricks anwendet gelingt es mit einiger Sicherheit die Trennung von homöopathischen Prüfsymptomen und Placebosymptomen zu zeigen; aber auch dieser Befund ist im Moment noch nicht repliziert. [8-11]

Jeder der homöopathische Arzneimittelprüfungen gemacht hat weiß: auch in streng verblindeten Placebogruppen tauchen die spezifichen Arzneimittelsymptome auf; manchmal kriegt sie der Hund oder die Ehefrau oder der Freund derjenigen Person, die eigentlich das Arzneimittel prüfen soll. Das spricht nicht unbedingt dafür, dass wir es hier mit einem systematischen, klassischen pharmakologischen Effekt zu tun haben.

3) Durch die ausführliche Anamnese werden vor allem psychotherapeutische Effekte ausgelöst, die einen Placeboeffekt plausibel machen

Homöopathische Therapie macht es nötig, dass Ärzte, vor allem in chronischen Fällen, eine ausführliche Anamnese erheben, die alle Bereiche des Lebens umfasst, von den akuten Symptomen bis zu anderen Krankheiten, deren Geschichte, der Frage nach Beziehung und Sexualität bis hin zu Vorlieben für Nahrungsmittel und Freizeit, etc. Daher sind homöopathische Erstgespräche ausführlich, in den dokumentierten Studien bei der Hälfte aller Patienten bis zu 2 Stunden, oder auch länger [1]. Qualitative Befragung von Patienten hat außerdem gezeigt: es ist genau diese ausführliche Beschäftigung mit ihrer Symptomatik, die die Homöopathie für Patienten so attraktiv macht [12]. Während die durchschnittliche Konsultationsdauer in der Allgemeinarztpraxis für komplexere Fälle etwa 5 Minuten 40 Sekunden beträgt, bei Männern kürzer bei Frauen etwas länger [13], wenden Homöopathen selbst bei Nachkonsultationen mindestens 15 Minuten auf. Das macht plausibel: Was hier eigentlich passiert, ist ja eine verkappte Psychotherapie. Patienten fühlen sich verstanden, gesehen, gehört, ernstgenommen und das erleichtert, schafft Vertrauen, Hoffnung und Entspannung; all die Effekte, von denen wir gesagt haben, sie sind dazu angetan einen Selbstheileffekt auszulösen.

Das stimmt sicherlich. Die Frage wäre: Sind diese Effekte ausreichend? Warum kommen dann normale und in ihrer Kunst geschulte Psychotherapeuten mit einem ausführlichen Erstgespräch und einigen kürzeren Folgegesprächen ohne weitere Interventionen nicht zu dem gleichen Ergebnis? Man würde Psychotherapeuten nämlich ziemlich Unrecht tun, würde man davon ausgehen, sie täten nichts als einfach explorieren, zuhören und verstehen.

Eine spannende Frage wäre: Was wäre, wenn „normale“ Ärzte sich der homöopathischen Anamnesetechnik bedienten, ausführliche Gespräche führten und anschließend „nichts“ tun bzw. Placebokügelchen verteilen? Hätten sie die gleichen Effekte? Wir wissen es nicht, weil es eine solche Studie nicht gibt. Ansatzweise wurde das in einer allerdings zu kleinen Studie untersucht und da zeigte sich, dass der Gesprächseffekt sehr groß war und der Beitrag der Substanz nicht erkennbar [14]. Allerdings ist das kein wirklich belastbarer Befund, weil die Studie ihre eigenen Rekrutierungsziele verfehlte und zu wenig statistische Mächtigkeit hatte.

4) Die homöopathischen Substanzen enthalten keinerlei Wirkstoffe, können also pharmakologisch nur Placebos sein

Das ist das Standardargument der Homöopathiekritik seit Hahnemanns Zeiten. Es ist zweifellos richtig, dass man vor allem in den höheren Potenzen keine Moleküle der Ausgangsstoffe mehr findet oder allenfalls in so niedriger Konzentration, dass die Verunreinigungen im Alkohol, im Glas, im Wasser, viel mehr ins Gewicht fallen und eigentlich alle homöopathischen Hochpotenzen chemisch ziemlich ähnlich sind und wie ein Gemisch aus Silicea, Bor, Strontium und noch ein paar anderen Elementen, die vor allem aus dem Glas kommen, angesehen werden müssen [15].

Die Frage ist allerdings: Ist die implizite Voraussetzung richtig, dass nur molekular-substanzielle Effekte physiologisch relevant sein können, wenn sie in wägbarem Sinne nachweisbar sind? Also bis zu einer Verdünnungsgrenze, mit der der Organismus auch operiert und die liegt derzeit bei etwa 10-9, also einer homöopathischen Potenz von D9 oder C5? Ich glaube nicht, dass es dafür irgendein plausibles Argument gibt außer, dass dies die Standard-Voraussetzung der Pharmakologie ist. Was aber, wenn diese in manchen Fällen nicht stimmt? Was, wenn es auch andere physiologische Effekte geben könnte? Elektromagnetische zum Beispiel, die wir mittlerweile kennen? Oder magnetische? Oder Kopplungseffekte an schwache, aber spezifische Felder? Oder noch andere Effekte, von denen wir noch gar keine Ahnung haben? Das führt uns zu Gegenargumenten.

Homöopathie ist keine Placebotherapie: Argumente dagegen

1) Es gibt keine einzige medizinische Therapieform des 18. Jahrhunderts, die trotz der Weiterentwicklung der Medizin und trotz kontinuierlicher Anfeindungen und Forschungsrückschläge immer wieder Renaissancen und Popularitätsschübe im gleichen Masse erlebt hat, wie die Homöopathie

Die Homöopathie ist ein Kind des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Damals gab es eine Fülle von Therapievorschlägen, die wesentlich populärer waren, als die Homöopathie, zum Beispiel der Brownianismus, der bei der geistigen Elite damals sehr beliebt war, weil logisch und einleuchtend [16]. Der Brownianismus ist sang- und klanglos untergegangen, obwohl er viele Unterstützer im kulturellen und medizinischen Mainstream hatte. Nicht aber die Homöopathie. Warum? Man könnte argumentieren, dass andere Naturheilverfahren, die damals aufkamen – die Wasserkuren von Prießnitz oder die Naturheilkunde von Kneipp und anderen – immer noch populär sind, was aber wenig über deren spezifische Effekte aussagt. Das mag sein. Mein Argument hier ist: wenn nichts, aber wirklich auch gar nichts, hinter der Homöopathie stecken würde, wäre dann nicht davon auszugehen, dass sie durch eine Art praktische Empirie aus dem Feld verschwunden wäre? Und zeigt nicht die schiere Tatsache, dass es die Homöopathie immer noch gibt, sehr zum Leidwesen vieler Intellektueller, die seit Hahnemanns Zeiten nicht müde werden sie zu bekämpfen, dass irgendetwas an ihr interessant sein muss? Die Homöopathie hat in ihrer Geschichte viele Rückschläge hinnehmen müssen. In den USA ist sie in Folge des Flexner-Reports und der Umstrukturierung der medizinischen Ausbildung, als Folge des Bannes der American Medical Association zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast völlig von der Bildfläche verschwunden und erlebte dann wieder eine Renaissance. Warum? In Deutschland hat die braune Aneignung der Homöopathie und Naturheilkunde nicht unbedingt dazu beigetragen, sie den demokratischen Folgeinstitutionen und der Nachkriegsgeneration zu empfehlen, und der von den Nazis angestrengte Beweis der Homöopathie wurde aus verschiedenen Gründen nie erbracht [17]. Trotzdem ist die Homöopathie wieder neu populär geworden. Warum? Man kann sicher nicht allen Homöopathiefreunden vorwerfen, sie seien verkappte Nazis, wie das manche tun.

Wir haben heute in Deutschland vermutlich eines der besten medizinischen Versorgungssysteme der Welt. Daran kann es kaum einen Zweifel geben. Das scheint mir vor allem auf die Versorgung von Notfällen und akuten Erkrankungen zuzutreffen. Bei der Versorgung chronischer und funktioneller Beschwerden scheint das System weniger effizient zu sein. Denn sonst würden Menschen ja kaum nach anderen Optionen suchen. Alle Daten die wir kennen sprechen dafür, dass die typischen Homöopathiepatienten solche sind, die vorher alle möglichen konventionellen Optionen ausprobiert haben und entweder wegen deren Wirkungslosigkeit oder wegen unerwünschter Nebenwirkungen zum Homöopathen kommen. Woran liegt das? Offenbar müssen diese Patienten dort eine Form der Hilfe erfahren, die sie anderswo im System nicht erhalten haben. Ist das nur der Gesprächskompetenz der Homöopathen geschuldet? Ich weiß aus den Daten unserer eigenen Studie, dass Patienten oftmals durchaus unzufrieden sind mit der Tatsache, dass sie so viele intime Daten preisgeben müssen, um eine homöopathische Behandlung zu erhalten. Und wenn ich an das denke, was ich so von und über homöopathische Gespräche weiß, dann scheint mir eine Wirkung die nur auf dem Gespräch basiert, eher unwahrscheinlich. Dazu sind, mit Verlaub, die meisten Homöopathen zu schlechte Psychotherapeuten. Das allein scheint also keine ausreichende Erklärung dafür zu sein, dass es die Homöopathie noch immer, und mit gleichbleibender Popularität, gibt.

2) Die Popularität der Homöopathie scheint mit der Tatsache zusammenzuhängen, dass es immer wieder gut dokumentierte, manchmal spektakuläre, manchmal erstaunliche klinische Erfolge gibt, die nicht leicht erklärbar sind.

Eine offenkundige Ursache für den historischen Erfolg der Homöopathie sind ihre klinischen Erfolge. Das begann damit, dass homöopathische Behandlungen in den großen Cholera- und anderen Epidemien des 19. Jahrhunderts klinisch erfolgreicher waren als konventionelle, wodurch die Homöopathie ihren Siegeszug in Europa angetreten hat [18]. Das heißt nicht unbedingt, dass der Erfolg durch die homöopathischen Arzneien verursacht worden wäre. Die Tatsache, dass homöopathische Ärzte ihren Cholerapatienten Wasser gaben, was die konventionellen Ärzte nicht taten, und für eine freundliche Atmosphäre sorgten war möglicherweise ausreichend; denn neuere Versuche, diese Cholerabehandlung zu replizieren sind fehlgeschlagen [19].

Aber wenn man sich die homöopathischen Arzneimittellehren und die Literatur durchsieht, stößt man immer wieder auf erstaunliche Fallberichte. Nicht wenige von ihnen fügen die Bemerkung bei, dass der Behandler selbst nicht geglaubt habe, dass ein Erfolg denkbar wäre. Ich denke da etwa an den Fallbericht, den Charette in seiner Arzneimittellehre bei Arsenicum album anführt [20]. Ich kürze ab: Charette berichtet über einen Fall, den er 1927 behandelt hatte. Ein Mädchen hatte ihn zu ihrer sterbenskranken Mutter gerufen, die mit Typhus diagnostiziert worden war und aus dem Krankenhaus zum Sterben entlassen worden war. Er fand sie in einem Zustand vor, in dem er den Tod sehr nahe wähnte und gab ihr aufgrund der Symptomatik und auch, um ihr das Sterben zu erleichtern Arsenicum album C12 mit der Anweisung, das einige Tage weiterzunehmen. Als niemand den Totenschein abholt, sieht er erstaunt nach und findet die Patientin gebessert, die er dann noch eine Weile weiterbehandelt und nach 2 Wochen ohne Fieber und mit besserer Gesundheit wieder antrifft. Es folgen ein paar Komplikationen, die er mit anderen Arzneimitteln auffängt und nach 2 Monaten ist die Frau, der man den Tod prophezeit hatte, gesund.

Das ist einer von vielen Fällen aus der Literatur. Man kann nun natürlich anführen, dass Fälle nichts beweisen. Das stimmt. Aber sie können widerlegen und sie können gute Anhaltspunkte geben. Man kann mit Fällen etwa widerlegen, dass homöopathische Effekte nur bei trivialen Erkrankungen auftreten. Tun sie nicht, wie wir eben gesehen haben. Man kann mit sehr gut dokumentierten Fällen mindestens eine starke Korrelation von homöopathischer Arzneiwirkung und Symptomatik belegen. Das tut etwa folgender moderne Fall, der frei verfügbar ist [21]: Krebserkrankungen der Fortpflanzungsorgane sind bei Kindern sehr aggressiv. Dieser Fall handelt von einer solchen Behandlung bei einem indischen Mädchen. Die Eltern wollten keine konventionelle Nachsorge, nachdem der Primärtumor operiert worden war, sondern entschieden sich für eine homöopathische Behandlung. Eigentlich wäre aufgrund der Tumormarker eine Chemotherapie angezeigt gewesen, weil das Rückfallrisiko sehr groß war. In diesem Falle fand die Nachbehandlung mit einer mittelhohen Potenz von Tuberkulinum statt, die langsam in ihrer Höhe gesteigert wurde. Das Interessante an dem Fall aber ist nicht die Tatsache, dass das Kind nach einiger Zeit völlig beschwerde- und rückfallfrei mit einer Nachbeobachtung von 6 Jahren war, sondern dass innerhalb der Behandlung eine Heilungskrise auftrat, wie sie häufig zu beobachten ist. Starke Hautsymptome traten auf, die eine andere Arzneiwahl nötig machten. Eine Weiterbehandlung mit homöopathischem Pulsatilla in hoher Potenz führte zu einer graduellen Abheilung dieser Beschwerden und am Ende zu einer Stabilisierung. Interessant an diesem und ähnlichen Fällen ist: die therapeutische Tradition kennt solche Krisen, dass etwa Symptome von innen nach außen, also von einer Manifestation innerer Organe auf die Haut wandern und dass eine Folgebehandlung im homöopathischen Sinne dann das Terrain bereinigen kann. Eine solche Sequenz über Placebo-Effekte plausibel zu machen scheint mir zwar nicht unmöglich, aber sehr unwahrscheinlich zu sein.

3) Wenn Homöopathie nur als pharmakologisches Placebo wirken würde, dann würde man eine andere Datenlage erwarten

Die Aussage „Homöopathie ist nichts als ein Placebo“ ist, wissenschaftslogisch gesprochen, eine Allaussage. Und wissenschaftslogisch genügen einzelne Beispiele, die dieser Aussage widersprechen, um sie in ihrer Allgemeinheit als ungültig zu erweisen. Ich meine, dass die Fülle von Gegenbeispielen, die in Form von Fallgeschichten und Anekdoten vorliegt mindestens ein Gegenbeispiel birgt, die die Aussage unplausibel erscheinen lässt, dass Homöopathie immer und überall als Placebo anzusehen ist. Oben habe ich zwei Beispiele erwähnt, und man könnte vermutlich ein Leben damit zubringen, alle Fälle zu sichten und in diesem Sinne zu diskutieren.

Auch die Tatsache, dass mindestens manchmal in klinischen und experimentellen Studien so große Schwankungen auftreten, dass die Effekte sehr stark und statistisch sehr auffällig sind, ist nicht mit der Placebohypothese kompatibel. Natürlich sind auch Schwankungen denkbar, die extrem stark sind. Aber diese kommen selten vor und sollten dann durch Schwankungen balanciert werden, die in die andere Richtung mindestens ebenso stark sind, also Placebo gegenüber Homöopathie stark bevorzugen. Davon ist in der Literatur wenig zu sehen. Man müsste dann schon die etwas unplausible Hypothese bemühen, dass alle negativen Studien unpubliziert bleiben. Das ist unwahrscheinlich. Denn es gibt ja negative Studien, aber eben über alle Studien hinweg gesehen nicht ausreichend viele. Noch stärker wird das vielleicht sichtbar, wenn wir uns demnächst der Grundlagenforschung zuwenden.

4) Effekte tauchen häufig erst nach einer dritten oder vierten Verschreibung auf, wenn zusätzliche Informationen vorliegen und oft, wenn die Hoffnung bereits verpufft ist

Ein weiteres Phänomen, das schwer mit der Placebo-These erklärbar ist, ist folgendes: Erste Verschreibungen, manchmal auch zweite, sind nicht selten völlig wirkungslos bzw. sie lösen einen leicht als Placebo-Effekt erkennbaren kurzen Besserungsschub aus, der schnell verschwindet. Eigentlich müsste man ja folgendes erwarten: Wenn ein solcher Selbstheileffekt aufgrund des Gesprächs zustande kommt, dann sollte er in den meisten Fällen sofort nach der ersten Verschreibung sichtbar werden. Denn dann ist die Erwartung auf beiden Seiten hoch. Wenn die erste und auch die zweite Verschreibung aber wirkungslos  geblieben sind, warum sollte dann eine dritte Verschreibung, die vielleicht auf eine zusätzliche Information hin erfolgt, die durch eine nebenbei gemachte Äußerung bekannt wird, einen Effekt auslösen, den die ersten beiden nicht ausgelöst haben, wenn der generische Prozess der Kommunikation immer der selbe ist? Diese strikte Abhängigkeit der Verbesserungen von den richtigen Schlüsselsymptomen, die oft zu einer etwas ungewöhnlichen Arzneimittelwahl führen und dann relativ rasch und auch nach wenigen Worten geschehen können, sind mit einer reinen Placebo-These nicht gut vereinbar. Ein Kollege erzählte mir einmal folgende Geschichte: Eine Patientin bekam im Rahmen einer Homöopathie-Studie einen heftigen Hautausschlag, der es nötig machte, sie aus der Studie zu nehmen. Der verzweifelte Mann hatte sie im Auto gebracht. Der Kollege schrieb ihm ein Cortisonrezept und meinte noch, er könne ja bei der Gelegenheit vorher nochmals in der Apotheke Urtica urens C30, eine homöopathische Zubereitung der Brennessel, holen und ihr geben, bevor er das Cortison anwenden würde. Das tat er, gab der Frau im Auto noch die homöopathische Arznei. Bei der nächsten Ampel beobachtete, wie sie eingeschlafen war und als er nach Hause kam war der Ausschlag praktisch weg und das Cortison unnötig geworden. Möglicherweise war das Wissen um das Vorhandensein des Cortisons genug, um einen solchen Effekt auszulösen? Warum funktioniert das dann bei Millionen von anderen Menschen nicht, die das Cortison tatsächlich nehmen müssen, damit der Hautausschlag verschwindet? Homöopathisch ist der Fall klar: der Ausschlag hat dem Symptomenbild des Brennesselausschlages entsprochen und also hat die Arznei sehr rasch und präzis funktioniert.

Fassen wir zusammen:

Mir scheint die Datenlage mit zwei Hypothesen nicht kompatibel zu sein: Sie stützt nicht die Aussage, dass Homöopathie immer als Placebo anzusehen ist. Sie stützt aber auch nicht die Aussage, dass Homöopathie ein klassisch-pharmakologisches Signal ist, wie das die meisten Befürworter der Homöopathie meinen und was die Kritiker der Homöopathie voraussetzen, wenn sie die Homöopathie kritisieren.

Homöopathie scheint, zumindest manchmal und mit einer gewissen Systematik, Effekte auszulösen, die man von einer völlig unspezifischen Intervention nicht erwarten würde. Wie sie das tut ist völlig unklar. Vielleicht verbirgt sich dahinter ein kluger Trick, um Selbstheilreaktionen im Organismus auszulösen. Falls dem so wäre, dann wäre es von größter Bedeutung herauszufinden, wie sie das tut. Denn warum sehen wir solche Effekte dann nicht in anderen Therapien? Oder: wie könnten wir andere Therapien so gestalten, dass sie ebenfalls solche Selbstheileffekte auslösen? Das ist eigentlich die Gretchenfrage, die sich aus der Homöopathie ergibt. In der Zwischenzeit scheint die Homöopathie ein probates Mittel zu sein, solche Selbstheileffekte auszulösen.

Literatur

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[2] Witt, C. M., Lüdtke, R., & Willich, S. N. (2009). Homeopathic treatment of chronic headache (ICD-9: 784.0) – a prospective observational study with 2 year follow-up. Forschende Komplementärmedizin, 16, 227-235. https://www.karger.com/Article/Abstract/226770

[3] Schmidt, S. (2016). Shall We Really Do It Again?  The Powerful Concept of Replication Is Neglected in the Social Sciences. In A. E. Kazdin (Ed.), Methodological Issues and Strategies in Clinical Research (pp. 581–596). Washington, DC: American Psychological Association.

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[5] Dantas, F., Fisher, P., Walach, H., Wieland, F., Rastogi, D. P., Texeira, H., et al. (2007). A systematic review of homeopathic pathogenetic trials published from 1945 to 1995. Homeopathy, 96, 4-16. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17227742

[6] Teut, M., Dahler, J., Hirschberg, U., Lüdtke, R., Albrecht, H., & Witt, C. M. (2013). Homeoapathic drug proving of Okoubaka aubrevilli: a randomised placebo-controlled trial. Trials, 14(96). https://trialsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/1745-6215-14-96

[7] Teut, M., Dahler, J., Schnegg, C., & Provings, W. S. G. f. H. (2008). A homoeopathic proving of Galphimia glauca. Forschende Komplementärmedizin, 15, 211-217. https://www.karger.com/Article/Abstract/148825

[8] Möllinger, H., Schneider, R., Löffel, M., & Walach, H. (2004). A double-blind, randomized, homeopathic pathogenetic trial with healthy persons: Comparing two high potencies. Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde, 11, 274-280. https://www.karger.com/Article/Abstract/82120

[9] Walach, H., Sherr, J., Schneider, R., Shabi, R., Bond, A., & Rieberer, G. (2004). Homeopathic proving symptoms: result of a local,non-local, or placebo process? A blinded, placebo-controlled pilot study. Homeopathy, 93, 179-185. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15532695

[10] Möllinger, H., Schneider, R., & Walach, H. (2009). Homeopathic pathogenetic trials produce symptoms different from placebo. Forschende Komplementärmedizin, 16, 105-110. https://www.karger.com/Article/Abstract/209386

[11] Walach, H., Möllinger, H., Sherr, J., & Schneider, R. (2008). Homeopathic pathogenetic trials produce more specific than non-specific symptoms: Results from two double-blind placebo controlled trials. Journal of Psychopharmacology, 22, 543-552. http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0269881108091259

[12] Schmacke, N., Stamer, M., & Müller, V. (2014). Gehört, gesehen, und verstanden werden: Überlegungen zu den Lehren aus der Homöopathieforschung. Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 90(6), 251-255. https://www.online-zfa.de/article/gehoert-gesehen-und-verstanden-werden-ueberlegungen-zu-den-lehren-aus-der-homoeopathieforschung/originalarbeit-original-papers/y/m/1963

[13] Heintze, C., Metz, U., Hahn, D., Niewöhner, J., Schwantes, U., Wiesner, J., et al. (2010). Counseling overweight in primary care: An analysis of patient-physician encounters. Patient Education and Counseling, 80, 71-75. http://www.pec-journal.com/article/S0738-3991(09)00506-0/abstract

[14] Brien, S., Lachance, L., Prescott, P., McDermott, C., & Lewith, G. (2011). Homeopathy has clinical benefits in rheumatoid arthritis patients that are attributable to the consultation process but not the homeopathic remedy: a randomized controlled clinical trial. Rheumatology, 50, 1070-1082. https://academic.oup.com/rheumatology/article/50/6/1070/1785128

[15] Anick, D. J., & Ives, J. A. (2007). The silica hypothesis for homeopathy: physical chemistry. Homeopathy, 96, 189-195. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17678816

[16] Schwanitz, H. J. (1983). Homöopathie und Brownianismus 1795-1844. Stuttgart, New York: Gustav-Fischer-Verlag.

[17] Walach, H. (1990). Die Untersuchung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 – 1939. Zeitschrift für Klassische Homöopathie, 34, 252-259. https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2006-938396

[18] Scheible, K.-F. (1994). Hahnemann und die Cholera. Geschichtliche Betrachtung und kritische Wertung der homöopathischen Therapie im Vergleich zur konventionellen Behandlung. Heidelberg: Haug.

[19] Gaucher, C., Jeulin, D., Peycru, P., & Amengual, C. (1994). A double blind randomized placebo controlled study of cholera treatment with highly diluted and succussed solutions. British Homoeopathic Journal, 83, 132-134. http://www.homeopathyjournal.net/issue/S0007-0785(05)X8857-3

[20] Charette, G. (1985). Homöopathische Arzneimittellehre für die Praxis (4. Aufl. ed.). Stuttgart: Hippokrates. S. 85f.

[21] Mahesh, S., Mallappa, M., & Vithoulkas, G. (2017). Embryonal carcinoma with immature teratoma: A homeopathic case report. Complementary Medicine Research, online first(DOI: 10.1159/000481819). https://www.karger.com/Article/Abstract/481819

 

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Placebo ist die spezifischste Arznei

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Harald Walach

Wenn Ärzte, Pharmakologen und die meisten Menschen, das Wort „Placebo“ hören, dann schwingt die Bedeutung „ungeliebter Nebeneffekt“, „pharmakologisches Abfallprodukt“, „lästig aber unvermeidbar“,  und so manche andere Bedeutung mit. In der Debatte um die Homöopathie wird der Begriff meistens verwendet, um zu argumentieren, Homöopathie sei ja „nichts als“ Placebo und daher zwar vielleicht in gewisser Weise wirksam, aber nicht so, wie man das von modernen pharmakologischen Substanzen erwarten darf und daher auch kein Fall für die öffentlichen Kassen, sondern allenfalls ein Luxusprodukt für die Ewiggestrigen.

Ich will in diesem Blog die Perspektive umdrehen und zum einen zeigen, dass das eine wissenschaftlich gesehen altmodische Perspektive ist und zum anderen, dass Placebo eigentlich die allerspezifischste Arznei ist, die es gibt. Schräg, oder? Ja, stimmt, aber folgen Sie mir, dann werden Sie sehen warum.

Die Begriffsentstehung des Placebobegriffs [1]

Placebo ist ein Begriff, der medizinhistorisch als „Ersatz für die eigentliche Arznei“ konnotiert ist. Das kam daher, dass man im ausgehenden Mittelalter bezahlte Klageweiber die Totengesänge hat singen lassen, die bei der Totenwache üblicherweise gesungen wurden. Dazu gehört der Psalm 116 in dem die Sequenz vorkommt: „Placebo Domino in regione vivorum – ich werde dem Herrn gefallen im Lande der Lebenden“.  So wie das „Singen der Placebos“ zum Sinnbild des Ersatzes für die eigentliche Totenklage wurde, so wurde auch das medizinische Placebo im 18. Jahrhundert zum Ersatz für die eigentliche Arznei. Den Ersatz wandte man dann an, wenn man entweder nichts Besseres hatte, oder den Patienten für einen Hypochonder hielt, der am besten mit einem  Alibiarzneimittel zu behandeln wäre statt mit einer der stark mit Nebenwirkungen behafteten damals üblichen Substanzen. Daher rangiert in der medizinischen Begriffshierarchie das Placebo ganz unten: Ersatz für das Echte, Beruhigung für die etwas Verrückten, Scheinarznei für die Psychofälle.

Placebo als pharmakologische Kontrollsubstanz

Von dort ist es nicht mehr weit zu der Einsicht, dass man im Rahmen eines verblindeten Versuches all die psychologischen Effekte kontrollieren könne, die im Rahmen einer Behandlung auftreten, wenn man – ohne Wissen des Patienten und idealerweise auch ohne Wissen des behandelnden Arztes – eine Leersubstanz, ein Placebo, verabreicht. Damit war der moderne Doppelblindversuch geboren, in Deutschland durch den Pharmakologen Martini installiert, in Amerika etwa zeitgleich eingeführt und in den „Cornell Conferences on Therapy“ der 40er Jahre für die pharmakologische Testung verpflichtend gemacht. In einer Untersuchung des Mesmerschen „Magnetisierens“ in Paris im Jahre 1784 hatte man gesehen, dass eine Patientin, die ihren Behandler sah in alle möglichen hypnotischen Verzückungszustände verfiel (siehe Abbildung 1; die Abbildung zeigt ein vergleichbares Phänomen aus späterer Zeit). Sobald man aber einen Vorhang zwischen Behandler und Patientin spannte, so dass diese nicht mehr sehen konnte, wann der Behandler seine magnetischen Striche und Bewegungen machte, waren die Anfälle nicht mehr auslösbar. Die „Verblindung“ war geboren. Denn man hatte die Macht der Suggestion erkannt. [2,3]

Abbildung 1: Beispiel einer hypnotischen Trance, wie sie in Paris durch Suggestion vom Psychiater und Hypnotiseur Charcot ausgelöst wurde. Die abgebildete Dame konnte sich in Hypnose versteifen wie ein Brett, so dass sie zwischen zwei Stühlen liegen konnte;
aus: Désiré Magloire Bourneville (1840-1909) & Paul Regnard (1850-1927), Iconographie photographique de la Salpêtrière. Service de M. Charcot (Paris: Adrien Delahaye & Co., 1876-1877, 1878). Verfügbar in Princeton, Graphic Arts Collection GAX 2012; https://www.princeton.edu/~graphicarts/2012/07/visual_psychology_and_jean-mar.html

 hypnotische Trance

Daher folgte: Wollte man die „reine“ Wirkung einer Substanz testen, dann musste man die psychologischen Effekte der Erwartung, der Suggestion, der Beeinflussung, des therapeutischen Rahmens ausschließen oder kontrollieren. Das geschieht eben in einem Doppelblindversuch mit Hilfe der Verblindung, die wiederum die Verabreichung eines Placebos erfordert, so dass Patient und behandelnde Personen denken, es ist eine echte Substanz verabreicht, die aber gar nicht enthalten ist. Damit kann man in der Kontrollgruppe die Effekte des natürlichen Krankheitsverlaufes, des Glaubens der Patienten, der Erwartung der Ärzte, alle Fehler, die durch unsaubere Messung entstehen und viele andere Effekte mehr abbilden. Subtrahiert man dann die Effekte in der Behandlungsgruppe von diesen, so hat man sozusagen den „Netto-Effekt“ der pharmakologischen Substanz oder den „wahren“, echten Therapie-Effekt. So geht, kurzgesagt, die Logik der modernen Doppelblindstudie, die Placebo als Kontrollsubstanz einsetzt.

Aus dieser Logik leitet sich auch die Idee ab, das Placebo sei so etwas wie der Abfalleimer der klinischen Forschung und daher wenig nützlich und nicht therapietauglich.

Das Kuriositätenkabinett der Placeboforschung

Aus diesen klinischen Studien und vielen Einzelbeobachtungen leiten sich auch viele Anekdoten und Einsichten ab, die zeigen, dass diese psychologischen Effekte – denn das sind im wesentlichen die therapeutischen Anteile des Placeboeffektes – alles andere als vernachlässigbar sind. Ich gebe eine kurze Inventarliste wieder.

Die Farbgebung spielt eine Rolle, wenn man gewisse Effekte erzielen will. Darum ist Viagra blau, denn im Englischen heißen Pornos „blue films“ und assoziieren „blau“ mit Sex. Markenaspirin mit Bayerkreuz wirkt stärker als generisches Aspirin ohne Label. Anekdoten erzählen davon, wie Patienten allein durch den Glauben aus schweren Zuständen herausfanden. Ein Klassiker ist immer noch die deutsche Studie von Rehder, der am Robert-Bosch-Krankenhaus einen Fernheiler untersuchen sollte [4]. Er wählte drei ziemlich hoffnungslose Fälle aus und sagte diesen Patientinnen, sie würden durch einen weltberühmten Heiler behandelt werden. Allerdings hatte der Heiler seine Behandlung schon abgeschlossen, ohne dass die Patientinnen das wussten und zwar ohne Effekt. Als die Patientinnen aber der Meinung waren, sie würden an jenem Tag behandelt und über Schriften und Informationen gebührend vorbereitet waren, besserte sich ihr Befinden schlagartig und zwar so, dass eine Patientin, die wegen eines schweren Gallensteinleidens bettlägerig war und operiert werden sollte, sich selber als geheilt entließ; ein Jahr später wurde sie doch operiert und man entfernte 52 Gallensteine.

Beecher, der Altmeister der Placeboforschung, stellte als Militärarzt im zweiten Weltkrieg fest, dass er mit Kochsalzinjektionen erstaunliche Erfolge erzielen konnte, als ihm das Morphium ausging. Interventionen funktionieren dann besser, wenn sie von enthusiastischen Behandlern angewandt werden. Und selbst wenn man Placebo ganz offen gibt, also mit der Information „Wir geben Ihnen hier mal etwas, das enthält zwar keinen Wirkstoff, hat aber schon vielen geholfen. Versuchen sie es, vielleicht hilft es Ihnen auch.“, kann es erstaunliche Effekte haben. In einer älteren klassischen Studie sahen Park und Covi deutliche Effekte bei Angstpatienten. [5] Und in neuerer Zeit hat Ted Kaptchuk diesen Ansatz repliziert, einmal an Patienten mit Reizdarm, einmal an Patienten mit Depression und einmal an Migränepatienten [6-8]. Die letzte Studie ist besonders interessant, weil es sich um eine Anwendung im Akutfall handelte und weil das offene Placebo gleichzeitig mit einem Placebo verglichen wurde, das als starke Migränearznei, einem Triptan, gekennzeichnet war, sowie mit derselben Migränearznei, die als Placebo falsch benannt war und der Migränearznei, die richtig gelabelt worden war. Das Interessante: Placebo ist selbst als offenes Placebo, also als solches bezeichnet, wirksamer als Nichtbehandlung, und die wirksame Migränearznei als Placebo etikettiert ist statistisch nicht von Placebo zu unterscheiden (Abbildung 2).

Abbildung 2 – Ergebnisdarstellung von Kam-Hansen et al [8]: Prozent der Patienten, die im Akutfall nach Intervention schmerzfrei waren. NT = Nichtbehandlung; Behandlung Placebo: es wurde Placebo verabreicht (blau); Behandlung Maxalt: es wurde ein wirksames Triptan verabreicht (rot); Labeling: die für Patienten sichtbare Bezeichnung war entweder Placebo (P), nicht deklariert (U), oder Maxalt; angegeben sind mittlere Verbesserungsraten und 95% Konfidenzintervalle; http://stm.sciencemag.org/content/6/218/218ra5

Kam-Hansen et al: Prozent der Patienten, die im Akutfall nach Intervention schmerzfrei waren

Das sind nur ein paar Kuriosa, die zeigen sollen: Placebo-Effekte sind alles andere als trivial. Sie können im Gegenteil sehr stark und klinisch bedeutsam sein. In Studien maskieren sie nicht selten die Effekte von starken pharmakologischen Substanzen, eben weil die Effekte der Psychologie so stark sind, dass sie die pharmakologischen Effekte sogar teilweise umkehren können.

Placebo-Effekte sind psychologische Effekte der Erwartung und des Lernens

Die Placeboforschung ist sich mittlerweile ziemlich einig: Im Placeboeffekt äußert sich unsere Psychologie und modifiziert pharmakologische Prozesse beträchtlich. Entweder, indem sie diese verstärkt, etwa durch Erwartung, oder konterkariert, wenn die Erwartung etwa falsch gesteuert wird durch eine unbeholfene Kommunikation, von der es allzu viele gibt; dann nennt man sie Nocebo-Effekte. Wenn etwa ein Operateur zu seinem Patienten sagt „Wir machen Sie jetzt fertig“ (und meint: Wir bereiten Sie für die Operation vor – so gehört von einer Kollegin vor ein paar Jahren), dann kann die unbewusste Botschaft (unser Unbewusstes hört „ich werde fertiggemacht“ im Sinne von „niedergemacht“) die pharmakologische Wirkung des Beruhigungsmittels zunichtemachen. Jedenfalls, in den Placeboeffekten zeigen sich die Effekte von Kommunikation, Erwartung, auch von Lernerfahrungen, kurzum, alles was unsere menschliche Psychologie so zu bieten hat. Wenn jemand im Laufe seines Lebens gute und heilsame Erfahrungen mit der Anwendung von Medikamenten gemacht hat, kann eben auch ein offenes Placebo über unbewusste Lernerfahrungen positive Effekte auslösen.

Placebo-Effekte zeigen sich auch in bildgebenden Verfahren

Dass diese Effekte nicht nur eingebildet sind oder das Ergebnis von Antwortverhalten netter Patienten, die es ihrem Doktor rechtmachen wollen, zeigte sich seit Anfang der 2000er Jahre in einer Reihe von bildgebenden Verfahren. Dabei werden entweder radioaktive Marker ins Blut gegeben, die dann den Effekt eines Neurotransmitters imitieren, oder es wird die Durchblutung bestimmter Gehirnareale gemessen, so dass man sieht, an welchen Stellen vermehrte oder verringerte Aktivität herrscht. So konnte man zeigen: die großen endogenen Netzwerke, etwa das endogene Opioidnetzwerk, oder das Dopaminnetzwerk sind an der Entstehung von Placebo-Effekten beteiligt. Bei Menschen, die auf schmerzlindernde Suggestionen mit einer Schmerzlinderung reagieren, sind exakt die gleichen Areale im Gehirn aktiv, die dann aktiviert werden, wenn man durch externe Opiatgabe pharmakologisch Schmerzen lindert. Bei Parkinsonpatienten, die auf Placebo reagieren, sind exakt die dopaminhaltigen Gehirnkerne aktiv und schütten Dopamin aus, die bei Gesunden ausreichend Dopamin produzieren würden. Wir können daher davon ausgehen, dass therapeutische Effekte, die durch Placebo ausgelöst werden, echt sind und in unserer Neurobiologie  verankert.

Entspannung führt zu Entzündungshemmung

Ein wichtiger Baustein im Verständnis der Placebowirkung ist der sog. „antiinflammatorische Reflex“ [9]. Er besteht in folgendem Phänomen: alle aktivierten Makrophagen, also die erste Linie in unserer unspezifischen Immunabwehr, haben aktivierte Rezeptoren für Acetylcholin auf ihrer Membran. Wenn nun irgendwo im Organismus eine Entzündung vorhanden ist – und die meisten chronischen Erkrankungen sind mit irgendwelchen Entzündungsprozessen verquickt – dann wird diese Entzündung u.a. durch solche aktivierten Makrophagen vermittelt. Wenn wir uns in einen vertieften Entspannungszustand begeben, dann wird durch die Aktivierung des Parasympathikus vermehrt Acetylcholin ausgeschieden. Dieses kann dann wiederum die Entzündungsreaktion der aktivierten Makrophagen bremsen, weil diese auf das Acetylcholin mit einer Reduktion ihrer Aktivität reagieren. Das ist der „antiinflammatorische Reflex“. Interessanterweise führt dieser Effekt natürlich nur dort zu einer Herabregulierung der Immunaktivität, wo eine Überaktivität vorher vorhanden war. Werden Patienten gut behandelt, fühlen sie sich wohl und erwarten Besserung, dann verlieren sie ihre Angst, Hoffnung kehrt ein und sie entspannen sich. Womöglich zum ersten Mal seit langer Zeit [10]. Und auf diese Weise kann der Placebo-Effekt direkt in die immunologisch vermittelte Entzündungssituation eingreifen [11].

Und wir sehen: der Placebo-Effekt wirkt offenbar über diese Achse spezifisch und zwar dort, wo Entzündung aktiv ist und nirgendwo sonst. Würden wir eine systemische Entzündungshemmung einführen, etwa durch eine Cortisonspritze oder eine stärkere Dosis Alkohol , dann würde dies zu einer Immunsuppression überall im Organismus führen und nicht nur dort, wo wir uns dies wünschen. Das ist auch der Grund, weswegen übermäßiger Alkoholkonsum mit Krankheiten assoziiert ist, bei denen das Immunsystem seiner Aufgabe nicht gut nachgekommen ist, wie etwa Krebs, oder warum Cortison auf lange Sicht Nebenwirkungen produziert. Placebo tut das nicht. Es führt allenfalls zu einer Regulation der Entzündungslage dort, wo es nötig ist, weil nur überaktivierte Makrophagen auf die Acetylcholinausschüttung reagieren können.

Spezifische Opioidantwort durch unspezifische Stimulation

Genauso ist es auch, wenn ein Placebo das endogene Schmerzreduktionssystem aktiviert, das dann von innen heraus Schmerzen reguliert. Unsere Schmerzen werden ja nicht nur an der Peripherie, durch Entzündungen, erzeugt, etwa wenn im Rahmen eines Knochenbruches Entzündungsmediatoren ins Gewebe ausgeschüttet werden, die für die Schmerzen an der Bruchstelle verantwortlich sind. Sie werden vor allem im chronischen Falle zentral „erzeugt“ indem die Impulse, die für die Weiterleitung von Schmerzen sorgen nicht mehr von denen kontrolliert werden, die für deren Blockade verantwortlich sind. Die letzteren sind jene durch Endorphine und Enkephaline, endogene opiatähnliche Substanzen, vermittelten schmerzhemmenden Impulse, die natürlich auch bei akuten Schmerzen und bei der akuten Schmerzstillung von Bedeutung sind. Man kann nun eine pharmakologische Schmerzblockade durch Opiate einführen. Dann übernehmen kurzfristig die von außen zugeführten Opiate die Arbeit der endogenen Opioide, die im Falle von Schmerzen nicht aktiv genug sind, um eine Schmerzblockade zu erreichen. Das ist ziemlich effektiv, wie wir wissen. Es führt aber auch zu Problemen. Denn zum einen machen Opiate schnell abhängig, weil sie eben die Eigenproduktion der Endorphine durch negatives Feedback drosseln. Zum anderen haben Opiate starke Nebenwirkungen. Denn es gibt kaum eine Zelle und kaum ein System im Organismus, das keine Opiatrezeptoren aufweist. Daher wirken Opiate nicht nur zentralnervös, sondern auch peripher, etwa im Darm, oder an Immunzellen. Das führt zu Verstopfung, Immunsuppression und vielen anderen Nebenwirkungen.

Was passiert aber, wenn der Organismus die nötigen Endorphine selber produziert? Dann wirken sie natürlich nur dort, wo der Organismus sie braucht, nämlich in den Schmerzzentren des Gehirns.  Eine Sucht aufgrund von Schmerzplacebos oder Verstopfung deswegen ist bislang noch nicht bekannt geworden.

Placebo – die spezifischste Arznei

Diese beiden Beispiele mögen genügen um zu zeigen: Placebo ist eigentlich spezifischer als die vermeintlich spezifische Opiat- oder Cortisongabe, um nur zwei Beispiele zu nennen. Denn: es erzeugt nur dort endogen ausgelöste Wirkungen, wo der Körper die Wirkung braucht und nicht überall im Körper, wie ansonsten alle pharmakologischen Substanzen, die von außen zugeführt werden. Diese Pauschalwirkung aller pharmakologischen Substanzen führt zu den Nebenwirkungen, die sich leider kaum vermeiden lassen und die den Preis der pharmakologischen Wirkungen darstellen. Daher sind paradoxerweise eigentlich Placebowirkungen die spezifischsten, denn sie erzeugen – wenn sie wirken – nur dort Wirkungen wo man sie braucht. Und sonst nirgendwo.

Daher wäre es eigentlich klüger, den Placeboeffekt als Selbstheilungseffekt zu deklarieren. Denn er ist der Reflex der Selbstheilfähigkeiten unseres Organismus. Und die klügste Therapie wäre die, die es schafft, diesen Selbstheileffekt auszulösen ohne Nebenwirkungen.

Placebo ist Selbstheilung

Offenkundig verfügt unser Organismus über die Fähigkeit, sich selber zu regenerieren. Aber anscheinend benötigen wir dazu Impulse von außen. Sich hinzusetzen und vorzunehmen „jetzt heil ich mich mal selber“ funktioniert selten, außer bei selbst-limitierenden akuten Krankheiten wie Infekten oder so. Manchmal, unter therapeutisch sehr guten Bedingungen, haben Imaginationsübungen solche Wirkungen [12]. Wir Menschen sind Beziehungswesen. Offenbar brauchen wir den Kontakt mit anderen, die Versicherung, dass jetzt alles gut wird. Daher sind in allen indigenen Heilritualen Spezialisten für Heilung vorhanden, Schamanen, Medizinmänner, in unserer Kultur Ärzte, die diese Selbstheilfunktionen aktivieren [10, 13]. Denn anscheinend ist die Beziehung zu anderen, denen man vertraut, eine wichtige Komponente. Aber nichtsdestotrotz ist das, was dann ausgelöst wird alles andere als ein unspezifischer Brei an Wirkungen. Es ist vielmehr die allerspezifischste Wirkung, die der Organismus bereit stellt. Denn sie führt nur dort zu Wirkungen, wo er sie braucht. Sonst nirgends. Und die größte therapeutische Kunst wäre es wie gesagt, solche Effekte auszulösen.

Möglicherweise ist Homöopathie in der Tat Placebo. Aber vielleicht ist sie genau solch ein Placebo: die Kunst, eine solche, sehr spezifische Selbstheilwirkung auszulösen. Ob das durch das Gespräch allein geht, oder ob man dazu auch die Kügelchen braucht wäre interessant zu untersuchen.

Literatur

[1] Ich habe die Originalliteratur und ausführlichere Argumente und Bezüge in folgenden Texten ausführlich zitiert; dort auch der Nachweis für die originalen Quellen, die ich hier der Kürze halber nur dort zitiere, wo ich direkt darauf Bezug nehme:

Walach, H. (2017). Der Minderwertigkeitskomplex der Psychotherapie oder die Frage nach dem Placebo: Einige Gedanken zur derzeitigen Diskussion. Verhaltenstherapie, 27, 53-56. https://www.karger.com/Article/Abstract/453050

Schmidt, S., & Walach, H. (2016). Making sense in the medical system: Placebo, biosemiotics, and the pseudomachine. In F. Goli (Ed.), Biosemiotic Medicine (pp. 195-215). Cham: Springer.

Walach, H. (2015). Placebo studies (double-blind studies). In J. D. Wright (Ed.), International Encyclopedia of the Social & Behavioral Sciences (2nd Edition ed., Vol. 18, pp. 157–163). Oxford: Elsevier.

Walach, H. (2015). Reconstructing the meaning effect – The capacity to self-heal emerges from the placebo concept. Tidsskrift for Forskning i Sygdom og Samfund, 23, 111-139. https://tidsskrift.dk/sygdomogsamfund/article/view/23016

Walach, H. (2013). Placebo effects in Complementary and Alternative Medicine: The selfhealing response. In L. Colloca, M. A. Flaten & K. Meissner (Eds.), Placbo and Pain: From Bench to Bedside (pp. 189-202). Amsterdam: Elsevier-Academic Press.

Walach, H. (2011). Placebo controls: historical, methodological and general aspects. Philosophical Transactions of the Royal Society Biological Sciences, 366, 1870-1878. http://rstb.royalsocietypublishing.org/content/366/1572/1870

[2]  Florey, E. (1995). Ars Magnetica. Franz Anton Mesmer 1734-1815: Magier vom Bodensee. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz.

[3] Kaptchuk, T. J. (1998). Intentional ignorance: A history of blind assessment and placebo controls in medicine. Bulletin of the History of Medicine, 72, 389-433.

[4] Rehder, H. (1955). Wunderheilungen, ein Experiment. Hippokrates, 26, 577-580.

[5] Park, L. C., & Covi, L. (1965). Nonblind placebo trial. Archives of General Psychiatry, 12, 336-345.

[6]  Kaptchuk, T. J., Friedlander, E., Kelley, J. M., Sanchez, M. N., Kokkotou, E., Singer, J. P., et al. (2010). Placebos without deception: A randomized controlled trial in irritable bowel syndrome. PLoS One, 5(12), e15591.

[7]  Kelley, J. M., Kaptchuk, T. J., Cusin, C., Lipkin, S., & Fava, M. (2011). Open-label placebo for major depressive disorder: A pilot randomized controlled trial. Psychotherapy and Psychosomatics, 81, 312-314.

[8] Kam-Hansen, S., Jakubowski, M., Kelley, J. M., Kirsch, I., Hoaglin, D. C., Kaptchuk, T. J., et al. (2014). Altered placebo and drug labeling changes the outcome of episodic migraine attacks. Science Translational Medicine, 6, 218ra215.

[9] Tracey, K. J. (2007). Physiology and immunulogy of the cholinergic antiinflammatory pathway. Journal of Clinical Investigation, 117, 289-296.

[10] Frank, J. D. (1981). Die Heiler: Wirkungsweisen psychotherapeutischer Beeinflussung; vom Schamanismus bis zu den modernen Therapien. Stuttgart: Klett-Cotta.

[11] Pacheco-López, G., Engler, H., Niemi, m.-B., & Schedlowski, M. (2006). Expectations and associations that heal: Immunomodulatory placebo effects and its neurobiology. Brain, Behavior, and Immunity, 20, 430-446.

[12] Erstling, T. (2011). Krebs mit inneren Bildern behandeln. Selbst aktiv etwas tun. Ahlerstedt: Param Verlag.

[13] Moerman, D. E. (2002). Meaning, Medicine, and the „Placebo Effect“. Cambridge: Cambridge University Press.

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Warum die Homöopathie kein empirisches Problem ist

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Harald Walach

Die Debatte um die Homöopathie wird ja immer um die Frage geführt: Zeigen wissenschaftliche Studien, dass die Homöopathie Placebo ist oder nicht? Dann kommen die einen und sagen: es gibt genug Studien, auch gute, die zeigen, dass Homöopathie von Placebo zu unterscheiden ist; u.a. auch ich in meinem letzten Blog-Blogbeitrag (www.homöopathie-forschung.info/EASAC). Und die Gegenseite sagt: es gibt keine Studien, die das beweisen (fast alle Kritiker und der wissenschaftliche Mainstream). Ich habe vor Zeiten schon (http://harald-walach.de/methodenlehre-fuer-anfaenger/vom-verhaeltnis-zwischen-empirie-und-theorie-1/) darauf hingewiesen, dass empirische Daten nie naiv interpretiert werden, sondern immer auf dem Hintergrund der vorhandenen Welterfahrung, eigener und bekannter Daten und Theorien, kurzum auf dem Hintergrund von Ausgangswahrscheinlichkeiten, mit denen man bestimmte Dinge erwartet oder nicht erwartet. Die Ausgangswahrscheinlichkeit, zum Beispiel, dass ein rosarotes Einhorn vor meiner Tür steht, wenn ich den Postboten erwarte, ist praktisch gleich Null. Deswegen werde ich auch nicht glauben, dass ein rosarotes Einhorn dort steht, wenn es läutet, ich in der Gegensprechanlage nach dem Begehr frage und zur Antwort bekommen „Guten Morgen, hier ist heute zur Abwechslung das rosarote Einhorn“. Eher denke ich, der Postbote hat sich im Kalender vertan und kommt mit Faschingsverkleidung, oder irgend so was.

Die Bedeutung der Ausgangswahrscheinlichkeiten und Pfarrer Bayes

So ähnlich ist es mit der Homöopathie auch. Je nachdem, welche Hintergrundtheorie der Welt wir haben, bewerten wir Informationen über die Homöopathie unterschiedlich. Wenn wir ein festgezimmertes Gebäude über die Welt haben, in dem nur materielle Wirkungen vorkommen und nur Moleküle etwas im Körper bewegen können, und auch geistige Wirkungen, z.B. unseres Willens, nur über materielle Prozesse, etwa Neuronenentladungen, verstehbar sind, dann wird uns die Homöopathie so unmöglich vorkommen, dass wir ein empirisches Ergebnis mit äußerster Sicherheit und großer statistischer Signifikanz oder Unwahrscheinlichkeit, und davon gleich mehrere brauchen, bevor wir bereit sind an unserem Glauben zu rütteln. Umgekehrt wird einem Arzt, der schon viele Heilungen gesehen hat oder einer Mutter, die Wirkungen an ihren Kindern kennt ein bisschen Empirie reichen, um zu der Ansicht zu gelangen, Homöopathie sei wissenschaftlich bewiesen.

Der irische Pfarrer Thomas Bayes (1702-1761) https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Bayes hat diesen Sachverhalt seinerzeit formalisiert. Etwas eingedeutscht lautet seine Einsicht: Wir beurteilen empirische Ergebnisse immer auf dem Hintergrund dessen was wir erwarten, den sogenannten Bayesschen „prior probabilities“, was man mit Ausgangswahrscheinlichkeit wiedergeben kann. Je nachdem, wie hoch diese sind, genügen wenige empirische Ergebnisse, um diese in virtuelle Sicherheit zu überführen oder benötigen wir sehr viele, um sie überhaupt zu verändern. Genau diese Situation liegt bei der Homöopathie vor. Man kann sich das Ganze mit einem sog. Bayes-Rechner verdeutlichen, der die Bayesschen Argumente statistisch formalisiert berechnet (z.B. Graphpad: https://www.graphpad.com/quickcalcs/interpretPValue1/; man muss die Option „interpret p-value“ verwenden).

Eine Bayes-Simulation unterschiedlicher Ausgangswahrscheinlichkeiten zur Möglichkeit homöopathischer Wirkung

Ich habe in der nachstehenden Tabelle unterschiedliche Ausgangswahrscheinlichkeiten simuliert. Den Skeptiker (Ausgangswahrscheinlichkeit 0.001%), den Neutralen (Ausgangswahrscheinlichkeit 50%; so wie eigentlich Wissenschaft operieren sollte), den Gläubigen (Ausgangswahrscheinlichkeit 95%) und verschiedene Ergebnisse. Die statistische Mächtigkeit (Power) habe ich hoch gesetzt (also 95% oder alpha = beta; Fehler erster Art = Fehler zweiter Art; eine durchaus übliche Konvention in klinischen Studien; wer mehr wissen will, muss in meinem Methodenblog nachlesen oder auf Wikipedia).

 

Tabelle: Ergebnis einer Bayes-Simulation: Welchen Einfluss hat das Ergebnis einer einzigen hochsignifikanten klinischen Studie (p = 0.001) auf die Veränderung der Ausgangswahrscheinlichkeit eines Skeptikers (prior = 0.001% Chance, dass Homöopathie wirken kann), eines Neutralen (prior = 50% Chance) und eines Gläubigen (95% Chance)

Ausgangswahrscheinlichkeit,
dass Homöopathie wirken
kann (prior probability)
Empirisches Ergebnis einer
Studie: Signifikanzniveau
Posteriore Wahrscheinlichkeit,
dass Homöopathie wirkt
Skeptiker 0.001 % 0.001 0.0094
Neutraler 50 % 0.001 0.9989
Gläubiger 95 % 0.001 0.9999

 

Wir sehen: das Ergebnis ein und desselben klinischen Experimentes hat sehr unterschiedliche Auswirkungen. Beim Skeptiker verändert sich dessen skeptische Haltung nur mild auf 0.0094 oder  9.4 Promille, dass Homöopathie wirklich funktionieren kann. Beim Neutralen verändert eine sehr gute Studie mit sehr gutem Resultat die anfangs neutrale Haltung (50:50) in ziemliche Sicherheit (0.9989) und beim Gläubigen sowieso. Umgekehrt könnte man nun fragen: Wie viele Studien braucht es denn um Skeptiker zu überzeugen? Wenn man die oben angegebenen Parameter verwendet, dann müssten eigentlich bei einem rationalen Skeptiker, der dem Theorem von Pastor Bayes folgt, vier Studien dieser Art genügen, um die Skepsis in Sicherheit zu überführen. Da aber vermutlich meine oben angenommene Zahl (0.001% Ausgangswahrscheinlichkeit) viel zu hoch ist, und nicht alle Studien so starke Ergebnisse aufweisen, dürften es mit Sicherheit mehr Studien sein, die nötig sind.

Empirie alleine reicht nicht

Da wir Menschen aber nur begrenzt rational denken und handeln, dürfte die Frage, ob Empirie ausreichend ist, eher akademischer Natur sein. Denn wir Menschen sind nicht nur sehr stark auf unsere Vormeinungen angewiesen und lassen sie ungern ziehen und uns von der Empirie bekehren. Wir sind auch sehr eng emotional mit unseren Theorien von der Art, wie die Welt funktioniert verbunden. Daher ist die Frage, ob Homöopathie als wissenschaftlich gelten kann bzw. ab wann sie wissenschaftlich akzeptiert ist, keine empirische, oder nur teilweise eine empirische Frage. Denn die nötigen vier bis sechs klinischen Studien, um den oben simulierten Skeptiker zu bekehren, gibt es im Ensemble der etwa 120 klinischen Studien auf jeden Fall, wie der vorherige Blog-Beitrag gezeigt hat (www.homöopathie-forschung.info/EASAC). Wenn man allerdings verlangt, was Skeptiker in der Regel tun, dass sie alle in ein und derselben Diagnosekategorie vorliegen müssen, und das möglicherweise in jeder, die von der Homöopathie so behandelt wird, dann wird es in der Tat dünn. Nur, auch das habe ich letztes Mal gezeigt, ist diese Frage keine Frage, die der Homöopathie angemessen ist.

Aus dem Grund wird die Frage, ob Homöopathie wissenschaftlich akzeptiert wird bzw. akzeptabel ist, nur zum kleineren Teil von empirischen Argumenten geklärt werden können. Vielmehr werden wir eine Debatte darüber benötigen, ob, und gegebenenfalls welche, theoretische Modelle vorhanden sind, die die Homöopathie verstehbar machen. Denn das verändert die Ausgangswahrscheinlichkeiten unter denen die je gleichen empirischen Ergebnisse ganz anders bewertet werden. In einem der folgenden Blogs werden wir diesen Fragen nachgehen. Aber vielleicht wäre es ja schon eine Lösung Zweifel über die Theoriemöglichkeit für eine rationale Theorie der Homöopathie zu suspendieren und also dem Modell eines unvoreingenommenen Betrachters zu folgen. Dann würde der Wissensbestand allemal ausreichen, um die Wirksamkeit der Homöopathie als Beleg zu verwenden. Nur muss einem klar sein: das ist noch kein wissenschaftliches Faktum. Denn ein wissenschaftliches Faktum entsteht erst, wenn die Gemeinschaft der Wissenschaftler in einem öffentlichen Diskurs eine Situation als belegt akzeptiert hat. Und dazu gehört der momentane empirische Stand des Wissens zusammen mit einer denkbaren, akzeptablen und vermittelbaren Theorie und ein Konsens darüber. Und daher sind wir noch weit davon entfernt Homöopathie als wissenschaftlich belegt bezeichnen zu können. Genauer gesagt, das momentane Faktum ist eher: Homöopathie ist nicht belegt. Nicht, weil der Datenbestand so wäre, sondern weil die Diskurssituation so ist. Eine wissenschaftliche Tatsache ist die Übereinkunft, mit dem Denken aufzuhören. So ähnlich hat es Ludwik Fleck einmal ausgedrückt [1].

 

[1] Fleck, L. (1980). Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Mit einer Einleitung herausg. v. L. Schäfer und T. Schnelle. Frankfurt: Suhrkamp. (Original erschienen 1935).

 

 

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Die Europäischen Wissenschaftsakademien und die Homöopathie

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Harald Walach

Das EASAC (European Academies Science Advisory Council) ist so etwas wie das Gralshütergremium der europäischen Wissenschaft und berät die EU Kommission und indirekt natürlich auch die Mitgliedsstaaten über den Stand der Wissenschaft in verschiedenen Bereichen und gibt Empfehlungen aus. Die haben keine rechtliche, aber sehr wohl eine moralische Verbindlichkeit. Denn immerhin macht sich der versammelte europäisch-wissenschaftliche Sachverstand, so hat es den Anschein, daran eine Sache klarzustellen. In diesem Falle die Homöopathie. Das Verdikt dieses wissenschaftlichen Rates der europäischen Akademien, formuliert von einer Arbeitsgruppe von europäischen Medizinern, ist einigermaßen vernichtend. In der Essenz sagt das EASAC Memorandum „Homeopathic products and practices: assessing the evidence and ensuring consistency in regulating medical claims in the EU” (http://www.easac.eu/home/press-releases/detail-view/article/homeopathy.html), in klarem Deutsch:

Homöopathie ist Quatsch. Denn wir verstehen nicht, wie sie funktioniert und was bisher drüber gesagt worden ist, ist unplausibel. Außerdem ist Homöopathie empirisch gesehen maximal Placebo und das sollte nicht von öffentlichen Kassen finanziert werden. Damit ist sie aber auch Irreführung der Patienten, die immer noch glauben, sie würden eine wirksame Arznei erstehen und könnte außerdem durchaus gefährlich sein, denn sie könnte ja verhindern, dass wirklich effektive medizinische Maßnahmen unterbleiben oder zu spät angewandt werden. Insgesamt sollten nationale Zulassungsverfahren daher einen Standard anwenden und nur solche Produkte zulassen, die wirklich die Probe aufs Exempel bestanden haben und damit dem Maßstab der Wissenschaft, im Moment der randomisierten klinischen Studie (idealerweise placebo-kontrolliert) entsprochen haben.

Das klingt, wenn nicht unbedingt sympathisch, doch wenigsten rational und vernünftig – auf den ersten Blick. Daher lohnt es sich, ein bisschen hinter die Argumente zu schauen und diese genauer zu analysieren. Stimmen sie? Wie werden sie begründet? Was gibt es dazu zu sagen?

Gefährliches Placebo

Fangen wir mit dem wichtigsten Argument an: Homöopathie ist unwirksam und empirisch gesehen maximal ein Placebo und als solches gefährlich, weil es wirksame Maßnahmen verhindern könnte.

Die Creme de la Creme der europäischen Wissenschaft gibt sich aus meiner Sicht eine ziemliche Blöße, indem sie nicht, wie das wissenschaftlich üblich ist, auf Primärdaten Bezug nimmt, um diese Aussage zu treffen, sondern sich auf „excellent science-based assessments performed by other authoritative and impartial bodies“ (S.3) verlässt. Was genau heißt hier „excellent“? Oder „science-based“? Fragt sich der naive Beobachter. Dass diese Institutionen autoritativ sind – die Schwedische oder Ungarische Akademie der Wissenschaften, die englische Royal Society, das Australische National Health and Medical Council – steht außer Frage. Aber sind sie auch „impartial – unparteiisch“? Da hätte ich, mit Verlaub, meine Zweifel. Denn dass die Homöopathie ein Stein des wissenschaftlichen Anstoßes ist, ist seit Hahnemanns Zeiten keine Neuigkeit. Und dass Institutionen, die den wissenschaftlichen Mainstream verkörpern, keine Freude mit ihr haben und sie lieber von der Bildfläche verschwunden sähen, um ihr Weltbild rein und ihren Geist fein zu erhalten ist auch verständlich. Dass es mit der Unparteilichkeit nicht so weit her ist, sieht man an folgender Vignette und einigen Fakten:

Der australische Bericht – NHMRC

Der australische Homöopathiebericht wurde zweimal verfasst. Die erste Version, die offenbar zu ganz positiven Ergebnissen gekommen ist, scheint in der Schublade verschwunden zu sein. Momentan läuft ein Gerichtsverfahren in Australien, das vom Homeopathic Research Institute (HRI) in London angestrengt wurde und das die Herausgabe dieser ersten Version zum Gegenstand hat. Auf der letzte HRI Konferenz in Malta hat Rachel Roberts dieses Problem minutiös analysiert (man kann ihre Präsentation hier ansehen: http://www.hrimalta2017.org/presentations/). Was hier also als „science-based, authoritative“ angeführt wird ist vermutlich verzerrt und im schlimmsten Falle sogar betrügerisch. Überhaupt pflegen diese Akademieberichte, soweit ich weiß, ebenfalls nicht auf Primärdaten zurückzugreifen, genausowenig wie der australische Bericht, sondern sich auf publizierte Analysen, meistens Sekundäranalysen, zu stützen und haben damit nicht mehr und nicht weniger Aussagekraft als diese.

Metaanalyse Shang et al.

Die am meisten zitierte, weil im Ergebnis negative Analyse, war die von Shang und Kollegen [1], die auch vom EASAC als Beleg für die Unwirksamkeit der Homöopathie angeführt wird. Dabei werden geflissentlich folgende Fakten übersehen, auf die schon vielfach hingewiesen wurde:

  1. Das Ergebnis dieser Analyse ist nur dann negativ, wenn man, wie die Autoren, nur die größten 8 Studien von 21 methodisch besten Studien einschließt. Für diese Entscheidung gab und gibt es kein gutes Argument. Die Entscheidung wurde nie begründet, auch nicht nachträglich. Eine Sensitivitätsanalyse, die die Auswirkungen dieser Entscheidung untersucht, unterblieb. Das widerspricht – eigentlich – jeder guten Praxis von Meta-Analysen und verletzt – eigentlich – auch die Publikationsstandards von Lancet, dem Journal, das die Arbeit publiziert hat. Eigentlich. Denn in dem Fall der Homöopathie kann man ja beide Augen zumachen. Man weiß eh, dass dabei nichts herauskommen kann, oder? Die Sensitivitätsanalyse wurde von anderen nachgeliefert [2]. Schließt man alle 110 Studien ein, ergibt sich ein klarer signifikanter Effekt. Schließt man sukzessive immer mehr Studien aus, bleibt der Effekt sehr lange stabil signifikant. Nimmt man etwa 14 Studien aus dem Ensemble der qualitätvollen 21, dann ist der Effekt immer noch signifikant. Der negative Effekt ist hauptsächlich auf eine große Studie zurückzuführen, bei der Arnica präventiv gegen Muskelkater bei Marathonläufern getestet wurde. Man kann sich sehr fragen, ob und inwiefern eine solche Studie wirklich etwas über ärztliche homöopathische Praxis aussagt. Ist eine solche Publikation ein wissenschaftlich belastbarer Befund, aufgrund dessen so weitreichende Aussagen getroffen werden sollen?
  2. Die Studie wurde ausführlich kritisiert [3, 4]. Es ist gute wissenschaftliche Praxis bei der Bewertung einer Arbeit auch auf deren Kritikpunkte einzugehen bzw. diese bei weiteren Bewertungen zu berücksichtigen. Das unterblieb damals wie heute. Das wiederum ist schlechte wissenschaftliche Praxis.

Metaanalysen: Der aktuelle Stand

Es ist außerdem gute Praxis, den aktuellen Stand der Wissenschaft in einem solchen schwerwiegenden Fall zu berücksichtigen. Und das bedeutet: neuere Publikationen zur Kenntnis zu nehmen. Die gibt es durchaus. Hahn, ein schwedischer Anästhesiologe, der sich unvoreingenommen die Literatur ansah – er war und ist kein Homöopath, sondern einfach nur neugierig –, war ganz erstaunt, wie viel positive Befunde es zur Homöopathie gibt und meinte, man müsse über 90% aller Befunde ausblenden, wenn man das Ergebnis von Shang oder anderer homöopathiekritischer Berichte aufrecht erhalten wolle [5]. In der Tat. Dies ist, was geschieht. Man blendet unter einem Vorwand Befunde aus und hat wieder eine saubere intellektuelle Welt. Kann man machen, muss man nicht. Mathie hat in der Zwischenzeit eine neue Meta-Analyse vorgelegt und unter sehr strikten Auswahlkriterien nur klassisch homöopathische Therapie, in placebokontrollierten, randomisierten Studien untersucht, in seiner Arbeit berücksichtigt. Das Ergebnis ist signifikant und kommt zu dem Schluss, dass Homöopathie sich von Placebo unterscheiden lässt [6].

Nun meine Kollegen vom Scientific Advisory Council der Europäischen Akademien, wollen wir doch einmal folgendes festhalten: Die Aussage, Homöopathie ist Placebo, lässt sich nur unter folgenden Bedingungen aufrechterhalten.

  1. Man ignoriert Befunde.
  2. Man stützt sich auf primäre Publikationen dort, wo sie einem in den Kram passen und ignoriert sie dort, wo sie die eigene Weltsicht trüben.
  3. Man biegt Kriterien, die allgemein gelten, mal kurzfristig um. Denn allgemein gilt das Kriterium, dass Meta-Analysen jeweils auf den neuesten Stand gebracht werden (also Mathie vor Shang) und dass Meta-Analysen den höchsten Evidenzgrad darstellen (also Meta-Analysen vor selektierten Einzelbefunden).

Evidenz zu einzelnen Diagnosen

Man kann sich natürlich, wie diese Kommission, auf den Standpunkt stellen, es gäbe keine konsistenten Befunde für Diagnosen. Diese Aussage stimmt teilweise. Es gibt allerdings einige Diagnosen und Befundcluster, für die sie nicht stimmt, aber das ist jetzt eher nebensächlich. Wichtiger scheint mir folgendes zu sein: Die Gruppierung von Interventionen für Diagnosen ist dem Verständnis dessen, wie die Homöopathie sich selbst sieht, nicht angemessen. Die Frage ist auch gar nicht: Ist Homöopathie Placebo für, sagen wir, Asthma bei Kindern? Sondern die Frage ist: Ist Homöopathie generell ein Placebo. Denn das ist ja die Behauptung. Die Meta-Analysen – nicht nur die von Mathie, sondern auch andere, sogar die von Shang – zeigen, dass sie das nicht ist. Daher ist das Ausweichen auf einzelne Diagnosen eher ein Wechsel der Bühne um die Peinlichkeit zu vertuschen: Homöopathie ist doch – klinisch-empirisch – von Placebo zu unterscheiden, jedenfalls im Durchschnitt, und wir verstehen überhaupt nicht, warum.

Evidenz für homöopathische Arzneimittel

Wenden wir uns dem nächsten Argument zu: Man solle auch im Fall der Homöopathie die strikten (Evidenz-)Kriterien anwenden, die konventionelle Behandlungen erfüllen müssen.

Das klingt wiederum auf den ersten Blick vernünftig, ja sogar zwingend. Denn immerhin müssen ja alle neuen konventionellen Substanzen eine Zulassungsprozedur durchlaufen, bei der sie in der Regel zwei klinische Studien vorweisen müssen. Diese können entweder placebo-kontrolliert sein oder Vergleiche mit Standard. Sind diese positiv, werden sie zugelassen. Man vergisst bei dieser Argumentation: Sie setzt zwingend die Logik voraus, dass eine Substanz für eine bestimmte Krankheit entwickelt und für diese verwendet wird. Genau das ist bei der Homöopathie ja nicht der Fall. Vielmehr können homöopathische Arzneien in der Theorie für alle möglichen Krankheiten verwendet werden, solange das Symptombild mit dem Arzneimittelbild übereinstimmt. Eine Arznei, die bei Kopfschmerz helfen kann, kann auch bei Husten erfolgreich sein oder bei Dysmenorrhoe – wenn die Symptome stimmen. Und eine Arznei, die einen Patienten von Kopfschmerzen geheilt hat, kann bei einem anderen Kopfschmerzpatienten versagen. Daher ist die normale Zulassungslogik für die Homöopathie nicht zielführend. Deswegen gibt es auch das Argument des „traditional use“, der Registrierung über die Erfahrungstradition. Diese Zulassungspraxis gibt es im Übrigen auch für viele ältere konventionelle Präparate, die einfach über die Tradition ihre Zulassung beibehalten haben. Sollen die nun auch alle über die Klinge springen?

Die Cochrane-Kriterien

Die Autoren führen auch an, dass man am besten die strikten Kriterien der Cochrane-Collaboration erfüllen solle. Das ist ein Netzwerk von Wissenschaftlern, die systematische Meta-Analysen und Übersichtsarbeiten durchführen und dabei sehr strikten Protokollen folgen. Daher sind ihre Schlussfolgerungen in der Regel enttäuschend und konservativ. El Dib und Kollegen haben bereits 2007 die Probe aufs Exempel gemacht [7]: Sie zogen 1016 zufällig ausgewählte Cochrane-Reviews aus der riesigen Cochrane Library und untersuchten, wie häufig sie zu klaren positiven oder negativen Schlüssen kommen. Die meisten davon übrigens konventionelle Interventionen. Das Resultat habe ich in der Abbildung 1 zusammengestellt:

Abbildung 1 – prozentualer Anteil von 1016 zufällig ausgewählter Cochrane-Reviews die klare Wirksamkeit belegen, klar schädlich sind, vermutlich schädlich, möglicherweise wirksam und unklar. Nach El Dib et al. [7]

Cochrane-Reviews nach El Dib et al.

Bei je 2% der Reviews zeigt sich, dass die untersuchte Intervention klar wirksam oder klar schädlich ist. Bei weiteren 5% zeigt sich, dass sie vermutlich schädlich ist, wir es aber noch nicht genau wissen. Bei 43% zeigt sich, dass sie möglicherweise wirksam ist und bei der Mehrzahl, nämlich 48% ist die Sache unklar.

Jetzt nochmals zum Mitschreiben: bei gerade mal 4% haben wir eine sog. wissenschaftliche Evidenz. Immerhin deutet eine große Zahl von Studien, nämlich bei 43% der Interventionen, auf eine mögliche Wirksamkeit hin. Aber wissenschaftliche Evidenz sieht anders aus. Und bei fast der Hälfte haben wir keine Ahnung, ob die Intervention etwas taugt oder nicht. Kann man daraus folgern, dass das, was normalerweise in Krankenhäusern und Arztpraxen passiert, „evidenzbasiert“ ist, wie man das neudeutsch gerne nennt? Ich glaube nicht.

Meine Herausforderung an die Kollegen vom EASAC wäre: Wenn Sie mit der gleichen Striktheit, Vollmundigkeit und Sicherheit bereit sind, 96% aller konventionellen medizinischen Interventionen aus der Versorgung nehmen, so lange, bis Klarheit herrscht, mit der Sie die Praxis der Homöopathie kontrolliert und reguliert sehen wollen, wenn Sie bereit sind jene 2% Interventionen, von denen wir wissen, dass sie eher schaden als nutzen sofort abzuschaffen und jene 5% zu suspendieren, von denen wir annehmen können, dass sie schädlich sind, zum Beispiel so manche Screenings, und dies von den Krankenhäusern und nationalen Regulatoren fordern, dann könnte man sicher auch über die Homöopathie reden, so wie Sie es tun. Das ist natürlich rhetorisch. Denn keiner würde auf die Idee kommen, aufgrund dieser Daten 98% der Medizin auszusperren und vom Markt zu nehmen. Denn: Wir haben ja schließlich auch noch unsere klinische Erfahrung, oder? Genau. Genau wie die Homöopathie, die zuallererst einmal erfahrungsbasiert ist und sich erst langsam wissenschaftlich selbst durchdringt.

Ich finde: Wenn man sehr genau hinsieht, ist vieles an der anscheinend so evidenzbasierten Medizin weniger gut evidenzbasiert, als man meint. Gøtzsche ist etwa der Meinung, man könnte die ganze biologische Psychiatrie in die Tonne treten, weil sie keine gute Datenbasis hat [8], eine Stimme aus der Cochrane Collaboration übrigens, eine wichtige zumal. Vor nicht allzulanger Zeit zeigten Autoren aus der Kardiologie [9]  und Onkologie [10], dass nur 11% (Kardiologie) bzw. 6% (Onkologie) von therapeutischen nationalen Leitlinien-Empfehlungen in den USA sich auf Daten der Evidenzklasse A (also Meta-Analysen oder mehrere gute randomisierte Studien) stützen können. Da steht doch die Homöopathie so schlecht nicht da im Vergleich, auch wenn sie in keiner nationalen Leitlinie vorkommt, oder?

Nebenwirkungen

Nehmen wir ein weiteres Argument: Homöopathie ist schädlich. Entweder werden Leute von wichtigen Behandlungen abgehalten oder sie schadet gleich direkt, weil ja häufig doch mehr Moleküle drin sind, als man denkt und weil Leute die Sachen dann länger nehmen als sie sollten, im Glauben, sie seien harmlos.

Die erste Aussage ist schlicht eine ungedeckte Behauptung. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Belege dafür. Im Gegenteil, alle Daten, die wir kennen zeigen: Homöopathie wird in der Regel komplementär, also in Ergänzung zu, konventionell-medizinischen Behandlungen verwendet, oder im Rahmen von Selbstbehandlungen bei trivialen Erkrankungen wie Erkältung [11]. Oder sie kommt dann in Frage, wenn alle anderen konventionellen Angebote versagt haben oder mit zu vielen Nebenwirkungen behaftet waren. Der Krebspatient, der sich weigert, sich konventionell behandeln oder untersuchen zu lassen und gleich zum Homöopathen geht ist eine Rarität [12,13]. Ich will gar nicht abstreiten, dass es Homöopathen gibt, die sich und ihre Methode überschätzen. Aber gibt es solche Menschen nicht auch anderswo? Interessant ist: Wenn so was bei Homöopathen entdeckt wird, kommt der moralische Zeigefinger. Passiert es anderswo oder im eigenen Stall, naja dann halt. Dumm gelaufen.

Beim zweiten Teil des Argumentes wird gerne auf einen akuten Fall abgehoben. Einige Kinder in den USA hatten epileptische Anfälle. Gleichzeitig hatten sie von ihren Eltern homöopathische Zahnungskügelchen bekommen. Man vermutete, dass das homöopathische Belladonna in den Zahnungskügelchen schuld war, bzw. gab ihm gleich mal die Schuld, ohne dass das in irgend einer Form bewiesen oder auch nur plausibel wäre und forderte Regulierung, eine historische Vorlage für den EASAC-Vorstoß [14]. Was sicher denkbar ist, ist die Tatsache, dass der amerikanische Hersteller gepatzt hat und mehr Belladonna in den Kügelchen war als nominal angegeben (D3). Was auch denkbar ist, dass in seltenen Einzelfällen Kinder überreagieren, vor allem wenn jemand eine homöopathische Substanz zu lange nimmt. Das dürften aber sehr seltene Fälle sein, die im übrigen rein theoretisch eben dafür sprechen, dass homöopathische Arzneien kein Placebo sind. Aus genau dem Grund hat das deutsche BfArm auch eine Richtlinie erlassen, in der bei der Selbstmedikation auf die Zeit- und Dosisbegrenzung der Einnahme hingewiesen wird.

Insgesamt ist die Homöopathie unter Garantie sicherer als jede konventionelle Arzneitherapie. Die einzige Überblicksarbeit, die bedeutsame Nebenwirkungen gefunden haben will [15] ist, wie wir gezeigt haben [16], so voll von Fehlern, dass sie keine zuverlässige Literaturquelle darstellt.

Plausibilität

Bleibt die Implausibilität der Homöopathie. Da würde ich den EASAC Autoren zustimmen. Die fairste Aussage ist aus meiner Sicht: Homöopathie hat klinische Wirkung, die sich manchmal in klinischen Studien, und über alle Studien hinweg, von Placebo unterscheiden lässt. Es gibt sogar einige Hinweise aus der Grundlagenforschung, dass sich homöopathische Substanzen von Placebo unterscheiden lassen, die die EASAC-Autoren geflissentlich übergehen. Aber wir haben keinen blassen Schimmer warum und wie sie wirkt. Alle theoretischen Möglichkeiten die bislang angeführt wurden – und das EASAC-Papier ist an diesem Punkt relativ dünn, denn es gibt eine ganze Reihe von anderen Modellen als die dort diskutierten – sind hoch spekulativ und keinesfalls bewiesen. Aber nur weil ein Phänomen noch unverstanden ist und wir es nicht in unser Weltbild einbauen können es zu bannen und als prinzipiell undenkbar zu brandmarken? Das ist, finde ich, keine gute Idee. Dann hätte man viele Substanzen nicht verwenden dürfen, denn ihre Wirkungsweise wurde erst viel später klar, von Aspirin angefangen. Im Gegenteil: Wissenschaftshistorisch war die wissenschaftliche Beschäftigung mit Anomalien – und eine solche stellt die Homöopathie dar – immer der Anfang einer neuen Erkenntnis und der Garant für Fortschritt. Die Implausibilität der Homöopathie als Argument für die Beendigung der Auseinandersetzung mit ihr zu verwenden ist zutiefst unhistorisch und in der Sache unwissenschaftlich.

Und noch am Rande eine kleine, pikante aktuelle Vignette: Eine ganz neue Befragung der Universität Tübingen, Abt. Allgemeinmedizin, an 138 Ärzten in Weiterbildung ergibt: 46% der Befragten wendet komplementäre Verfahren bereits in der Praxis an, weil sie finden, das würde den Patienten nützen. Die Homöopathie gehört mit 16% der Nennungen dabei zu den häufigeren Verfahren. Aber das Interessanteste: 56% der Befragten wenden komplementäre Verfahren bei sich selber an, und das am meisten verwendete Verfahren bei der Selbstanwendung von Ärzten ist dabei, Sie ahnen es, die Homöopathie, die von 21% angewandt wird. [17] Was hat nun das wohl zu bedeuten? Ärzte, die von den besten europäischen Ausbildungsinstitutionen ausgebildet werden, wenden das angeblich schlechteste und unwissenschaftlichste Verfahren, die Homöopathie, mehrheitlich bei sich selber an? Warum wohl? Weil sie zu dumm sind, wirksam von unwirksam zu unterscheiden? Weil sie den Segnungen der konventionellen Pharmakologie zu wenig trauen? Weil sie sich vielleicht lieber mit einem nebenwirkungsarmen Placebo als mit einer wirksamen, aber nebenwirkungsbehafteten antiinflammatorischen Substanz behandeln?

Was wir wirklich brauchen

ist eine solide, öffentlich geförderte Auseinandersetzung mit diesem Phänomen. Die Autoren der EASAC zitieren den CAMbrella-Abschlußbericht, eines der wenigen EU-geförderten Projekte zur Komplementärmedizin [18]. Allerdings nicht vollständig, sondern nur die Passagen, die ihnen in die Argumentationsschiene passen. Die CAMbrella-Mitglieder haben nämlich in der Tat argumentiert, dass für die Komplementärmedizin keine eigenen Spielregeln gelten sollen, sondern die allgemeinen. Dass dies aber nur möglich sei, wenn es auch entsprechende Forschung und deren Förderung gäbe. Daher brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Forschung in diesem Bereich. Auf dem gesamten Gebiet der Komplementärmedizin, aber auch auf dem Gebiet der Homöopathie. Daher hatten wir bei einer Nachpräsentation im Europaparlament gefordert, die EU sollte wenigsten eine dediziertes Forschungsprogramm, aber eigentlich besser, wie die USA, Australien und Norwegen, ein Forschungsinstitut einrichten [19]. Das wäre die Konsequenz aus der empirischen Situation und aus der Tatsache, dass Patienten und Ärzte immer noch Homöopathie verwenden, obwohl Experten wie die der EASAC es ihnen versuchen auszureden. Der Punkt ist: Die Leute sind nicht dumm, ungebildet und leichtgläubig. Sondern sie machen ihre Erfahrungen. Sie machen sie meistens zuerst in der Medizin, wie wir sie haben. Z.B. mit ihren Kindern. Und wenn diese dann nach dem x.ten Kurs Antibiotika für ihre Ohrenschmerzen immer wieder neu Ohrenschmerzen bekommen, suchen sie sich andere Möglichkeiten. Die Freundin rät: geh mal zum Homöopathen, und wenn alles gut läuft, bricht eine gute homöopathische Behandlung den Zirkel und läutet eine dauerhafte Veränderung, vielleicht Genesung ein, warum auch immer, wie auch eine Studie zeigt [20]. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich solche Themen einmal genauer anzusehen, z.B. in randomisierten Systemvergleichen. Diese aber sind nicht mal eben aus der Portokasse zu bezahlen. Dafür braucht man Forschungsprofis, Geld und willige Klinikchefs. Aber nur solche Studien helfen uns wirklich dabei, die relevanten Fragen zu klären. Und diese relevanten Fragen sind noch nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet.

Was in diesem EASAC-Papier geschieht ist, juristisch gesprochen, eine Vorverurteilung unter Ignorierung bekannter Daten und unter Unkenntnis relevanter Daten, aus dem ästhetisch-theoretischen Grund, dass einem das vermeintliche Theoriemodell nicht behagt, weil es nicht in die momentane Weltsicht passt. Stimmt. Tut es nicht. Aber das ist kein wissenschaftliches, sondern ein ideologisches Argument.

Lesen Sie hier auch das WissHom-Statement zu EASAC …

[1] Shang, A., Huwiler-Münteler, K., Nartey, L., Jüni, P., Dörig, S., Sterne, J. A. C., et al. (2005). Are the clinical effects of homeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet, 366, 726-732.

[2] Lüdtke, R., & Rutten, A. L. B. (2008). The conclusions on the effectiveness of homeopathy highly depend on the set of analyzed trials. Journal of Clinical Epidemiology, 61, 1197-1204.

[3] Fisher, P., Bell, I. R., Belon, P., Bolognani, F., Brands, M., Connolly, T., et al. (2005). Letter to the Editor: Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Lancet, 366, 2082.

[4] Walach, H., Jonas, W., & Lewith, G. (2005). Letter to the Editor: Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet, 366, 2081.

[5] Hahn, R. G. (2013). Homeopathy: Meta-Analyses of pooled clinical data. Forschende Komplementärmedizin, 20, 376-381. https://www.karger.com/article/fulltext/355916

[6] Mathie, R. T., Lloyd, S. M., Legg, L. A., Clausen, J., Moss, S., Davidson, J. R., et al. (2014). Randomised placebo-controlled trials of individualised homoeopathic treatment: sytematic review and meta-analysis. Systematic Reviews, 3(142). https://systematicreviewsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/2046-4053-3-142

[7] El Dib, R. P., Atallah, A. N., & Andriolo, R. B. (2007). Mapping the Cochrane evidence for decision making in health care. Journal of Evaluation in Clinical Practice, 13, 689-692. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1365-2753.2007.00886.x/abstract

[8] Gøtzsche, P. C. (2015). Deadly Psychiatry and Organised Denial. Copenhagen: People’s Press.

[9] Tricocci, P., Allen, J. M., Kramer, J. M., Califf, R. M., & Smith Jr, S. C. (2009). Scientific evidence underlying the ACC/AHA clinical practice guidelines. Journal of the American Medical Association, 301, 831-841.

[10] Poonacha, T. K., & Go, R. S. (2010). Level of scientific evidence underlying recommendations arising from the National Comprehensive Cancer Network clinical practice guidelines. Journal of Clinical Oncology, 29, 186-191.

[11] Eardley, S., Bishop, F. L., Prescott, P., Cardini, F., Brinkhaus, B., Santos-Rey, K., et al. (2012). A systematic literature review of Complementary and Alternative Medicine prevalence in EU. Forschende Komplementärmedizin, 19(suppl 2), 18-28.

[12] Güthlin, C., Walach, H., Naumann, J., Bartsch, H.-H., & Rostock, M. (2010). Characteristics of cancer patients using homeopathy compared with those in conventional care: a cross-sectional study. Annals of Oncology 21, 1094-1099.

[13] Rostock, M., Naumann, J., Güthlin, C., Günther, L., Bartsch, H. H., & Walach, H. (2011). Classical homeopathy in the treatment of cancer patients – a prospective observational study of two independent cohorts. BMC Cancer, 11(19).

[14] Podolsky, S. H., & A.S., K. (2016). Regulating homeopathic products – A century of dilute interest. New England Journal of Medicine, 374, 201-203.

[15] Posadzki, P., Alotaibi, A., & Ernst, E. (2012). Adverse effets of homeopathy: a systematic review of published case reports and case series. The International Journal of Clinical Practice, 66, 1178-1188.

[16] Walach, H., Lewith, G., & Jonas, W. (2013). Can you kill your enemy by giving homeopathy? Lack of rigour and lack of logic in the systematic review by Ernst and colleagues on adverse effects of homeopathy. International Journal of Clinical Practice, 67, 385-386.

[17] Valentini, J., Flum, E., Schwill, S., Krug, K., Szencsenyi, J., & Joos, S. (2018, in print). Komplementäre und Integrative Medizin in der Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin – Ergebnisse einer Bedarfserhebung bei Ärzten in Weiterbildung. Complementary Medicine Research, 25 (DOI:10.1159/000485319).

[18] Weidenhammer, W., & Walach, H. (Eds.). (2012). Complementary Medicine in Europe – CAMbrella. Freiburg: Karger. Forschende Komplementärmedizin, Sonderheft.

[19] Walach, H., & Pietikäinen, S. (2014). A Roadmap for CAM Research towards the Horizon of 2020. Forschende Komplementärmedizin / Research in Complementary Medicine, 21(2), 80-81.

[20] Friese, K.-H., Kruse, S., Lüdtke, R., & Moeller, H. (1997). The homoeopathic treatment of otitis media in children: comparisons with conventional therapy. International Journal of Clinical Pharmacology and Therapeutics, 35, 296-301.

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